Essen/ Gelsenkirchen. Nach dem spurlosen Verschwinden einer Frau aus Gelsenkirchen hat die Staatsanwaltschaft für ihren Ex-Freund die Höchststrafe beantragt.
Es muss ein qualvoller Tod gewesen sein. Im Juni 2019 soll ein 47-jähriger Mann aus Krefeld seine Ex-Freundin aus Gelsenkirchen mit einer Plastiktüte erstickt haben. Die Leiche wurde nie gefunden. Am Mittwoch hat die Staatsanwaltschaft die Höchststrafe beantragt: lebenslange Haft. Außerdem soll das Essener Schwurgericht die besondere Schwere der Schuld erkennen und die anschließende, unbefristete Sicherungsverwahrung anordnen. Mehr gibt das deutsche Strafrecht nicht her.
„Immer, wenn eine Freundin nicht mehr nach seinen Regeln spielt, verfällt der Angeklagte in den Bestrafungsmodus“, sagte Staatsanwältin Dr. Sonja Hüppe in ihrem Plädoyer. „Im Ernstfall spricht er ihnen sogar das Lebensrecht ab.“
Anna S. aus Gelsenkirchen ist die zweite Frau, die der 47-Jährige aus Krefeld umgebracht haben soll. Vielleicht sogar schon die Dritte. In einem Fall konnte nichts nachgewiesen werden, für den anderen ist er 1999 vom Duisburger Schwurgericht zu elf Jahren Haft verurteilt worden. Diese Frau hatte er mit einer Vielzahl von Messerstichen getötet.
„Es geht ihm um Macht“
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Hüppe spricht von einem „eingeschliffenen Verhaltensmuster“, was den Angeklagten für die Allgemeinheit extrem gefährlich mache. Trennungen seien für ihn Niederlagen, auf die der 47-Jährige mit Rache reagiere. Er empfinde weder Schuld noch Reue. „Er kontrolliert Menschen, manipuliert sie – es geht ihm nur um Macht.“
Es war der 23. Juni 2019, als er Anna S. an ihrer Gelsenkirchener Wohnung abholte. Die Beziehung der beiden war bereits ein Jahr beendet, trotzdem gab es immer wieder Treffen. Auch – oder vor allem – zum Sex. Doch diesmal sollte die 35-Jährige nicht zurückkehren.
Es gibt Fotos und ein Video, auf dem sie gefesselt auf dem Boden seiner Wohnung liegt. Ihr Kopf ist von einer am Hals geschlossenen Plastiktüte überzogen. Auch Totenflecke sind auf den Bildern nach Angaben einer Rechtsmedizinerin schon zu sehen.
Spürhunde waren dem Geruch der 35-Jährigen später bis zu einer Müllverbrennungsanlage in Krefeld gefolgt. Eines der Tiere wollte sogar in den Müllschacht springen.
Verdächtige Google-Suche
Geplant und abgewägt haben soll der Angeklagte seine Tat. Darauf weisen laut Staatsanwältin Suchbegriffe bei Google hin. „Wie lange dauert es, bis Leichengeruch entsteht?“, soll der Angeklagte zum Beispiel eingegeben haben. Und: „Plastiktüte über den Kopf“; „Wann fängt eine Leiche an zu riechen“; „Wie lange braucht man, um zu ersticken?“. Auch über Reinigungsmethoden soll er sich im Internet informiert haben, über die Sichtbarkeit von Blutspuren unter UV-Licht, über Leichenspürhunde und über die drei brutalsten Hinrichtungsmethoden.
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„Jeder, der mit diesem Fall befasst war, hat sich immer wieder in Erinnerung rufen müssen, dass wir uns nicht in einem Krimi befinden, sondern dass alles Realität ist“, so Hüppe.
Nach der Tat hatte der 47-Jährige seiner Ex-Freundin sogar noch WhatsApp-Nachrichten geschrieben: „Warum meldest Du Dich nicht?“ „Mache mir Sorgen.“
Schon nach der Trennung soll er in ihrer Gelsenkirchener Wohnung ein Feuer gelegt haben. Couch und Bett haben Feuer gefangen. Die Brandsachverständigen hatten später einen Grillanzünder gefunden. „Er hat ihre finanziell schwierige Situation immer weiter verschärft“, so Hüppe. Um sie an sich zu binden. Ein Lügenkonstrukt habe er aufgebaut, das seinesgleichen suche. Sogar eine Tante in der Schweiz soll der 47-Jährige erfunden haben, die beide mit Geld überhäufen wolle. Und den plötzlichen Tod seiner Eltern vorgetäuscht.
„Wut und Rache“
Kurz nachdem Anna S. das Lügenkonstrukt durchschaut hatte, war sie verschwunden. Der Angeklagte habe sich gedemütigt gefühlt, befürchtete, dass sich die 35-Jährige endgültig abkapseln werde. „Seine Motive waren Wut und Rache“, so Hüppe. „Er wollte seinen Machtanspruch geltend machen. Er wollte, dass sie bei ihm blieb. Auch, wenn das nur dadurch ging, dass sie sterben musste.“
Fünf Monate hat es gedauert, bis der Angeklagte festgenommen worden ist. Im Prozess vor dem Essener Schwurgericht hat er von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht . Wie seine Verteidiger den Fall sehen, ist noch nicht bekannt. Sie sollen erst am nächsten Verhandlungstag plädieren.
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