Ruhrgebiet. Heizung drosseln, Hallen schließen? Vereine und Verwaltungen im Ruhrgebiet diskutieren, wie man durch den Winter kommt. Der Sport wird kühler.
Hinter dem Vereinsheim von Blau-Weiß Alstedde sieht es aus wie auf einer Baustelle. Latten stapeln sich und Gitter, Container stehen da, ein Handwerker-Bulli. Mittendrin spricht Manfred Ungethüm mit Achim Greger ab, was als nächstes zu tun ist. Ungethüm ist hier der Vereinsvorsitzende, Greger ist sein Vorgänger - aber heute morgen rein beruflich hier. Der Mann ist Dachdeckermeister.
Denn das Vereinsheim von Blau-Weiß ist tatsächlich eine Baustelle, wird energetisch saniert. „Das kam noch aus den 60er-Jahren“, sagt Ungethüm (75), „die alten Fenster hätte man auch draußen lassen können von der Dämmung her“. Angesichts überschießender Energiepreise ist die Sanierung ein Glücksfall - und wird bei weitem nicht reichen, um die Mehrkosten aufzufangen.
Unterschiedliche Sportarten brauchen unterschiedliche Temperaturen
Tausende Sportvereine im Ruhrgebiet stehen wie Alstedde, der Fußball-Bezirksligist aus Lünen, wegen der Gaspreise vor einer schwierigen Zeit. Hallen, Heime und Bäder müssen unterhalten werden; Heizung, Duschen, Flutlicht werden deutlich teurer. Die allermeisten Vereine und Stadtverwaltungen machen sich Gedanken. Fest steht praktisch überall: Es wird kühler. Und: Schließungen sind nicht ausgeschlossen.
Aber mit pauschalem Ab- und Runterdrehen ist es ja nicht getan. In Hattingen etwa haben die Fachschaften im Stadtsportbund schon angesagt, was sie sich gerade noch vorstellen können. Tischtennis: Minimum 15 Grad. Kampfsport: 17 bis 19 Grad. Schwimmen: 24 Grad mindestens. Für Kinder und Senioren etwas wärmer, schon allein, damit sie nicht krank werden.
„Sportanlagen sind eng verwoben mit der Versorgung der Schulen“
Teilweise teilen sie sich Hallen, was also tun? „Die Ansprüche an die Raumtemperatur sind beim Mutter-Kind-Turnen andere als beim Handballtraining“, sagt ein Funktionär aus dem Ennepe-Ruhr-Kreis. Um das komplexe Problem noch komplexer zu machen, sagt Peter Büttner, Sprecher der Stadt Kamen: „Sportanlagen sind sowohl technisch als auch organisatorisch eng verwoben mit der Versorgung der Schulen.“ Dann dreht mal schön einfach ab.
Wohin man auch schaut, das Problem ist für alle Vereine massiv. BV Brambauer, HTC Uhlenhorst, Düsseldorfer EG: Ja, selbst beim Eishockey fahren sie die Heizung herunter. Und in der nicht beheizbaren Düsseldorfer Arena, wo die Fortuna spielt, werden sogar die Temperaturen in den VIP-Loungen „angepasst“, wie es heißt. In VIP-Logen in Düsseldorf - das Problem muss riesig sein.
Abdeckungen bringen bei den Kosten „einen deutlichen Sprung nach unten“
Blau-Weiß Bochum: ein Schwimmverein, dessen Mitglieder sich teilweise im Leistungssport bewegen. Die Stadtwerke haben ihm schon angekündigt, kein „geschützter Kunde“ zu sein: Wenn es eng wird, bleibt das Gas aus. Die ganze Anlage wird umgerüstet, aber das wird natürlich nichts mehr vor dem Winter. Bei ihm, sagt Badleiter Jörg Hassdenteufel, „geben sich die Energieberater die Klinke in die Hand“. Und nur halb im Scherz: Im Extremfall „müssen wir umdenken und in Neopren-Anzügen trainieren“.
Immerhin haben sie schon neue Abdeckungen für die Becken unter freiem Himmel bestellt. Sie kommen im Frühjahr (im Frühjahr!). Aber auch das sei, „was die Energiekosten angeht, ein deutlicher Sprung nach unten“, so der Vorsitzende Christian Müller-Mai. Für einen Schwimmverein sei Energie „der Hauptkostenfaktor“.
Sportminister und Sportbund wollen den Betrieb aufrechterhalten
Die deutschen Sportminister haben in ihrer Sitzung am Dienstag beschlossen, „Sportstätten und Schwimmbäder so lange wie möglich offenzuhalten“ - „so lange wie möglich“ entwertet freilich den Beschluss. Die Schwimmausbildung von Kindern und Jugendlichen sei schon in den Corona-Jahren „erheblich eingeschränkt gewesen“, das dürfe sich nicht wiederholen, sagt die NRW-Sport-Staatssekretärin Andrea Milz. Ähnlich der NRW-Landessportbund: „Gerade für unsere Kinder und Jugendlichen sind gesicherte Bewegungsangebote ein absolutes Muss.“
Zurück also ins Knappschaft-Stadion nach Lünen-Alstedde: Blau-Weiß mit seinen 14 Jugendmannschaften in jedem Alter ist sicher recht typisch für die Vereinslandschaft im Ruhrgebiet. 20.000 Euro nimmt der Verein an Beiträgen jährlich ein, gab bisher für Energie 5000 Euro aus: „Das verdoppelt sich jetzt.“ Die Sanierung des Heims und des Flutlichts waren mit 350.000 Euro durchkalkuliert, jetzt sind sie bei über 400.000: Die Baupreise klettern ja auch.
Trainingszeit wird eng zwischen Schulschluss und Dunkelheit
Dienstagabend noch haben sie im Vorstand ein paar Ideen besprochen, die so oder ganz ähnlich überall kursieren. Trainingszeiten so zu legen, dass das Flutlicht weniger brennt - aber dann wird die Zeit eng, sehr eng zwischen dem Schulschluss der Kinder und der Dunkelheit: „Vielleicht kann man noch eine halbe Stunde rausholen.“
In den Duschen könnte man Begrenzer einbauen, haben sie überlegt. Aber das Duschen generell stellt niemand infrage, zumindest nicht hier: „Im Sommer kann ich kalte Duschen noch akzeptieren“, sagt Ungethüm: „Aber wenn es kalt wird, müssen wir so heizen, dass die Kinder nicht frieren, und sie müssen warm duschen können.“
„Da gibt es nichts zu diskutieren, die werden uns ja krank“
Man könne sie auch nicht verschwitzt, wie sie nach dem Training sind, durch die Kälte nach Hause schicken: „Da gibt es nichts zu diskutieren. Die werden uns ja krank.“ Und dann sagt der Vorsitzende zwei Sätze zu den Vereinsproblemen, die sind sowas von Ruhrgebiet: „Auch das werden wir gestemmt kriegen. Bleibt uns ja nichts anderes übrig.“
Sonntag ist das erste Heimspiel. Gegen ASC-Aplerbeck. Den Eintrittspreis haben sie erhöht, Bier und Bratwurst werden teurer. „Das kaufen sich dann Leute, die selbst unter den Energiekosten leiden. Das sind ja nicht die Reichen von Lünen.“