Essen-Bergeborbeck. Leere Regenrückhaltebecken, staubtrockene Wiesen: Warum das trotzdem eine gute Sache ist und wieso ein „logistisches Chaos“ der Mühe wert war.

Nach drei Jahren Bauzeit hat die Trimet Aluminium SE in der vergangenen Woche ein neues Abwassersystem in Betrieb genommen. Das Großprojekt des Essener Familienunternehmens ist ein Beitrag zur Renaturierung von Emscher und Berne und wurde von der Emschergenossenschaft umfassend gefördert. Basis des millionenschweren Umbaus: die Trennung von Regen- und Schmutzwasser auf dem gesamten Unternehmensgelände.

Der eigentliche Protagonist kommt an diesem Freitagnachmittag nicht wirklich zur Geltung: Das Regenrückhaltebecken ist so staubtrocken wie das Gras, das auf der Umrandung wächst, das neue Pumpwerk kurz hinter der Kantine wirkt zwischen den wuchtigen Gebäuden der Aluminiumhütte geradezu winzig. Auch vom „logistischen Chaos“ während der Bauarbeiten, das Philipp Schlüter, Vorstandsvorsitzender der Trimet Aluminium SE, später in seiner Rede ansprechen wird, ist längst nichts mehr zu sehen. Ein blaues Band mitten auf einer asphaltierten Zufahrt dient gleichermaßen als Markierung für die Wichtigkeit des Standortes wie als Symbol für das Thema: Wasser. Die Abläufe in einem Kanalnetz sind nun einmal nichts, was sich gut sichtbar an der Oberfläche abspielt.

Und dennoch ist das, was am vergangenen Freitag in Bergeborbeck in einem kleinen Festakt eingeweiht wurde, mit Blick auf die Renaturierung von Emscher und Berne eine kleine Sensation; tatsächlich sogar „das größte industrielle Projekt, das wir je gefördert haben“, versichert Prof. Dr. Uli Paetzel, Vorstandsvorsitzender der Emschergenossenschaft. Ein alles andere als kostengünstiges Unterfangen. Über die genauen Investitionen von Trimet und die Höhe der Fördermittel indes wurde Stillschweigen vereinbart. Offiziell geht es insgesamt um „mehrere Millionen Euro“.

Neues Kanalnetz trennt Schmutz- und Regenwasser

Investiert wurden diese, wie Ulrike Raasch von der Stabsstelle Zukunftsinitiative bei der Emschergenossenschaft mit einem Augenzwinkern erklärt, „in eine Art Mülltrennung“. Denn bislang ist das Abwasser der Aluminiumhütte an sechs Stellen in die Berne geflossen, „egal, was es war; egal, von welcher Qualität“. Ab jetzt werden Schmutz- und Regenwasser unterschiedlich aufbereitet. Dipl.-Ing. Markus Künkel, Leiter Arbeitssicherheit und Umweltschutz bei Trimet: „Das Schmutzwasser, also Kühl- und Sanitärwasser, wird ab sofort über ein komplett neues Kanalnetz in einen unterirdischen Sammler der Emschergenossenschaft geleitet und von dort aus direkt zur Kläranlage transportiert.“

Das Regenwasser von den Dächern der Werkshallen und den versiegelten Flächen des Werksgeländes – immerhin 30 der insgesamt 50 Hektar des Grundstücks – gelangt hingegen über ein separates Kanalnetz kontrolliert in die Berne. Um die Ablaufmengen insbesondere bei Starkregen steuern zu können, hat Trimet dafür eigens zwei Regenrückhaltebecken von 4100 und 3400 Kubikmetern Volumen sowie zwei Pumpwerke gebaut, die jeweils bis zu 2200 Liter Wasser pro Sekunde in die Becken fördern können.

Ulrike Raasch: „Das Regenwasser brauchen wir im natürlichen Wasserkreislauf, wir brauchen es zur Grundwasseranreicherung. Und das muss auch da gelingen, wo der Regen wegen der versiegelten Flächen nicht einfach versickern kann. Regenwasser ist zu wertvoll für die Kläranlage.“ Wenn es denn regnet. Tatsächlich, gesteht Raasch, wirke ein Rückhaltebecken in Zeiten enormer Trockenheit beinahe schon „paradox“. „Aber die meisten Prognosen sagen nicht eine grundsätzliche Verringerung der Regenmenge, sondern eine geänderte Verteilung voraus – also Dürre im Sommer und dann wieder Starkregen. Insofern ist eine derartige Rückhaltevorrichtung sehr sinnvoll, um ein Gewässer wie die Berne nicht zu überfordern.“

Nahmen das neue Kanalnetz von Trimet in Betrieb (v.l.): Professor Dr. Uli Paetzel, Vorstandsvorsitzender der Emschergenossenschaft, Philipp Schlüter, Vorsitzender des Vorstands der Trimet Aluminium SE, Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen, Dr. Andreas Lützerath, Mitglied des Vorstands der Trimet Aluminium SE.
Nahmen das neue Kanalnetz von Trimet in Betrieb (v.l.): Professor Dr. Uli Paetzel, Vorstandsvorsitzender der Emschergenossenschaft, Philipp Schlüter, Vorsitzender des Vorstands der Trimet Aluminium SE, Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen, Dr. Andreas Lützerath, Mitglied des Vorstands der Trimet Aluminium SE. © Trimet

Arbeiten erfolgten im laufenden Produktionsbetrieb der Aluminiumhütte

4,5 Kilometer neue Kanäle wurden in den vergangenen drei Jahren auf dem Betriebsgelände verlegt, um dieses Ziel zu erreichen und den Fluss umfassend zu entlasten. Umfangreiche Arbeiten, die im laufenden Produktionsbetrieb durchgeführt wurden und nicht nur, so Philipp Schlüter, „unfassbar viel Dreck“ verursacht, sondern auch zeitweilige Umleitungen bei den Verkehrswegen oder Verlegungen von Betriebspunkten notwendig gemacht hätten. „Tatsächlich haben wir uns manchmal gewünscht, wir hätten damit nicht angefangen“, gesteht der Trimet-Vorstandsvorsitzende. Doch: „Als lokaler Grundstoffhersteller übernehmen wir Verantwortung für die Region. Das Engagement für Umwelt- und Landschaftsschutz gehört für uns zur langfristigen Standortsicherung.“

Ein Engagement, das bei der feierlichen Einweihung mehrfach honoriert wurde: „Das neue Abwassersystem bringt das Großprojekt zur Renaturierung der Emscher voran und hilft, die Wasserwirtschaft in unserer Region auf die Folgen des Klimawandels auszurichten“, versicherte Paetzel und erklärte: „Das Projekt ist ein wichtiger Beitrag für unsere Zukunftsinitiative Klima.Werk.“ Und diese, so Raasch, unterstütze Firmen und Immobilienunternehmen gezielt bei der Herausforderung, „quasi im Bestand die Uhr zurückzudrehen und nachträglich Geld in die Hand zu nehmen“, um die Region ökologisch nach vorne zu bringen.

Dass das Unternehmen aus Bergeborbeck, nicht nur die „Aluminium-Brille“ trage, sondern sich auch als wichtiger Teil und Partner „auf dem Weg zur Klimaneutralität“ begreife, wusste auch Oberbürgermeister Thomas Kufen zu schätzen: „Wir brauchen, auch mit Blick auf zukünftige Stadtentwicklungsprojekte, immer stärker ein Denken ans Wasser und mit Wasser, wenn wir erfolgreich sein wollen. Wir brauchen im Hinblick auf unsere ökologische und soziale Verantwortung neue Impulse, wie sie Trimet hier gesetzt hat.“

Zukunftsinitiative „Klima.Werk“

In der Zukunftsinitiative „Klima.Werk“ arbeiten Emschergenossenschaft und Emscher-Kommunen zusammen an einer wasserbewussten Stadt- und Regionalentwicklung, um die Folgen des Klimawandels abzumildern und die Lebensqualität in den Quartieren zu steigern. Das Projekt ist 2005 mit der „Zukunftsvereinbarung Regenwasser“ gestartet und entwickelte sich 2014 zur Zukunftsinitiative „Wasser in der Stadt von morgen“ und schließlich zu „Klima.Werk“ weiter. www.klima-werk.de

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