Ruhrgebiet. Etwa jeder zwölfte Flüchtling aus der Ukraine bringt ein Haustier mit. Hier droht ihnen oft die Trennung. Manche Städte bauen Unterkünfte nun um.
In Prag trennen sie sich, vorübergehend, kann man nur hoffen. Vater und Großvater kehren um in die Ukraine; Irina R. und ihre Töchtern Arina und Varvara fahren weiter nach Westen. Den Papagei, die beiden großen Hunde und die Kaninchen bringen sie auch mit. Nach Mülheim. Letzte Ausfahrt: privat.
Die halbe Familie aus Kiew ist nur ein Beispiel für tausende andere. Viele Flüchtlinge bringen Hunde, Katzen und Kleintiere mit. „Nach unseren Beobachtungen etwa jeder zwölfte“, sagt Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, der am Montag das Tierheim in Duisburg besucht. Schröder prophezeit eine „Riesenwelle, die auf uns zu kommt. Sechsstellig.“ Zum Teil werde sie in den Tierheimen ankommen.
„Einreisende werden gebeten, sich an die lokalen Veterinärämter zu wenden“
Eine Schwierigkeit: Normalerweise müssten Einreisende in die EU für ihre tierische Begleitung einen Impfpass vorlegen. Aber es gibt gerade deutlich größere Probleme und wichtigere Papiere für Ukrainerinnen. Und so ist etwa der Impfstatus für Tollwut unklar. Die Ukraine gilt als Tollwut-Risikogebiet, die Bundesregierung in Gestalt des Ministeriums für Ernährung und Landwirtschaft hält allerdings die tatsächliche Gefahr für gering.
Jedenfalls appelliert der Sprecher der Stadt Gelsenkirchen, Martin Schulmann, an alle Flüchtlinge und deutsche Paten: „Einreisende werden gebeten, sich an die lokalen Veterinärämter zu wenden.“ Menschen, die bereits Kontakt hatten zu Tieren aus der Ukraine, sollten „besondere Hygienemaßnahmen“ beachten. Es veranlasse die Impfung. Danach müssen die Tiere 30 Tage in Quarantäne - sprich: zu Hause bleiben.
Es kommt auch eine unbekannte Zahl unbegleiteter Tiere
An der polnisch-ukrainischen Grenze selbst gibt es bereits ein Notquartier für Tiere. Auch für eine unbekannte Zahl unbegleiteter Tiere - die machen sich natürlich nicht selbstständig auf den Weg nach Westen, die werden herausgeholt aus Auffangstationen und Heimen. Was sich ansonsten abspielt an der Grenze, das beschreibt gerade Bernd Metzger, der 2. Vorsitzende beim ,Bundesverband Gemeinschaft Deutscher Tierrettungsdienste’.
„Weil die Menschen teilweise nur wenige Minuten zum Packen hatten, aber ihre Tiere in keinem Fall zurücklassen wollten, sieht man Katzen untergebracht in Werkzeugkästen, Reisetaschen oder einfach am Körper getragen, Hamster und Meerschweinchen in den Taschen von Kinderjacken oder Vögel in provisorisch gebastelten Pappkartons. Viele Tiere sind seit Tagen unversorgt. Sie sind hungrig, dehydriert und häufig unterkühlt.“
In den meisten kommunalen Sammelunterkünften sind Tiere nicht erlaubt
Im Versorgungszelt erhalten sie Futter und Wasser, dürfen sich auf Heizkissen aufwärmen und werden in Decken gehüllt. Tierschützer statten die Halterinnen mit Transportboxen, Leinen und Geschirren aus, damit sie ihre Lieblinge weitertransportieren können. Echte Seelentröster in furchtbaren Tagen. Was zum Festhalten.
Doch wenn sie dann sicher angekommen sind, heißt das nicht unbedingt, dass sie auch zusammenbleiben können. In den allermeisten kommunalen Sammelunterkünften sind Tiere nicht erlaubt; auch in mancher Privatwohnung ist Tierhaltung untersagt. Die nächste Station ist dann das Tierheim.
Man muss sich das ganz klar machen: Menschen retten ihre Lieblinge aus einem Kriegsgebiet, alle kommen heil raus - und werden dann hier möglicherweise getrennt. Eine engagierte Helferin aus Mülheim hat solche Situationen mehrfach gesehen: „Tränen fließen, Herzschmerz.“
„Wir werden keinen alleine lassen und den Menschen helfen“
Deshalb versuchen organisierte Tierfreunde im ganzen Ruhrgebiet, irgendwie zu helfen. Die Tierhilfe Gladbeck etwa sucht für ukrainische Familien mit Haustieren ausdrücklich Wohnraum, in dem sie zusammenbleiben können. Die Tierfreunde Witten bieten an, Behandlungs- und Futterkosten zu übernehmen. Und in Bochum sagt Michael Schneider, der Vorsitzende des Tierschutzvereins: „Wir werden keinen alleine lassen und den Menschen helfen.“
„Kein Tierschützer wird ein Tier auf der Straße sitzen lassen“, sagt auch Thomas Schröder, der Bundes-Vorsitzende. Was die Situation erleichtert: Duisburg und einige andere Kommunen haben ihre Notunterkünfte so angelegt, dass auch Menschen mit Tieren dort einziehen können. „Haustiere werden bei der Aufnahme registriert und versorgt“, sagt Stadtsprecher Sebastian Hiedels. Und im Duisburger Tierheim ist aus der Ukraine - kein einziges Tier.