Essen/Gelsenkirchen. 62 Jahre alt ist die am Essener Landgericht angeklagte Gelsenkirchenerin. Die Staatsanwaltschaft ihr Drogenhandel vor – wieder einmal.
So richtig will sie vom Äußeren nicht zum Anklagevorwurf des schwunghaften Heroinhandels passen. Denn Jeanette R. ist 62 Jahre alt und entspricht eher dem Bild eines klassischen Gelsenkirchener „Mütterchens“. Tatsächlich wirft Staatsanwalt Peter Gehring ihr aber am Donnerstag vor der XVII. Essener Strafkammer vor, an der Einfuhr von Heroin aus dem niederländischen Roermond beteiligt zu sein. Wieder einmal.
Jeanette R. ist für die Essener Strafjustiz keine Unbekannte. Die so bieder wirkende Frau hat schon viele Jahre Gefängnis hinter sich. 1994 hatte das Landgericht Essen sie wegen Brandstiftung und Versicherungsbetruges zu drei Jahren und drei Monaten Gefängnis verurteilt.
Zuletzt sechseinhalb Jahre Haft kassiert
Zuletzt stand sie 2011 vor ihren Essener Richtern, galt der Anklage als „Kopf einer Drogenbande“. Sechseinhalb Jahre Gefängnis kassierte sie damals.
Im Juni 2018 kam sie in Freiheit, zog in eine Wohnung in der Gelsenkirchener Altstadt. Nur vier Monate später kam sie erneut ins Gefängnis. Dazwischen soll das liegen, was die Anklage ihr jetzt vorwirft. Mit ihrem Lebensgefährten Gerald O. (55), ihrer Nachbarin Tanja S. (47) und Dirk P. (49) aus Hamm, alle mitangeklagt, soll sie Heroin im Kilobereich aus Holland eingeführt haben.
Mit Motorrad, Zug oder Flixbus zum Heroinkauf
Mal fuhr laut Anklage Dirk P. mit seinem Motorrad ins Nachbarland, mal Tanja S. mit Zug – Flixbus oder Taxe. Mal waren es 900 Gramm Heroin, die über die Grenze geschmuggelt wurden, mal 1,8 Kilogramm. Jeanette R. und ihr Lebensgefährte Gerald O. sollen die Einkaufsmenge geplant und bestellt haben. Bei ihnen sei der Stoff auch gelandet. Sie sollen das Heroin dann Tanja S. zum Weiterverkauf gegeben haben.
Am Donnerstag ist nur der Lebenslauf der vier Angeklagten zu hören. In allen Fällen ist es weit mehr, als ein normales bürgerliches Leben zu erzählen hat.
Die tote Mutter in der Wohnung gefunden
Jeanette R. berichtet von ihren ersten Lebensjahren als „Einzelkind in geordneten Verhältnissen“. Sie habe Bürokauffrau gelernt, alles sei gut gewesen. Dann habe sie, als sie nach Hause kam, in der Wohnung ihre tote Mutter gefunden: „Sie starb mit 39 Jahren an einem Herzschlag.“ Sie stockt, als sie das erzählt: „Da habe ich den Boden unter den Füßen verloren.“
Zwischen 1975 und 1985 heiratet Jeanette R. dreimal, bekommt insgesamt drei Jungen und ein Mädchen. Alle drei Söhne sind drogensüchtig, sagt sie, und dafür macht sie sich selbst verantwortlich: „Der dritte Ehemann war so gewalttätig, daher kommt das bei den Kindern.“ Sie selbst dagegen sei nicht abhängig von Drogen, „nur spielsüchtig“.
Lebensgefährte saß schon 15 Jahre im Knast
Seit 2005 kennt und liebt sie ihren Mitangeklagten Gerald O.. An ein Zusammenleben ist meistens nicht zu denken, weil immer einer sitzt. Alles in allem 15 Jahre Knast hat ihr Lebensgefährte hinter sich. Verurteilt wurde er für zwei Raubüberfälle und ein Drogendelikt.
Mitangeklagter Dirk P. hat es seit 1994 mit nur zwei Verurteilungen auch schon auf 22 Jahre Haft gebracht. Lediglich Tanja S. hat vergleichsweise kleine Vorstrafen. Drogensüchtig sind die drei im Gegensatz zu Jeanette R. alle.
Sechs Verhandlungstage hat die XVII. Strafkammer geplant. In der nächsten Sitzung wollen sich die Angeklagten zu den Vorwürfen äußern.