Ruhrgebiet. Für Paketboten ist es gefährlich, in den fließenden Verkehr aus dem Wagen auszusteigen. Also sind die neuen Rechtslenker. Auf der sicheren Seite.

Es ist gerade fünf Jahre her, dass Patrik Brod bei der Post angefangen hat, aber technisch ist 2018 ja nur besseres Mittelalter gewesen - wie man heute weiß: Die Pakete lieferte er damals aus in einem Volkswagen-Verbrenner. Dann stieg er um auf die kleinen gelben Paketwägelchen von Streetscooter mit ihren Elektromotoren, die nach und nach die komplette DHL-Paketzustellung übernehmen. Und jetzt gibt’s schon wieder was Neues: Das Fahrzeug ist höher, weiter und rechter. Patrik Brod ist nun auf der sicheren Seite.

Seit dem Herbst fährt der 31-Jährige als stellvertretender Standortleiter und als Erster in der Post-Niederlassung Essen die neue Generation Streetscooter. Sie ist weiter elektrisch („Stille Post“), sie ist größer, okay, fasst daher mehr Pakete, schön, aber die Revolution ist eine andere: Fahrersitz und Lenkrad sind - wie in Großbritannien - rechts.

„Es gibt schon Straßen, wo man links kaum heraus kommt“

Der Sinn der Sache: Paketzusteller müssen nicht mehr auf der Seite aussteigen, auf der der Verkehr rollt.
Der Sinn der Sache: Paketzusteller müssen nicht mehr auf der Seite aussteigen, auf der der Verkehr rollt. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Damit steigen die Zusteller nicht mehr links in den fließenden Verkehr aus, sondern rechts auf den Bürgersteig. „Es gibt schon Straßen, wo man links kaum heraus kommt und auch viel Zeit verliert“, sagt Brod, dessen Zustellbezirk im Essener Norden liegt: „Und es ist ein Gefahrenfaktor.“

Tatsächlich führt die Post die Rechtslenker aus Sicherheitsgründen nach und nach in ganz Deutschland ein, rund 1300 sind bereits unterwegs. In Nordrhein-Westfalen fahren bisher nur einige wenige in Witten und Essen im Ruhrgebiet sowie Altena und Meinerzhagen im Sauerland.

Eine Kamera am Fahrzeug hat den Gegenverkehr links im Blick

„Wenn dann die Autos mit 100 Sachen an einem vorbeidüsen, habe ich schon den Außenspiegel im Rücken gespürt“, sagt der Zusteller Thomas Ulm (58). Oder die Kollegin Daniela Hasselbach: „Man musste immer aufpassen, dass man nicht über den Haufen gefahren wird.“ Und das bei bis zu 120, ja 150 Ausstiegen am Tag: Kommt da auch keiner?

Nur hat es ja seinen Sinn, dass in Deutschland die Fahrer und Fahrerinnen links sitzen: Sie sehen den Gegenverkehr eher und besser, wenn sie überholen wollen oder ein Hindernis umkurven. Jetzt also schwierig. Doch beim rechtssitzigen Streetscooter übernimmt eine Kamera vorne oben links den Job und zeigt auf einem Bildschirm im Innern die entgegenkommende Gefahrenlage.

Mehr und mehr Verbundzustellung: Briefträger und Paketboten werden eins

Die neuen Streetscooter sind deutlich größer als ihre Vorgänger, aber auch nicht mehr so putzig.
Die neuen Streetscooter sind deutlich größer als ihre Vorgänger, aber auch nicht mehr so putzig. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Das Fahrzeug macht aber nicht nur den Zustellerinnen und Zustellern das Leben sicherer, sondern dient auch einer Systemumstellung, die langsam auch im Ruhrgebiet um sich greift: Briefträger und Paketzusteller werden eins. In dieser sogenannten „Verbundzustellung“ bringt ein- und derselbe Mensch die Briefe und Pakete. „Das gab es schon immer“, sagt Britta Töllner, Sprecherin der Post: „Vor allem in ländlichen Gebieten, wo zwei Austräger sich nicht lohnen.“

Doch jetzt wächst diese Verzahnung auch mehr und mehr in die großen Städte hinein. Briefe werden immer weniger, Pakete immer mehr, und so will die Post 70 Prozent ihrer Zustellbezirke in Deutschland bis zum Jahr 2025 umstellen auf Verbund. Im Moment ist es bereits gut die Hälfte. Jedenfalls ist logisch: Verbundzustellung zu Fuß oder mit dem Fahrrad geht nicht. Der Streetscooter kommt. Betriebswirtschaftlich betrachtet, ist der Ausstieg rechts auch noch billiger, der Weg zur Ladung kürzer.

„Ich finde die Handbremse links sehr ungewohnt“

Doch zurück zu Patrik Brod in den Niekämperweg in Essen, wo er gerade sein „BN-I 4002E“ einparkt. Die ersten 3000 Kilometer hat er weg mit dem Rechtslenker, die ganz große Neugier ist abgeebbt. „Kunden fragen nach, den meisten ist es aufgefallen“, sagt er. Standardfrage: ob das Fahrzeug aus England komme.

Die Umgewöhnung war kurz, erzählt er. „Ich finde die Handbremse links sehr ungewohnt“, sagt Brod; und jahrelang daran gewöhnt, links zu sitzen und rechts die Post liegen zu haben, packe er manchmal noch „rechts gegen die Scheibe“. Bekanntermaßen nehmen viele Menschen Probleme aus dem Arbeitstag mit nach Hause, in diesem Fall ist es eher ein putziges Problemchen: „Manchmal stehe ich bei meinem Privatwagen auf der falschen Seite.“