Ruhrgebiet. Kaum ein Handwerk ringt so um Fachkräfte wie Sanitär, Heizung, Klima. Der Grund: Im mittleren Alter steigen viele aus. Wer die Abwerber sind.
Wo immer ein Auszubildender auftauchen könnte: Albert Landsberger ist schon da. Der Unternehmer wirbt im Internet („Du stehst nicht auf der Leitung, du verlegst sie“), er ist Schulpatenschaften eingegangen und engagiert sich in einem Berufsfindungsprojekt; er bietet Interessenten Praktika und Schnupperstündchen oder auch die Gelegenheit, einen Tag mit einem Azubi mitzufahren. Standard bei vielen Handwerksbetrieben? Gehobener Standard. Manche bilden ja nicht einmal aus.
Und dabei „sind Auszubildende gar nicht das große Problem“, sagt Landsberger. Der 68-Jährige ist Obermeister der Innung Sanitär/Heizung/Klima (SHK) der „Kreishandwerkerschaft Ruhr“ in Bochum, deren Betriebe jährlich 50 bis 60 junge Menschen ausbilden. Wobei sich das Profil der - ganz überwiegend männlichen - Auszubildenden verschoben hat: Derzeit lernen in seiner „aldo GmbH“ auch ein 38-jähriger Syrer und ein 25-jähriger Deutscher nach langer Findungs- und Neuerfindungsphase. „Ich nehme auch die gern, die nicht den tollsten Start hatten“, sagt sein Obermeister: „Wir sind ein Schmelztiegel geworden.“
207 Tage dauert es in NRW, eine Stelle in diesem Gewerk wieder neu zu besetzen
SHK gehört zu den Gewerken, bei denen es besonders lange dauert, eine Stelle neu zu besetzen. 207 Tage im statistischen Mittel, hat die Arbeitsagentur für Nordrhein-Westfalen errechnet. Sieben Monate. Der Fachkräftemangel. Das dauert weit länger als im bekanntesten Mangelberuf, als in der Pflege. Der Klempner wurde erst zum Installateur und jetzt zum Anlagenmechaniker: Geholfen hat es nicht.
Denn das Problem, sagt ja Landsberger, ist nicht unbedingt der fehlende Nachwuchs. Das Problem sind die langjährigen Fachkräfte, die irgendwann gehen. „Wir stellen ein!“ heißt es auf der Internetseite der „aldo GmbH“: „Anlagenmechaniker (m/w)“, „Elektroinstallateur (m/w)“. Und das ploppt nicht auf bei akutem Bedarf. Das steht da immer. „Weil immer etwas ist.“
„Es ist nicht mehr der Knochenjob wie vor 40 Jahren“
Anlagenmechaniker sei zwar „nicht mehr der Knochenjob wie vor 40 Jahren“, sagt Landsberger: „Aber es wandern immer wieder Leute ab, die auf die 40 zugehen und sagen: Mit 40 will ich nicht mehr unter dem Waschtisch liegen.“ Viele wechselten zu technischen Diensten von Stadtverwaltungen oder Krankenhäusern. Mit festen Arbeitszeiten und ohne Notdienste. Andere gehen zur Feuerwehr, denn auch sie sucht immer Leute mit zwei rechten Händen.
Die größten Abwerber seien aber inzwischen die Wohnungsgiganten. Vonovia aus Bochum zum Beispiel, Vivawest aus Gelsenkirchen, die LEG in Düsseldorf. Sie haben ihre eigenen Handwerksbetriebe gegründet für den eigenen, riesigen Wohnungsbestand. Das ist für sie billiger, als fremde Betriebe zu beauftragen. „Das ist uns ein Dorn im Auge.“
Handwerksunternehmer mit kleinen Betrieben finden schwer Nachfolger
Freilich werben viele SHK-Betriebe auch untereinander ab. Man geht schon mal zu einem seiner Leute und fragt: „Sag mal, kennst du nicht jemanden?“ Oder man legt drauf. „Vergütung, Prämien, private Nutzung von Firmenwagen“, so Landsberger. Fachleute sagen wegen des Fachkräftemangels, der immer spürbarer wird, schon für die nähere Zukunft einen „Arbeitnehmermarkt“ voraus.
Bundesweit sollen rund 15.000 Stellen bei Sanitär/Heizung/Klima nicht besetzt sein. Fachkräftemangel und Materialmangel führen dazu, dass die Wartezeiten der Kunden länger werden; und kleinere Aufträge stellen sich gefälligst hinten an. Und noch ein Problem: Die Zahl der SHK-Betriebe sinkt - auch aus Altersgründen. „Vor allem Kollegen mit kleineren Betrieben haben Probleme, einen Nachfolger zu finden“, sagt Landsberger. Die Durchschnittsbelegschaft ist 4,2 Mann groß.
Betrieb zahlt jungen Eltern den halben Kita-Beitrag
Er kommt selbst schon aus einer Essener Handwerksfamilie im Bereich Sanitär, hat seinen Betrieb 1990 mit drei Beschäftigten gegründet und heute rund 40 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Und dass er sich ihnen verpflichtet fühlt und sozial denkt, schadet auch nicht bei der Fachkräftesuche. Zum Beispiel zahlt die Firma Beschäftigten mit kleinen Kindern den halben Kita-Beitrag. Betriebsausgabe, absetzbar, und doch, und doch . . . „Für den Betrieb ist das nicht so viel, aber für den Mitarbeiter, der da 300 Euro bezahlen soll . . .“
Und so arbeitet in einer 60er-Jahre-Siedlung im Bochumer Norden ein Kollegenpaar, das es so gar nicht geben dürfte. Sie kernsanieren ein Bad, gerade ist keine Fliese neben der anderen geblieben. Der Obermonteur Ulrich Reinecke war von aldo weggegangen und ist zurückgekehrt; der Auszubildende Yusuf Gülsever (20) ist im dritten Lehrjahr. Warum Sanitär? „Weil es mir Spaß macht und weil es die Zukunft ist“, sagt der junge Mann: „Gebaut wird immer.“