Ruhrgebiet. Sie ist jung, online-affin und vorsichtig: Und doch ist Stephanie Fritzsche Opfer eines Identitätsdiebstahls geworden. Was die Polizei rät.

Mit einem Ermittlungsverfahren und einer Zivilklage ist Stephanie Fritzsche aus einem Betrug herausgekommen, dabei war doch sie das Opfer. Nicht genug mit den juristischen Scherereien: „Ich hatte danach, ich will nicht sagen, Angstzustände, aber Paranoia, dass die hier auftauchen“, sagt die junge Frau aus Lünen. „Die“, das sind die Betrüger. Doch von vorn.

Das Stellenangebot auf der Plattform Stepstone liest sich, als sei es auf sie zugeschnitten, die Mutter zweier Jungs von einem und zwei Jahren; oder vielleicht auf alle Mütter kleiner Kinder? Ein Minijob mit freier Zeiteinteilung in Heimarbeit bei einem Dortmunder IT-Dienstleister - perfekt. Die Firma, die da sucht, sie hat einen Internet-Auftritt - soweit checkt das vielleicht noch jede. Die gelernte Bürokauffrau Stephanie Fritzsche tut mehr: Checkt das Impressum - vorhanden. Fragt das Handelsregister? Firma ist eingetragen. Sie meldet sich.

„Ich hatte mit drei Identitäten zu tun“

Verdächtig: Wenn ein vermeintlicher Arbeitgeber nicht den persönlichen Kontakt zu Bewerbern und Bewerberinnen sucht, die in die engere Auswahl kommen.
Verdächtig: Wenn ein vermeintlicher Arbeitgeber nicht den persönlichen Kontakt zu Bewerbern und Bewerberinnen sucht, die in die engere Auswahl kommen. © FUNKE Foto Services | Bastian Haumann

„Ich fand schon komisch, dass nur über E-Mail und Whatsapp-Business kommuniziert wurde“, sagt die 33-Jährige: „Aber ich dachte, vielleicht treiben die für einen kleinen Job auch nicht so einen Aufwand.“ Whatsapp-Business, muss man noch sagen, ist ein Kanal, der auch Firmeninformationen transportiert. Spricht auch erst mal für Glaubwürdigkeit. „Ich hatte dort mit drei Identitäten zu tun. Es kann aber auch nur eine Person gewesen sein“, sagt sie heute.

Nun wird es komplex. Stephanie Fritzsches Aufgabe soll es künftig sein, Abläufe im Finanzsektor zu kontrollieren. Probeweise soll sie das Kontoeröffnungsverfahren einer Direktbank bewerten. Dazu soll sie selbst ein Konto eröffnen mit einer Handynummer und einer E-Mail-Adresse, die der angebliche Arbeitgeber ihr nennt, auf die sie aber keinen Zugriff hat. Das Konto gebe es nur dafür ganz kurz, versichert er. Nach der Probeaufgabe kommt auch bald ein offizielles Schreiben der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen, das Konto sei nun wieder gelöscht. Dass dieses Schreiben gefälscht ist, ahnt sie nicht.

Bankkarte trifft ein für ein Konto, das es angeblich nicht mehr gibt

Doch bevor sie wegen des erhofften Arbeitsvertrages auch noch ihre Bankverbindung angibt, grätscht die Wirklichkeit in den ausgefeilten Trick: Im Postkasten liegt die Bankkarte für das Konto, dass es angeblich nicht mehr gibt. Auf ihre Nachfrage bei der Bank bekommt sie keine Auskunft – sie verfügt ja nicht über die Handynummer und die E-Mail-Adresse aus der Anmeldung. Die haben die Betrüger. Stephanie Fritzsche bricht die Bewerbung ab. Anderthalb Wochen hat es sie beschäftigt.

Die Post, die ihr die Polizei im Mai schickt, ist etwas unerwartet. Sie solle vernommen werden. Sie werde verdächtigt, einen Betrug begangen zu haben. „Ich bin gleich davon ausgegangen, dass das mit diesen Vorgängen zusammenhängt.“ Richtig: Denn mit dem Konto und den Daten aus dem Personalausweis haben die Betrüger ein eBay-Konto eingerichtet. Identitätsdiebstahl!

„Ich habe einfach nicht mehr gewusst, was echt ist und was nicht“

Polizei und IT-Fachleute informieren regelmäßig über Betrugsmaschen im Internet, wie hier auf einer Veranstaltung für Schüler und Schülerinnen im Ruhrcongress Bochum.
Polizei und IT-Fachleute informieren regelmäßig über Betrugsmaschen im Internet, wie hier auf einer Veranstaltung für Schüler und Schülerinnen im Ruhrcongress Bochum. © Dietmar Wäsche / FUNKE Foto Services | Dietmar Wäsche

Dort haben sie Sachen angeboten, die sie gar nicht verkaufen wollen, vielleicht auch gar nicht haben. Unter anderem einen Schweißertisch und eine Spiegelreflex-Kamera, erfährt sie von der Polizei. Aufgrund ihrer Aussage, und weil sie die Chatverläufe vorlegen kann, werden die Ermittlungen eingestellt. Stephanie Fritzsche stellt ihrerseits Anzeige. Wie sich zeigt, hatten die Betrüger den langen Namen der echten Firma, in deren Haut sie quasi geschlüpft waren, nur durch einen Bindestrich verändert.

Auch interessant

Was bleibt? Tiefe Verunsicherung. Als sie das angeblich nur kurz existierende Konto bei der Direktbank kündigen will, verlangt die - ihre Personalausweisdaten. „Das habe ich nicht gemacht, weil ich einfach nicht mehr wusste, was echt ist und was nicht.“ Die Bank wird später die Anzeige, die sie bei der Polizei gestellt hat, als Grundlage der Kündigung akzeptieren. Und dann ist da noch die laufende Zivilklage eines Mannes, der die angebotene Kamera vom eBay-Konto gekauft und bezahlt hat, aber sie nie bekam. „Er glaubt nicht, dass ich keinen Zugriff auf das Konto hatte.“

Stefanie Fritzsche: „Ich war immer so ein Technik-Freund, Online-Banking finde ich super und alles, was ich nicht vor Ort regeln muss.“ Heute arbeitet sie mit Menschen und Dingen, die man anfassen kann. Auf Verkaufsveranstaltungen im Direktvertrieb.

Die Polizei kennt den Trick, der zum Identitätsdiebstahl führt. Und die angestrebte Straftat heißt ,Warenbetrug’: Dinge nur zum Schein zu verkaufen. Und wie kann man sich schützen vor solch ausgefeilten Tricks? Polizeisprecherin Özlen Demirtas aus Dortmund rät, mit allen persönlichen Daten im Internet so sparsam wie möglich umzugehen, vor allem Kontonummern und Ausweisdaten.

Wenn man aufgefordert werde, ein Konto zu eröffnen oder datenschutzrelevante Angaben zu machen, sollte man misstrauisch werden. Und auch, wenn eine Kontaktaufnahme und die ganze weitere Abwicklung nur über Whatsapp oder soziale Medien erfolge. Bei einer seriösen Ausschreibung, so Demirtas, „stehen eine persönliche Kontaktaufnahme und Vorstellung des Arbeitgebers im Fokus“.