Essen. Künstliche Intelligenz umgibt uns im Alltag immer mehr: Von Amazon und Alexa über soziale Medien und Werbung bis hin zu Navis und Fahrassistenz.
„Künstliche Intelligenz ist im Alltag überall da, wo man es nicht vermutet, wo mit Daten operiert wird, wo es einem das Leben erleichtert“, sagt Uwe Handmann. Er ist Professor für Neuroinformatik an der Hochschule Ruhr West und forscht zu neuronalen Netzwerken und künstlicher Intelligenz (KI).
„Viele denken, das ist irgendeine Instanz, die irgendwoher ganz viel Wissen hat“, stellt er immer wieder fest. Doch im Prinzip berechnet KI nur Wahrscheinlichkeiten und lernt durch Daten – und davon gibt man im Alltag ziemlich viele ab. „Daran gibt es schon jetzt kein Vorbeikommen mehr.“
Künstliche Intelligenz wird für zielgruppenspezifische Werbung genutzt
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KI sorgt beim Surfen im Internet für personalisierte Ergebnisse. Etwa beim Online-Shopping: Wer ein Produkt bei Amazon sucht, bekommt ähnliche Waren vorgeschlagen. „Suchbegriffe stehen im Verhältnis zueinander. Dadurch lassen sich Schätzungen über das Kaufverhalten anstellen. Wer einen Bleistift kauft, braucht vielleicht auch ein Radiergummi oder einen Anspitzer“, erklärt Handmann.
Ein anderes Beispiel: Wer kurz vor den Sommerferien bei Google „Kreta“ eingibt, bekommt automatisch Flüge und Hotels von verschiedenen Anbietern angezeigt. „Die KI interpretiert, dass die Begriffe ‘Ferien’ und ‘Kreta’ in Zusammenhang stehen. Daraus schließt sie, dass der Nutzer nach Urlaubsangeboten sucht.“ Um diese Wahrscheinlichkeit zu berechnen, werden auch Daten zum Zeitpunkt und Standort des Zugriffes analysiert. „Wer in Bochum wohnt, bekommt eher Flüge aus Düsseldorf als aus Frankfurt angezeigt. Die Wahrscheinlichkeit ist höher, dass ein Flug aus Düsseldorf gebucht wird, weil die Entfernung kürzer ist.“
Apps wie Spotify, Facebook und Google Maps greifen auf eine Menge Daten zu
Soziale Netzwerke arbeiten auch mit den Daten der Nutzerinnen und Nutzer. Facebook, Instagram und Co. kennen nicht nur Namen, Wohnort und Geburtsdatum. Die KI analysiert auch unser Verhalten: Was liken wir? Was kommentieren wir? Mit wem schreiben wir? Wem folgen wir? Daraus werden Rückschlüsse auf unsere Interessen gezogen, die auch wieder zu Werbezwecken genutzt werden.
Auch Streaming-Anbieter wie Spotify, Netflix und Youtube kennen unseren Geschmack. Sie schlagen automatisch ähnliche Songs und Filme vor. Je mehr man auf den Apps verweilt, desto besser werden die Vorschläge. Navigationssysteme wie Google Maps sind vor allem so präzise, weil viele Menschen sie nutzen. Die KI analysiert die GPS-Daten in Echtzeit und berechnet darüber die Wahrscheinlichkeiten zur Verkehrslage: Welche Route ist am kürzesten und schnellsten? Wo ist gerade Stau?
Sprach- und Textassistenten werden durch Künstliche Intelligenz immer besser
Wie L’Oréal künstliche Intelligenz in den Lippenstift bringtSprachassistenten sind besser bekannt als Siri und Alexa – oder auch als Hotline-Stimme, der man erst zehn Fragen beantworten muss, bevor man zum Kundenberater durchgestellt wird. Es gibt auch Chat-Assistenten auf Webseiten, die häufig gestellte Fragen beantworten. Sie lernen die menschliche Sprache und die Schrift über Daten zu verstehen.
„Manche nuscheln, manche haben einen Dialekt. Es gibt Leute, die sprechen leise und andere ganz schnell. Dann gibt es Störgeräusche im Hintergrund wie ein Radio. All das muss die KI lernen, um das gesprochene Wort richtig zu interpretieren und Störungen zu eliminieren.“ Diese Software steckt auch im Smartphone. Man kann Nachrichten diktieren, Wörter im Text verbessern und sein Gesicht erkennen lassen. Es gibt auch Fotoalben, die automatisch zusammengestellt werden – sortiert nach Orten, Personen oder Objekten.
Sensoren und Kameras am Auto erkennen den Straßenverkehr
In Autos wird ebenfalls mit einer KI-basierten Bilderkennung gearbeitet. Schon jetzt gibt es verschiedene Assistenzsysteme im Fahrzeug. Sie helfen beim Einparken, Spurhalten und Überholen oder sie warnen, wenn man zu schnell fährt. Sensoren und Kameras erkennen Objekte in der Umgebung und die KI wertet die Bilder in Echtzeit aus.
„Die KI arbeitet wie unser Gehirn. Wir sehen im Straßenverkehr ein rundes Symbol, die rote Farbe und die schwarzen Ziffern 30. Wir interpretieren dann: Das ist ein Tempo-30-Schild.“ Damit eine KI das auch so erkennen kann, mussten ihr unzählige Verkehrsschilder immer wieder vorgezeigt werden. „Man sagt: Eine KI muss trainiert werden und sie lernt.“ Noch gibt es keine selbstfahrenden Autos. Aber autonomes Fahren soll in Zukunft hauptsächlich über Künstliche Intelligenz funktionieren.
„Künstliche Intelligenz ist gar nicht so intelligent“
„Im Endeffekt ist das gar nicht so intelligent, was so ein System macht. Die KI berechnet datengetrieben sdie Wahrscheinlichkeiten für gewünschte Interpretationen“, sagt Uwe Handmann. Er vergleicht den Prozess mit einem kleinen Kind, das erst lernen muss, mit dem Löffel zu essen. „Am Anfang geht das häufig schief. Aber irgendwann hat das Gehirn so viele Daten und Erfahrungen gesammelt, dass es klappt. Nichts anderes macht eine KI.“
Der Professor rät, keine Angst vor der neuen Technologie zu haben: „Der Mehrwert ist exorbitant. Daten sind das Gold der Zukunft.“ Das ist auch im Alltag zu spüren: „Wir wollen ja Produkte angezeigt bekommen, die uns gefallen oder wissen, wie wir morgens am schnellsten zur Arbeit kommen. Aber man sollte mit seinen Daten sparsam umgehen.“
Nutzerinnen und Nutzer sollten Vor- und Nachteile abwägen, wenn sie zum Beispiel auf einer Webseite personenbezogene Daten angeben. Fakt ist: KI wird sich weiter ausbreiten und bald vielleicht Bereiche im Alltags abdecken, die man jetzt gerade noch nicht für möglich hält. „Das ist auch gut so. Es muss nur klare staatliche Regularien geben, dass Daten nicht missbräuchlich verwendet werden dürfen“, so Handmann.