Beirut (dapd). Die größten syrischen Oppositionsgruppen schmieden einen Plan für die Zeit nach Präsident Baschar Assad. Wie die Führer der beiden wichtigsten regierungskritischen Bewegungen am Samstag mitteilten, wurde bei einem Treffen in Kairo am Vorabend ein Vertragsentwurf zur Einführung der Demokratie in dem seit März von gewaltsamen Unruhen geplagten Land unterzeichnet. Eine offizielle Kopie des Textes sollte noch am Sonntag dem Generalsekretär der Arabischen Liga, Nabil Elarabi, überreicht werden.
Unterdessen kritisierte das der Arabischen Liga angeschlossene Parlament die anhaltende Gewalt in Syrien trotz der Anwesenheit der Beobachter. Die Mission müsse sofort abgebrochen werden, forderte das Gremium am Sonntag.
In dem Vertragstext der syrischen Opposition, der auch der Nachrichtenagentur AP vorlag, wird ein militärisches Eingreifen des Auslands entschieden abgelehnt. Zugleich fordern die Unterzeichner den Schutz der Zivilbevölkerung mit allen nach internationalen Gesetzen zulässigen Mitteln.
Vertreter des Syrischen Nationalrats (SNC) sowie des Nationalen Koordinierungsgremiums für demokratischen Wandel in Syrien (NCB) erklärten, sie seien sich einig, dass das Regime Assads verschwinden und durch ein demokratisches System ersetzt werden müsse. Sobald der Präsident zurücktrete, solle eine "Phase des Übergangs" beginnen, in der zunächst alle staatlichen Institutionen erhalten werden müssten.
Im Anschluss sei eine neue Verfassung zu verabschieden, die ein "ziviles, pluralistisches, parlamentarisches und demokratisches System" garantiere. Erst danach solle ein Parlament sowie ein neuer Präsident gewählt werden.
In dem in Kairo unterzeichneten Entwurf wird zugleich festgehalten, dass alle syrischen Bürger gleichberechtigt sind und auch die kurdische Minderheit "fundamentaler und historischer" Bestandteil der nationalen Struktur ist. Außerdem ruft der Text dazu auf, "syrisches Territorium zu befreien", was offenbar auf die seit 1967 von Israel besetzten Golanhöhen anspielt.
Gründung als Reaktion auf Gewalt
Der SNC und das NCB hatten sich beide in Reaktion auf das zunehmend gewaltsame Vorgehen des Assad-Regimes gegen friedliche Demonstranten gebildet. Der Syrische Nationalrat war bisher vor allem im Ausland aktiv, während das NCB auch in Syrien selbst mehrfach Treffen von Regierungsgegnern organisiert hat.
Die Beobachtungsmission der Arabischen Liga setzte unterdessen ihre Reise durch Syrien fort. Nach Angaben des Staatsfernsehens besuchten Vertreter der Organisation am Wochenende unter anderem die südliche Stadt Daraa und die Rebellenhochburg Homs.
Ungeachtet der Beobachtermission eröffneten die syrischen Sicherheitskräfte erneut das Feuer auf Demonstranten. Nach Angaben von Aktivisten der Örtlichen Koordinationskomitees wurden am Samstag mindestens sechs Menschen erschossen, einer davon in der Hauptstadt Damaskus. Bereits am Freitag seien mindestens 27 Menschen getötet worden, hieß es. Nach Angaben der Vereinten Nationen sind bei den seit März anhaltenden Protesten insgesamt mehr als 5.000 Menschen ums Leben gekommen.
Wegen der anhaltenden Gewalt gegen Demonstranten forderte das an die Arabische Liga angeschlossene Arabische Parlament am Sonntag einen sofortigen Abbruch der aktuellen Beobachtermission. Die 88 Mitglieder des Gremiums seien darüber verärgert, dass die Tötungen in Syrien einfach fortgesetzt würden, während die Vertreter der Organisation im Land seien, hieß es. Der kuwaitische Parlamentssprecher Ali Salem al Dekbasi sagte, die Beobachter böten dem Regime von Präsident Assad lediglich eine Deckung, hinter der es sein "menschenverachtendes Vorgehen" fortsetze.
"Die Tötung von Kindern und die Verletzung von Menschenrechten geschieht in Anwesenheit der Beobachter der Arabischen Liga. Das macht die arabischen Völker wütend", sagte al Dekbasi. "Die Mission der Arabischen Liga hat ihr Ziel verfehlt, die Ermordung von Kindern zu stoppen und den Abzug der Truppen sicherzustellen. Vor der Nase der Beobachter werden unmenschliche Taten begangen." Dem Arabischen Parlament gehören jeweils vier Abgeordnete aus den Mitgliedsstaaten der Arabischen Liga an. Ihre Empfehlungen sind nicht bindend.
Schweiz verweigert Assad-Cousin die Einreise
Das Schweizer Bundesgericht verweigerte einem Cousin Assads unterdessen die Einreise. Der 40-jährige Hafes Machluf hatte ein Visum beantragt, um mit seinem Anwalt über die Möglichkeit einer Anfechtung internationaler Sanktionen zu sprechen.
Machluf ist mit leitenden Aufgaben im syrischen Geheimdienst betraut und soll zudem ein enger Vertrauter des Assad-Bruders Maher sein, der als treibende Kraft hinter dem gewaltsamen Vorgehen gegen Demonstranten gilt. Die Schweiz hat insgesamt etwa 50 Millionen Franken (41 Millionen Euro) eingefroren, die führenden syrischen Regierungsbeamten gehören sollen.
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