Ruhrgebiet. Entlassen wegen einer kirchenrechtlich „falschen“ Beziehung? Das soll im Ruhrbistum nicht mehr vorkommen. Bischof will keine „Kultur der Angst“.
3800 Mitarbeitende des Ruhrbistums bekommen in diesen Tagen Post: Niemand, schreiben Bischof Franz-Josef Overbeck und Generalvikar Klaus Pfeffer an „alle im kirchlichen Dienst“, müsse wegen seines Beziehungslebens arbeitsrechtliche Sanktionen fürchten. Weder gleichgeschlechtliche Liebe noch uneheliches Zusammenleben oder eine neue Heirat dürften das Arbeitsverhältnis belasten, lautet das Versprechen – obwohl die Grundordnung der Katholischen Kirche das vorsieht. Noch.
Vier Jahre ist es her, dass Rainer Teuber das Versteckspiel beendet hat, das für ihn nie ein Spiel war: Er, der als Museumspädagoge seit 25 Jahren in Diensten des Bistums steht, outete sich als homosexuell und gestand, längst mit einem Mann zusammenzuleben. Ohne das Wissen seines Arbeitgebers. Doch der reagierte zum Erstaunen Teubers entspannt: Keine Sorge, das Bistum werde die sogenannte „Grundordnung“ im kirchlichen Arbeitsrecht nicht anwenden. Die sieht in Beziehungen jenseits der katholisch geschlossenen Ehe einen Loyalitätsverstoß.
In der Kirche ohne Angst leben und arbeiten
Ende Januar wurde Teuber einer breiten Öffentlichkeit bekannt, als er gemeinsam mit 125 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Initiative „Out in Church“ ins Leben rief: Sie kämpft um Gleichberechtigung homo- und transsexueller Beschäftigter in der Kirche. „Wir wollen in der Kirche ohne Angst arbeiten und leben“, sagte der 53-Jährige und lobte in einer Fernseh-Dokumentation schon damals sein eigenes Bistum: „Tolerant und aufgeschlossen“ sei man in Essen.
Tatsächlich haben Bischof und Generalvikar in ihrem Brief nun verschriftlicht, was vor Ort schon länger gilt. Niemand dürfe wegen seines Beziehungslebens oder seiner sexuellen Orientierung berufliche Schwierigkeiten bekommen. So zu verfahren, wird ausdrücklich auch allen anderen Trägern katholischer Einrichtungen und Organisationen im Bistum empfohlen.
Und die beiden Kleriker gehen noch weiter: Es sei an der Zeit, „dass wir in der katholischen Kirche in Deutschland diesen Zustand verbindlich und rechtssicher beenden“, betonen sie. Die Synodalversammlung hatte zu Beginn des Monats den Beschluss gefasst, das Arbeitsrecht zeitnah zu reformieren. In einem weiteren Brief fordert Generalvikar Klaus Pfeffer gemeinsam mit zehn Kollegen dies auch von den Bischöfen: „Unsere Mitarbeitenden müssen unsere Kirche als einen angstfreien Raum erleben und brauchen eine vollständige Rechtssicherheit, dass ihre Lehrerlaubnis und ihr Arbeitsplatz nicht von ihrer sexuellen Orientierung und ihrem privaten Beziehungsstatus abhängen.“
Gezwungen zu „unwürdigen Lebensweisen“
Die Begründung der Essener Bistumsleitung: Man wolle „eine ‚Kultur der Angst‘ überwinden“, die man „deutlich wahrgenommen“ habe. „Wir wissen“, heißt es in dem Ende vergangener Woche versandten Schreiben, „von vielen Leidenserfahrungen von Mitarbeitenden, die in der Vergangenheit und teilweise noch bis heute unter hohem Druck standen und stehen, wenn sie in ihrem privaten Leben die Ansprüche der kirchlichen Sexual- und Beziehungsmoral nicht erfüllen konnten oder wollten.“ Das betreffe besonders Menschen, die nach einer Scheidung eine neue Beziehung eingegangen seien. Sie seien durch das Kirchenrecht „teilweise zu unwürdigen Lebensweisen gezwungen“ worden, um eine Kündigung zu vermeiden.
„Unsere Kirche hat hier menschliches Leid verursacht und Schuld auf sich geladen. Wir bedauern dies gerade im Blick auf unser Bistum Essen ausdrücklich“, schreiben Overbeck und Pfeffer. Man wolle „diesen Zustand verbindlich und rechtssicher beenden“. Abschließend nehmen sie erneut Bezug auf den erneuten Missbrauchs-Skandal in der katholischen Kirche, nennen die Situation „dramatisch“: Die „zahlreichen Fälle sexualisierter Gewalt“ ließen „in furchtbare Abgründe blicken“. Man könne, heißt es, nachvollziehen, „dass viele von Ihnen an unserer Kirche zweifeln und verzweifeln“.