Essen. Ein Video zeigt dem Essener Landgericht, wie brutal auf einen Mann eingetreten wurde. Laut sind im Saal seine Schreie zu hören.

Es sind brutale Szenen, die am Dienstag vor dem Landgericht Essen zu sehen sind. Vier Männer treten in Gelsenkirchen auf einen angesichts der Übermacht wehrlosen Mann ein, der am Boden liegt. Drei Männer aus Bochum müssen sich für diese Tat verantworten.

Bilder voller Brutalität werden im Saal N 001 auf die Leinwand projiziert. Rechtsanwalt Volker Schröder, einer der Verteidiger, regt zuvor an, das Gericht möge den Ton abstellen. Doch ihm ist natürlich klar, dass die XVI. Strafkammer diesem Wunsch nicht entsprechen wird.

Fußtritte gegen den Kopf

Denn Schreie der Angst und des Schmerzes sind zu hören, die der Mann am Boden immer wieder ausstößt. Sie folgen auf jeden der Tritte, die die vier Männer ihm versetzen. Sie treffen fast immer seinen Kopf. Mal von der Seite, mal von oben. Dann laufen sie weg, so schnell wie sie gekommen sind.

Ein Anwohner hat die Szene aufgenommen. Einer der Männer tritt besonders brutal zu, zeigen die Bilder. Aber er fehlt auf der Anklagebank, sein Name ist den Ermittlern bis heute nicht bekannt. Die drei Angeklagten haben ihn bisher nicht genannt. Ob es Ganovenehre ist oder tatsächlich Unwissenheit, bleibt am ersten Prozesstag offen.

Angeklagte kommen aus Bochum

Unklar ist auch das Motiv. Die drei Angeklagten sind in Bochum lebende Albaner, zwei aus Mazedonien, einer aus dem Kosovo. Deutsch sprechen die 24, 29 und 41 Jahre alten Männer gut. Das Opfer lebt ebenfalls in Bochum in der Innenstadt, stammt aus Nigeria und ist 40 Jahre alt.

Laut Anklage waren am 24. August 2021 gegen 19 Uhr mehrere Männer in einem Supermarkt in Wattenscheid auf ihn zugegangen. Aus Angst soll er vor ihnen weggerannt sein. Die Männer hätten ihn verfolgt, er habe sich vor ihnen retten wollen, indem er in eine Straßenbahn der Linie 302 sprang. Einer der Verfolger soll ebenfalls in die Tram gegangen sein.

Opfer in den Nacken geschlagen

Am Wissenschaftspark nahe der Gelsenkirchener City sei er ausgestiegen. Der Verfolger hinterher. Nach wenigen Metern habe dieser den 40-Jährigen in den Nacken geschlagen und ihn zu Boden gebracht. Sofort seien die drei Angeklagten und der Unbekannte gekommen und hätten angefangen, auf den am Boden liegenden Mann einzutreten.

Auch das Opfer hatte in seiner polizeilichen Vernehmung keine Angaben zum Motiv gemacht. Der 40-Jährige sagte allerdings, Tage vorher habe ihn in Wattenscheid ein Mann aus dem Kreis der Angreifer nach Drogen gefragt. Er habe das verneint, so etwas mache er nicht.

Angst vor Wattenscheid

Später habe dieser Mann sich mehrfach beschwert, von ihm berührt worden zu sein. Er habe sich jedesmal entschuldigt. Nach Wattenscheid werde er künftig nicht mehr gehen, soll er zu den Vernehmungsbeamten gesagt haben, denn dort habe er Angst.

Verteidiger Uwe Krechel bittet nach der Verlesung der Anklage um ein Rechtsgespräch, in dem über eine mögliche Strafhöhe verhandelt wird. Doch zu einer Verständigung kommt es in diesem Gespräch nicht. Richter Thomas Kliegel teilt aber mit, dass bei einem vollen Geständnis und Schmerzensgeld Bewährungsstrafen im Bereich von zwei Jahren Haft denkbar seien.

Offenbar stuft die Justiz die Attacke nicht mehr als so gravierend ein. Anfangs hatte die Staatsanwaltschaft sogar wegen versuchten Totschlags ermittelt. Dass der Fall jetzt milder gesehen wird, mag auch daran liegen, dass die Verletzungen des Opfers nicht so gravierend waren, wie das Video vermuten ließ. Schon nach drei Tagen hatte der Mann das Krankenhaus verlassen. Der Prozess wird im Januar fortgesetzt.