Ruhrgebiet. Mit einem Festakt hat die Emschergenossenschaft offiziell den Umbau des Flusses beendet. Zu Gast ist der Kanzler. Und fordert, groß zu denken.
Im Norden von Castrop-Rauxel zeigt sich die Emscher gerade von ihrer besten Seite, also der neuen. Klares Wasser fließt durch ein kurvenreiches Flussbett, Pflanzbeete und Streuobstwiesen umgeben sie und frisch gepflanzte Bäume. Die große Landschaftsbaustelle sieht noch etwas künstlich aus, aber das wird sich buchstäblich auswachsen.
Darüber blauester Himmel. Genau die richtige Stelle also und der richtige Tag, um Kanzler Olaf Scholz zu zeigen, was man aus einer offenen Kloake von der Länge eines Flusses machen kann, wenn man 5,5 Milliarden Euro hat und 30 Jahre Zeit. Scholz kommt am Donnerstag Vormittag für eine Stunde zum offiziellen Festakt zum Abschluss des Umbaus - und nicht etwa der Renaturierung: Die wird noch viele Jahre dauern.
„Die übelriechende Karikatur eines Flusses“
Jahrzehnte lang sei die Emscher „die übelriechende Karikatur eines Flusses“gewesen, sagt Scholz in seiner Festrede. Der Umbau des Flusses und seiner Zuflüsse sei „ein phantastisches Beispiel und ein leuchtendes Vorbild für ähnliche Prozesse weit über Deutschland hinaus“.
Dann geht er über zu den Lehren: „Nicht die Kleingläubigen und die Resignierten behalten am Ende Recht, sondern die, die sich etwas zutrauen.“ An Willy Brandts „blauen Himmel über der Ruhr“ habe in den 60er-Jahren auch niemand geglaubt. So werde Deutschland auch die Aufgabe lösen, bis 2045 ein klimaneutrales und modernes Industrieland zu werden.
Ein weiteres großes Projekt: Wärme aus Abwasser
Großer Beifall für Scholz. In dem hallenähnlichen, weißen Zelt-Bau sitzen hunderte Vertreter aus der regionalen und lokalen Politik, aus der Wirtschaft sowie aktuelle und ehemalige Mitarbeiter der Emschergenossenschaft, die den Umbau gestemmt hat.
Ihr Vorstandsvorsitzender Ulrich Paetzel erklärt vom Rednerpult aus den Emscher-Umbau zum Beweis, dass „das Ruhrgebiet, wir in Deutschland große Infrastruktur-Projekte im Zeitplan können“. In den nächsten Jahren gehe die Genossenschaft Projekte an wie Wärme aus Abwasser, 200 Kilometer neue Radwege an der Emscher und, natürlich, die Anpassung des Ruhrgebiets an den Klimawandel.
„Wer im Ruhrgebiet wohnt, wohnt in der Zukunft“
Auch die NRW-Heimatministerin Ina Scharrenbach (CDU) hält dem Ruhrgebiet eine Art Ruck-Rede: „Ihre Fähigkeiten, Ihre Ideen, Ihr Wollen brauchen wir auch für den Umbau zur klimaneutralen Industrieregion“. Der Anspruch müsse sein: „Wer im Ruhrgebiet wohnt, wohnt in der Zukunft.“
Ebenfalls hier in Castrop-Rauxel wird die Emschergenossenschaft einen Weinberg anlegen. Weshalb der Kanzler, bevor seine Kolonne weiterfährt, eine Rebe pflanzt, wenn auch rein symbolisch, auf der falschen Seite der Emscher. Darüber jedenfalls: blauer Himmel. Hat damals niemand dran geglaubt.