Essen/Gelsenkirchen. Drei Gelsenkirchener stehen wegen versuchten Mordes vor dem Essener Schwurgericht. Sie sollen ihren Dealer überfallen haben.

Die Anklage lautet auf versuchten Mord. Weil sie ihren Drogendealer ausrauben wollten, sollen drei Gelsenkirchener seinen Tod „billigend in Kauf genommen“ haben. Doch die Beweislage vor dem Essener Schwurgericht ist schwierig. Zwei der drei Männer sitzen seit Dienstag vor allem deshalb dort, weil ihr Mitangeklagter Christian S. sie belastet hat.

Die Anklage von Staatsanwältin Sonja Hüppe zeichnet die Tat vom 22. August vergangenen Jahres in vielen Einzelheiten nach und beruht vor allem auf den Angaben des 34 Jahre alten Christian S. Darin heißt es, dass er und sein Mitangeklagter Matthias P., 47 Jahre alt, bei ihrem Dealer Schulden gehabt hätten. Deshalb hätten sie gemeinsam mit dem weiteren Angeklagten Sean K., 53 Jahre alt, den Überfall geplant.

Erhebliche Kopfverletzungen

Abends um 20 Uhr sollen sie maskiert mit Sturmhauben an der Wohnung des Dealers in der Nähe des Musiktheaters geklingelt haben. Als der Mann öffnete, soll Matthias P. ihn sofort mit einem Teleskopschlagstock zusammengeprügelt haben. Das Opfer erlitt bei dem Überfall erhebliche Kopfverletzungen.

Christian S. soll darauf die gesamte Wohnung nach Heroin und Bargeld durchsucht haben. Die beiden anderen Angeklagten hätten in dieser Zeit draußen Schmiere gestanden und die Tür zugehalten. Drinnen soll sich aber das Opfer erhoben und bewaffnet mit einem Messer Christian S. angegriffen und verletzt haben. Dieser setzte sich laut Anklage zur Wehr und schlug auf den Mann ein.

Opfer lag einen Tag in der Wohnung

Mit mehreren Tausend Euro Bargeld, 50 Gramm Heroin und weiteren Wertgegenständen soll das Trio geflüchtet sein. Den Dealer ließen sie mit seinen schweren Verletzungen in der Wohnung zurück, heißt es. Erst am nächsten Nachmittag sei er gefunden worden. Er kam ins Krankenhaus, wo ihm die Ärzte das Leben retteten.

Vergleichsweise schnell kam die Polizei auf Christian S. Seit dem 2. September sitzt er in Untersuchungshaft. In unterschiedlichen Versionen gestand er seine Tatbeteiligung und belastete später seine beiden Bekannten. Sie kamen am 28. Oktober in U-Haft. Beide bestritten bislang, an dem Überfall beteiligt gewesen zu sein.

Ein Angeklagter gesteht die Tat

Vor dem Essener Schwurgericht wiederholt Christian S. sein Geständnis, die Tat gemeinsam mit seinen Mitangeklagten durchgeführt zu haben. Allerdings will er weder Bargeld noch Drogen bei der Durchsuchung der Wohnung gefunden haben. Deshalb habe er ohne Beute die Flucht ergriffen.

Er verneint aber jede Tötungsabsicht. Weil der Dealer nach den Schlägen auf den Kopf aufgestanden sei und ihn mit dem Messer verletzt habe, sei er auch nie auf die Idee gekommen, dieser sei schon zu diesem Zeitpunkt lebensgefährlich verletzt worden. Er sagt aber auch, dass sie die Türe nicht verschlossen hätten. Das würde bedeuten, dass seine Mitangeklagten oder andere Junkies später die Wohnung betreten und dem Opfer die schlimmen Verletzungen zugefügt haben könnten.

Mitangeklagte schütteln den Kopf

Während Christian S. sein Geständnis ablegt, schütteln seine Mitangeklagten immer wieder den Kopf und machen deutlich, dass sie von seiner Aussage wenig halten. Das geht so weit, das Richter Jörg Schmitt sie verwarnt, sich im Gerichtssaal ordentlich zu benehmen.

Das Gericht hatte schon vor Monaten zu erkennen gegeben, dass es die von der Staatsanwaltschaft vorgelegten Beweise als nicht ausreichend ansieht, um einen versuchten Mord nachzuweisen. Deshalb eröffnete es das Verfahren vor einer normalen Strafkammer - ohne das Tötungsdelikt und lediglich als Raub.

Anklage zunächst teilweise abgelehnt

Das nahm die Staatsanwaltschaft nicht hin und legte Beschwerde ein. Sie bekam vor dem Oberlandesgericht Hamm recht. Der Senat reichte das Verfahren zurück ans Schwurgericht, das jetzt doch die Beweise für einen versuchten Mord prüfen muss.

Dieser Aufgabe stellt es sich auch. Zehn Sitzungstage hat es geplant. Und in dieser Zeit geht es nicht nur darum, ob der Tod des Dealers in Kauf genommen wurde oder die Angeklagten strafbefreiend von einem Tötungsvorsatz zurückgetreten sein könnten. Eine zentrale Frage wird auch sein, ob die Beweise gegen die Mitangeklagten von Christian S. ausreichen, ihnen eine Tatbeteiligung nachzuweisen.

podcast-image