Essen./Gladbeck. Syriens Regimechef Assad soll am Drogenhandel einer Bande beteiligt sein, die sich vor dem Landgericht Essen verantworten muss.

Bieder und höflich wirken die vier Männer auf der Anklagebank, unter ihnen der Gladbecker Mohamad B., 39 Jahre alt. Doch vor dem Landgericht Essen müssen sie sich seit Mittwoch wegen eines Drogenhandels im großen Stil verantworten. Rauschgift im Wert von rund 130 Millionen Euro sollen sie geschmuggelt und dabei unter der Kontrolle des Regimes von Baschar al Assad gestanden haben.

Das syrische Regime soll auch finanziell von den illegalen Geschäften profitiert haben. Pro Container, den die als Bande angeklagten vier Männer über internationale Gewässer schleusten, habe die 4. Division des syrischen Heeres umgerechnet rund 350.000 Euro kassiert.

Auch Assads Bruder wirkt mit

Das behauptet zumindes die Anklage des Essender Staatsanwaltes Peter Gehring. Befehligt wird diese Division laut Anklage von Maher al Assad. Er ist der Bruder des syrischen Präsidenten und Putin-Verbündeten.

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Es geht um Haschisch, um Kokain, vor allem aber um Captagon-Tabletten, für die es offenbar in Saudi-Arabien einen großen Markt gibt. Das Mittel ist in den 1960er Jahren noch als Medikament verschrieben worden, gilt mittlerweile aber als verbotene Aufputschdroge.

Große Gewinnspanne mit Captagon

Im syrischen Bürgerkrieg stieg das arabische Land in die Massenproduktion der Tabletten ein. Es diente als Aufputschmittel für die Kämpfer, das Land verdiente aber auch an den Exporten in andere Länder. Das dürfte sich lohnen: Laut Anklage kostet die Produktion einer Tablette wenige Cent, in Saudi-Arabien zahlen die Kunden aber rund 20 Euro pro Stück.

Verantwortlich für den Schmuggel sollen auch die vier jetzt in Essen angeklagten Männer sein. Da sind der Spediteur Iyad C. (55) und sein Sohn Fouad (23), die beide im rheinland-pfälzischen Speyer leben. Sie sollen sich ab 2019 gemeinsam mit Abdelfateh B. (44) aus dem bayerischen Straubing und dem Gladbecker Mohamad B. für den Drogenhandel zusammengeschlossen haben. Die Idee dazu kam von einem Landsmann aus der syrischen Heimat.

Erfahrungen im Drogenschmuggel

Der Gladbecker soll bereits Erfahrungen aus dem Drogenschmuggel zwischen Syrien und dem Libanon haben. Er soll dabei die Möglichkeiten als Leiter der Spedition seiner Ex-Schwiegermutter ausgenutzt und zwischen 2011 und 2016 bereits mit Verwandten des syrischen Präsidenten Assad zusammengearbeitet haben, heißt es in der Anklage.

Drei Drogentransporte sind jetzt angeklagt. Zwei davon starteten in der syrischen Hafenstadt Lakatia. Das Ziel Saudi-Arabien wurde nie direkt angesteuerrt, weil die dortigen Zöllner Ware aus Syrien besonders streng kontrollierten. So ging es zunächst in europäische Häfen.

Rumänische Polizei beschlagnahmte die Drogen

Im Dezember 2019 gelangten so rund zwei Millionen Captagon-Tabletten in die rumänische Hafenstadt Constanta. Der Straßenverlkaufswert der Droge betrug rund 43,5 Millionen Euro. Der Stoff war in Kühlaggregaten verborgen, als legale Ware dienten Äpfel zur Tarnung.

Der Schmuggel brachte aber nichts ein, denn die rumänische Polizei holte die Captagon-Tabletten heimlich an Land. Nur mit den Äpfeln beladen kam das Schiff schließlich in Saudi-Arabien an. Die leer ausgegangenen Schmuggler sollen an konkurrierende Banden gedacht haben, nicht an die Sicherstellung durch die Polizei.

Auch zweite Lieferung beschlagnahmt

Eine zweite Tour im Sommer 2020 enthielt zur Tarnung libanesische Seife, tatsächlich aber rund vier Millionen Captagon-Tabletten im Wert von diesmal 85 Millionen Euro. Auch dieser Transport landete zunächst in Rumänien. Erneut stellte die Polizei den illegalen Stoff sicher. Diesmal erfuhren die mutmaßlichen Bandenmitglieder von der Polizeiaktion. Es gab sogar ein Video davon.

Die dritte Fahrt nahm einen ganz anderen Weg. Im Juni 2020 landete ein Schiff aus Südamerika mit Bananen als offizielle Ladung und verborgenenen 20 bis 30 Kilogramm Kokain in Saudi-Arabien. Es wurde dort entladen, allerdings nur die Bananen. "Leer" fuhr es über Bremerhaven nach Göteborg in Schweden. Hier kam die Gruppe den Behörden zuvor. Es gelang den Schmugglern, das Rauschgift im Verkaufswert von 580.000 Euro rechtzeitig zu entnehmen.

Im Ermittlungsverfahren zwei Geständnisse

Vor der VII. Essener Strafkammer machten die Angeklagten zum Prozessauftakt noch keine Angaben, wollen sich aber am nächsten Sitzungstag äußern.

Federführend bei den Ermittlungen war die Polizei in Recklinghausen, die auch bei Telefonaten der Syrer mitgehört hatte. Nach der Festnahme der vier Angeklagten am 22. November 2011 legten Spediteur Iyad C. und sein Sohn Geständnisse ab. Abdelfateh B. bestritt dagegen jede Beteiligung.

Der Gladbecker Mohamad B., der in Syrien zeitweise Leibwächter und eine Luxuswohnung unterhielt, hatte bislang geschwiegen. Irgendwie muss ihm aber die Zeit in der Untersuchungshaft zu lang geworden sein. Er schrieb einen Brief an die VII. Strafkammer, in dem er einen Teil der Vorwürfe eingeräumt haben soll.