Essen./Bottrop. Für den Raubüberfall auf einen Ex-Kollegen in Bottrop muss ein 35-Jähriger fünf Jahre in Haft. Seine Tränen beeindruckten die Richter nicht.

Es war nicht der Tag des Colin S., als er sich am 24. März 2020 in Bottrop entschloss, einen früheren Arbeitskollegen zu überfallen. Bei der Tat erbeutete der 35-Jährige zwar fast 7000 Euro, legte aber gleichzeitig zahlreiche Spuren. Sie überzeugten die XVI. Essener Strafkammer, den bis zum Schluss bestreitenden Angeklagten zu fünf Jahren Haft wegen schweren Raubes zu verurteilen.

Es sind Szenen wie aus einem TV-Krimi. Morgens hatte sich in Bottrop der Auslieferungsfahrer von seiner Lebensgefährtin verabschiedet. Sie winkte ihm noch hinterher, als er zum firmeneigenen Lieferwagen ging. Als er gerade hinter dem Lenkrad Platz genommen hatte, sah sie einen wie aus dem Nichts auftauchenden maskierten Mann, der sich in den Wagen drängte.

Gekonnt Alarmsystem deaktiviert

Mit einem Gegenstand, möglicherweise einem Elektroschocker, bedrohte er den Fahrer und zwang ihn, vom Fahrer- auf den Beifahrersitz zu rutschen. Dann veranlasste er ihn, sich eine schwarze Tüte über den Kopf zu ziehen. Gekonnt deaktivierte er das Alarmsystem des Autos und fuhr etwa 500 Meter weiter.

Dem völlig verängstigten und orientierungslosen Fahrer machte der Unbekannte klar, wie dieser sich verhalten solle: "Wenn Du machst, was ich sage, passiert Dir nichts." Dann stoppte er, durchwühlte den Innenraum des Lieferwagens und fragte das Opfer nach Geld. Der Fahrer öffnete darauf den Tresor, der Räuber nahm zwei Geldkassetten mit exakt 6752,60 Euro heraus und flüchtete.

Tatausführung wies auf früheren Fahrer hin

Der Polizei war schnell klar, dass es sich um einen Insider handeln musste. Denn die Art, wie er den Alarm deaktiviert hatte, ließ darauf schließen, dass er selbst einmal Fahrer war. Die Ermittler erfuhren außerdem, dass der Tattag ein Wochentag war, an dem früher die meisten Einnahmen im Wagen lagen. Dieser Wochentag hatte aber gewechselt, was dem Räuber wohl nicht bekannt war. Also ließen sie sich eine Liste geben mit den Namen der früheren Fahrer, die das Unternehmen verlassen hatten.

Vielleicht wäre die Tat allein mit diesen Angaben nicht aufgeklärt worden. Aber eine Passantin hatte an diesem Morgen einen schwarz gekleideten Mann gesehen, der von dem Lieferwagen zu einem silbernen Auto, sie meinte ein VW Polo, ging. Das kam ihr merkwürdig vor, deshalb merkte sie sich das Kennzeichen.

Nummernschild führte zum Angeklagten

Der Rest war Polizeiroutine. Das von der Frau genannte Kennzeichen stimmte zwar nicht, aber mit zwei Abweichungen vorne und hinten passte die Kombination aus Buchstaben und Zahlen dann doch zu einem silbernen VW Golf. Und der gehörte der damaligen Lebensgefährtin des Angeklagten. Erfreut registrierten die Ermittler, dass dieser Mann schon auf der Liste früherer Fahrer stand.

Der nächste Schritt war die Hausdurchsuchung bei ihm. Von der versprachen die Beamten sich nicht so viel, weil er mittlerweile ín die frühere Wohnung seiner Mutter umgezogen war. Aber dort gab es den nächsten Treffer. Zwischen Garage und einem Gartenhaus entdeckte die Polizei zwei Geldkassetten. Ein Aufkleber zeigte, dass zumindest eine aus dem überfallenen Auto stammte. Weitere Ermittlungen ergaben, dass der Angeklagte in der Vergangenheit einige Touren gemeinsam mit dem späteren Opfer gefahren hatte.

Angeklagter bestreitet unter Tränen

Colin S. beugte sich der erdrückenden Beweislage bis zum Schluss nicht. Auch nicht, nachdem Staatsanwalt Lukas Wern in seinem Plädoyer die belastenden Beweismittel aufgezählt und sieben Jahre Haft gefordert hatte. Verteidiger Dennis Schuchna meinte dagegen, die Indizien reichten nicht aus, außerdem sei der Garten frei zugänglich, die Kassetten hätte ein anderer dort hinlegen können.

Im letzten Wort beteuerte der Angeklagte unter Tränen seine Unschuld: "Mit der Tat habe ich nichts zu tun." Als Alibi hatte er angegeben, zur Tatzeit bei seiner Mutter gewesen zu sein.

Richter erinnert an das Leid des Opfers

Das Gericht hatte aber keinen Zweifel an seiner Schuld. Auf die Tränen ging Richter Thomas Kliegel im Urteil nicht weiter ein. Er erinnerte an die Zeugenaussage des sichtlich beeinträchtigten Opfers. Der Mann leide noch heute an den Folgen der Tat, habe Angst und arbeite deshalb im Lager, nicht mehr als Fahrer.