Ruhrgebiet. Die Kaufhaus-Schließungen schaden den Innenstädten sehr. Gelsenkirchen-Buer und Herne haben es trotzdem geschafft. Mit viel Zeit.

Der Klotz am Bein der Innenstadt von Witten, er ist noch jung: Dass der Kaufhof hier schloss, ist keine zweieinhalb Jahre her. Im Moment gibt es: eine Machbarkeitsstudie, die nach einem Umbau Mischnutzung vorsieht („Vier Obergeschosse im Einzelhandel will keiner mehr“). Einen Inhaber, dem dieser Umbau zu teuer und riskant ist. Und den daraus resultierenden Leerstand im Stillstand.

Man muss aber auch sagen: Zweieinhalb Jahre sind nichts, um so einen Bau wiederzubeleben. Das kommt nun auch auf jene Revierstädte zu, aus denen Galeria abzieht. Sie werden hart arbeiten müssen und etliche Jahre aufbringen, aber dann kann selbst aus einem früheren Kaufhaus wieder etwas werden.

„Linden-Karree“ und „Neue Höfe Herne“ gelten als Erfolgsmodelle

Das Linden-Karree in Buer ist das einzige frühere Kaufhaus, dass durch die Initiative und Investition einheimischer Bürger zu neuer Nutzung fand: aus Sorge um Buer.
Das Linden-Karree in Buer ist das einzige frühere Kaufhaus, dass durch die Initiative und Investition einheimischer Bürger zu neuer Nutzung fand: aus Sorge um Buer. © FUNKE Foto Services | Thomas Schmidtke

Das Ruhrgebiet liefert die besten Beispiele: Sowohl das „Linden-Karree“ in Gelsenkirchen-Buer als auch die „Neuen Höfe Herne“ und das „Marktquartier“ in Recklinghausen sind Erfolgsmodelle. Zusammen kamen die drei zwischenzeitlich auf 25 Jahre Leerstand. Heute sind ihre Konzepte sehr ähnlich: umbauen, aufteilen, verkleinern, vermengen.

Da niemand mehr in einen dritten Stock steigt, um etwas einzukaufen, setzen sie alle auf Mischnutzung: Einzelhandel, Gastronomie, Büro, Wohnung, Hotel, Pflege, Fitness, VHS, Stadtbücherei sind in unterschiedlichen Anteilen und nicht überall vertreten, aber allen ist gemein: Sie sollten Menschen anziehen, damit der benachbarte Handel wieder die Laufkundschaft erhält, für die früher das Kaufhaus sorgte.

Die Raumplanerin Nina Hangebruch aus Dortmund kennt sich damit am besten aus: Sie hat untersucht, was zwischen 1994 und 2019 aus aufgegebenen Kaufhaus-Standorten in Deutschland geworden ist - und das sind 220 (!).

Fast jedes fünfte aufgegebene Kaufhaus stand mehr als zehn Jahre leer

Ihre Zahlen sprechen eine andere Sprache, als man gerne so rummeint: Danach werden 95 Prozent der Gelände neu genutzt, zu zwei Dritteln in den alten Gebäuden, ein Drittel ist abgerissen worden und die Fläche neu bebaut. 27 Prozent brauchten fünf bis zehn Jahre, bis die neue Nutzung stand, und 18 Prozent brauchten noch länger.

„Handel allein ist nicht die Lösung“, weiß auch Hangebruch. Und rät dringend, jetzt nicht aus erster Verzweiflung den Standort kaputtzureden: „Wenn sich ein Bürgermeister jetzt hinstellt und sagt: Unsere Stadt ist tot - das ist ganz schlechtes Marketing.“

In Witten jedenfalls will der Inhaber des Kaufhauses im Frühjahr seine Pläne vorstellen. Und Stadtbaurat Stefan Rommelfanger sagt im Stadtentwicklungsausschuss: „Wir werden unseren Anspruch deutlich formulieren und nicht weiter nach unten schrauben.“ Einigung ungewiss, fest steht nur: Man ist mit zweieinhalb Jahren noch ziemlich am Anfang.