Ruhrgebiet. Wie viel sind die Briefmarken des Opas wert? Wie finde ich Käufer oder Auktionshaus? Ein Experte erklärt, wie Erben den Überblick bekommen.
Was tun mit der geerbten Briefmarken-Sammlung? Jürgen Witkowski ist Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Ruhr (ARGE), der Vertretung von sechs Briefmarkensammlervereinen aus Bottrop, Essen und Oberhausen
Früher galten Briefmarken mal als gute Wertanlage. Aber die Zeiten sind vorbei, oder?
Jürgen Witkowski: Das kann man so nicht sagen. Was früher gut und teuer war, ist auch heute gut und teuer. Es wurden Sachen künstlich verknappt oder schön geredet, die nie etwas wert waren. Und es sind Unmengen auf diesen dummen Spruch ,Aktie des kleinen Mannes’ angesprungen und haben gesagt: Dann kann ich mit Briefmarken meine Rente aufbessern und solche wilden Ideen.
Aber es ist doch schon so, dass es deutlich weniger Sammler gibt und dadurch die Nachfrage gesunken ist.
Die Nachfrage nach Massenware ist gesunken, weil der Markt mit Massenware gesättigt ist. Die Sammlung von Tengelmann-Gründer Erivan Haub zum Beispiel hat bei Versteigerungen in den letzten Jahren irre Preise erzielt.
Das ist natürlich das Top-Segment.
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Ja. Aber Kreisklasse bleibt Kreisklasse, und dritte Liga bleibt dritte Liga. Da steigt man ein bisschen auf und dann wieder ab. Aber es ist nie zu erwarten, dass man damit groß Kapital machen kann. Wie bei den allermeisten Hobbys steht zunächst die Freude im Vordergrund.
Nehmen wir an, ich habe eine Sammlung geerbt. Wie bekomme ich einen ersten Eindruck von ihrem Wert?
Ich antworte darauf immer mit Gegenfragen: War die betreffende Person Mitglied in einem Briefmarkensammlerverein oder in einer philatelistischen Arbeitsgemeinschaft? Falls nicht, klingeln bei mir schon die Glocken. Die nächste Frage ist immer: Gibt es Sammlerkollegen oder Tauschpartner. Die sind eigentlich immer recht gut über Wert und Inhalt einer Sammlung informiert. Das ist aber in den allermeisten Fällen auch nicht der Fall.
Sie haben noch weitere Fragen, oder?
Ist philatelistische Literatur vorhanden? Wer nur den Briefmarkenkatalog hatte, hat wahrscheinlich dort seine Haken gemacht und war zufrieden. Wenn jemand aber tiefer eingestiegen ist, könnte das auf einen höheren Wert hinweisen. Nun: Sind es Briefmarken oder Briefe und Karten, man sagt: Belege. Letzteres ist die heutige Art zu sammeln. Erst dann kommt die Frage nach dem Sammelgebiet. Da kommt häufig die Antwort: Der hatte ein ganz tolles Abo bei der Post. Diese Sachen sind auch nicht werthaltig. Wenn noch postfrische Marken mit Eurozeichen darauf dabei sind, sage ich immer: Verkleben ist das beste, was man damit machen kann. Marken mit D-Mark-Aufdruck kann man nicht mehr nutzen. Dann muss man schauen: Wie wurde gesammelt? Hat man alles wild hintereinandergesteckt oder gibt es Vordruckalben mit Feldern für jede Marke? Kindersammlungen sind häufig nach Farben sortiert. Sind es fünf Alben, ein Schrank voll? Mit Lederrücken oder halb zerfleddert?
Kommen denn viele mit unrealistischen Wertvorstellungen, und muss man ihnen diesen Zahn ziehen?
Ja, ich rate jedem Sammler, zu Lebzeiten Hinweise an die Erben zu geben. Man kann einen Zettel vorne ins Album legen mit Sammlungsinhalt, Kontaktadressen und Verwertungsmöglichkeiten. Manchmal hat der Sammler seiner Frau erzählt: Dieses Stück muss ich haben, das ist wertvoll. Und womöglich stehen im Katalog entsprechende Zahlen. Nur hat der Katalogwert mit dem Handelswert nichts zu tun. Wenn ein Händler gnädig ist, zahlt er zehn Prozent des Katalogwertes. Alles, was im Katalog unter zehn Euro ist, darf man gar nicht rechnen.
So kann man also Stichproben nehmen.
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Bei den werthaltigen Marken muss man schauen. Wenn eine Sammlung bunt ist, sind das die Marken bis Ende der 1950er Jahre. Alles was danach gekommen ist, nicht mehr – das müsste schon die Audrey-Hepburn-Marke sein, aber die wird nicht in so einem Album stecken.
Bringt es etwas, wenn ich bei einer Tauschbörse vorbeischaue?
Ja, wenn jemand anruft, verweise ich auf Tauschtreffen. Als Sammler kann man nicht Hausbesuche machen, da kriegt man meistens kein Danke und wird womöglich noch angemotzt, wenn man sagt: Das ist nichts wert. Wenn die Person, die was wissen will, sich aber bemüht und hinkommt, ist das in Ordnung. Bei den Treffen kann man fragen, wer den Hut aufhat. Und derjenige kann dann in der Regel helfen oder weiterverweisen.
Wurden Ihnen schon mal wirklich wertvolle Marken gezeigt?
Letztes Jahr kam auf unserem monatlichen Treff im Essener Kulturzentrum Grend eine Dame vorbei, die hatte den Kofferraum voll. Mit drei Mann haben wir die Sachen reingeschleppt, haben uns das angeguckt und ihr zwei Adressen von Auktionshäusern gegeben. Ich glaube, sie hat an die 10.000 Euro erzielt.
Aber einzelne seltene Marken sind nie darunter?
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Etwas seltenere Massenware manchmal, die mit 100, 120 Euro gehandelt wird. Das kommt vor, wenn die Sammlung einigermaßen strukturiert ist. Wer wirklich hochwertige Sachen hatte, war sich über den Wert im Klaren und hat Vorsorge getroffen.
Wie finde ich ein Auktionshaus?
Es gibt zwei Verbände: Beim Bundesverband deutscher Briefmarkenversteigerer kann man auf der Website nachschauen, welche Auktionshäuser es in meinem Postleitzahlgebiet gibt. Ruft man an, bekommt man ähnliche Fragen gestellt, wie beschrieben. Und wenn man sehr viel Material hat, dann setzen die sich auch ins Auto. Das gleiche gilt für den Bundesverband des Deutschen Briefmarkenhandels. Das sind die Händler, die direkt Einkäufe machen.
Wie unterscheide ich seriöse von unseriösen Anbietern?
Alle hier gelisteten sind seriös, die Verbände haben auch Rechtsabteilungen, an die man sich wenden kann, wenn man unzufrieden ist. Ich wäre nur zurückhaltend, wenn jemand Vorschüsse auf eine Versteigerung anbietet. Wenn nicht alles verkauft wird, wird die Differenz mit Zinsen zurückverlangt. Das ist zwar grundsätzlich in Ordnung, aber mindert rasch den Gewinn.