Köln. Im Missbrauchsfall Wermelskirchen hat der 45-jährige Angeklagte sich am Mittwoch reuevoll gezeigt. Anklage hält ihm 122 Missbrauchstaten vor.

Im Prozess zum Missbrauchsfall Wermelskirchen hat sich der Angeklagte erstmals ausführlich selbst zu den Vorwürfen geäußert. „Die Taten, die mir vorgeworfen werden, habe ich so begangen“, sagte der 45-Jährige am Mittwoch vor dem Kölner Landgericht. Was er getan habe sei „abscheulich“. Klar geworden sei ihm das in der Untersuchungshaft, auch wenn er schon vorher gewusst habe, dass das, was er getan habe, nicht richtig gewesen sei. Aber damals habe er „in einer Parallelwelt gelebt“.

Dem 45-Jährigen werden in dem Prozess insgesamt 122 Taten in der Zeit zwischen 2005 und 2019 zur Last gelegt. Dazu zählen viele schwere Fälle sexualisierter Gewalt gegen Kinder. Das jüngste Opfer soll laut Anklage im Jahr 2012 ein rund ein Monate altes Mädchen gewesen sein. Zudem wird der 45-Jährige der Beihilfe zum sexuellen Missbrauch von Kindern sowie wegen Besitz von Kinderpornografie beschuldigt. Der Mann hatte der Anklage zufolge als Babysitter gejobbt und so das Vertrauen von Eltern und einiger seiner späteren Opfer erlangt.

Missbrauchsfalls Wermelskirchen: Angeklagter zeigt sich reuevoll

In Richtung zahlreicher Vertreter der Nebenklage, die die Opfer und ihre Eltern im Prozess vertreten, sagte der 45-Jährige, dass er „das Vertrauen der Familien missbraucht und erschlichen“ habe. „Ich werde mit der Schande den Rest meines Lebens leben müssen. Es tut mir von Herzen leid“, sagte er weiter.

Über eine Erklärung seines Verteidigers hatte der Mann seine Taten Missbrauchsfall Wermelskirchen bereits zum Prozessauftakt am Dienstag umfassend eingeräumt. „Die soeben verlesene Anklage wird von dem Angeklagten vollständig eingeräumt. Alle dort erhobenen Vorwürfe treffen zu“, sagte sein Verteidiger, der das Schreiben vorlas, am Dienstag im Kölner Landgericht. Darüber hinaus stehe sein Mandant auch für Fragen zur Verfügung. Ziel sei es, die „für alle Verfahrensbeteiligten nicht einfache Beweisaufnahme“ möglichst abzukürzen. Zudem kündigte der Anwalt ein Schmerzensgeld an, dass den Opfern „kurzfristig“ gezahlt werden solle.

Spezialkräfte nahmen Beschuldigten am „offenen Computer“ fest

Der 45-jährige Deutsche war im Dezember 2021 in dem Haus in Wermelskirchen, in dem er gemeinsam mit seiner Ehefrau wohnte, von Spezialkräften der Polizei festgenommen worden. Ein Polizeibeamter berichtete am Dienstag im Zeugenstand, dass man den Angeklagten damals am „offenen Computer“ habe verhaften wollen, um so Zugriff auf Videos von den Taten und die Sammlung von weiterer Kinderpornografie zu erlangen. Das habe „gut geklappt“, sagte der 61-Jährige. Der Angeklagte habe sich während des Zugriffs gerade in einer Videokonferenz mit Arbeitskollegen befunden.

Dem 45-Jährigen aus Wermelskirchen wird in dem Verfahren vorgeworfen, immer wieder Kinder schwer missbraucht und davon Aufnahmen gemacht zu haben. Seinen Opfern habe er sich unter anderem genähert, indem er sich auf auf Online-Plattformen als Babysitter und Betreuer angeboten habe. Zudem soll er mit anderen Männern in Kontakt gestanden und diese etwa zu Missbrauch animiert haben. Die Spuren, die Ermittler bei ihm fanden, führten zu zahlreichen weiteren Ermittlungsverfahren. Der Prozess gegen den Deutschen begann am Dienstagmorgen.

Anwalt: Angeklagter ist kein „Monster“ mehr

Sein Anwalt sagte, dass sein Mandant in der Presse vereinzelt als „Monster“ bezeichnet worden sei. Wenn man die Anklage gehört habe, sei diese Bezeichnung „vielleicht gar nicht so falsch“. Das Gericht sollte aber auch sein heutiges Verhalten betrachten. „Wir gehen davon aus, dass man dann zu der Überzeugung kommt, dass hier heute eine andere Persönlichkeit sitzt. Die jedenfalls heute nicht mehr das Monster ist, das alle fürchten müssen.“

Die Aufdeckung des Falls hatte große Welle geschlagen, weil er - ähnlich wie andere Missbrauchskomplexe der vergangenen Jahre wie etwa in Bergisch Gladbach und Lügde - zu zahlreichen weiteren Ermittlungsverfahren gegen weitere Beschuldigte führte. Der Angeklagte soll mit einer Vielzahl von Männern kinderpornografische Bilder und Videos „unvorstellbarer Brutalität“ getauscht haben. Die Festnahme und die gefundenen Spuren führten zu einer Vielzahl weiterer Ermittlungsverfahren gegen Beschuldigte. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft sind es mittlerweile mehr als 130.

„Alarmierungslage“: Missbrauchs-Prozess begann mit Verspätung

Der Anwalt des Angeklagten hatte bereits vor dem Prozess angekündigt, dass der Deutsche ein Geständnis ablegen wolle. Das Landgericht Köln hat zunächst Verhandlungstage bis Ende Februar 2023 terminiert.

Am Dienstag begann der Prozess wegen einer „Alarmierungslage“ am Kölner Justizzentrum allerdings zunächst mit Verspätung - ein Sprengstoffhund hatte angeschlagen. Schon nach kurzer Zeit gab es aber Entwarnung. (dpa)