Essen. Es gab immer einen Ansprechpartner, sagt Lina Haj Omar, (18) Stipendiatin der Talentmetropole Ruhr. Das half, nicht nur bei der Berufsfindung.

Lina Haj Omars Vater ist Palästinenser, ihre Mutter Kurdin. Geboren wurde die jetzt 18-Jährige in Damaskus. Ihre Familie floh vor dem Krieg in Syrien 2016 nach Deutschland. Lina sprach damals kein Wort Deutsch, das Flüchtlingskind landete in der Vorbereitungsklasse der Essener Unesco-Schule, ein halbes Jahr später in der regulären Stufe 7 dieses Aufbaugymnasiums. „Katastrophe“, sagt sie heute. Und wurde damals doch versetzt, mit einer einzigen „5“ auf dem Zeugnis, im Fach Deutsch. Jetzt steht die junge Frau kurz vor dem Abitur (Leistungskurse: Mathe/Chemie) und hat sehr konkrete berufliche Pläne – aber in den Papieren der „Staatenlosen“ steht hinter „Aufenthaltsstatus“ noch immer: „xxx“, ungeklärt. Seit Juli liegt ihr Einbürgerungsantrag den Essener Behörden vor – ohne Rückmeldung bislang. Der deutsche Pass, auf den sie so hofft, es wäre Linas erster Pass überhaupt.

Sie habe eine arabische und eine deutsche Seite, sagt Lina Haj Omar, spiele Gitarre und Oud, die orientalische Laute. In Syrien aber will sie nie wieder leben, Deutschland sei ihre Zukunft,
Sie habe eine arabische und eine deutsche Seite, sagt Lina Haj Omar, spiele Gitarre und Oud, die orientalische Laute. In Syrien aber will sie nie wieder leben, Deutschland sei ihre Zukunft, © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Im Talentcamp fand sie Gefallen am „Planen, Organisieren, Machen“

„Die Menschen in Deutschland, sie mögen Mädchen wie dich, die unentwegt reden“, hatten ihr die Eltern versprochen. Und tatsächlich, erzählt Lina, sei sie hier sehr warmherzig empfangen worden, fand das fremde Land gar nicht so fremd. (Es dauerte, bis sie herausfand, dass Deutsche und Araber nicht über dieselben Späße lachen...) Dass sie sich integrierte, dass sie ihren Weg machte, habe aber auch damit zu tun, dass sie Hilfe bekam, sagt Lina: dass sie als „Talent“ gefördert wurde von der Talentmetropole Ruhr. „Talentförderer“ Turgay Tahtabas schlug sie 2019 für das Feriencamp der Stiftung vor, kurz darauf wurde sie Stipendiatin. Es sei nicht der Laptop gewesen, den man ihr bezahlte, oder das Schokoticket, das half, erklärt Lina, „sondern, dass immer jemand als Ansprechpartner da für meine vielen Fragen.“ Ihr gefiel zudem, dass man ihr nie fertige Antworten vorlegte, sondern lieber erklärte, wo sie die selbst finden konnte.

Das Talent-Camp, schwärmt Lina weiter, „war eine ganz tolle Erfahrung“. Es habe sie als „Persönlichkeit entscheidend geformt, gestärkt“. Mehr noch als der „Podcast“-Workshop, für das sie sich entschieden hatte, interessierte sie indes die Arbeit der „Teamer“, der Menschen, die die einwöchige Ferien-Veranstaltung organisierten. Sie bewarb sich als Team-Praktikantin fürs nächste Camp – und lernte in jenem noch mehr als im ersten. „Die Abschlussparty durfte ich ganz allein organisieren, für 40 Leute.“ Danach stand fest: Planen, Organisieren, Machen – das ist Lina Haj Omars Ding. „Management“ wird sie studieren, irgendwo in der Nähe, „ich will hier nicht mehr weg“.

„Ich versuche zu glauben, dass kein Rassismus dahinter steckt“

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Ablehnung oder Diskriminierung, erzählt die junge Essenerin, habe sie selbst nie erlebt. Doch ihre Eltern – beide sind Ingenieure – hätten hier keine dauerhafte Arbeit in ihrem Beruf gefunden. Der Vater (60) habe all seine Abschlüsse anerkennen lassen, Bewerbung um Bewerbung geschrieben und doch nur Absagen oder gar keine Antwort erhalten. „Ich versuche zu glauben, dass kein Rassismus dahinter steckt“, sagt Lina. „Vielleicht ist er den Arbeitgebern zu alt?“

Einer muslimischen Freundin, die lange nach einer Praktikumsstelle in einem Friseurladen suchte, sei indes ganz offen mitgeteilt worden, man wolle niemanden mit Kopftuch beschäftigen. Lina fand das schade, für die Freundin. Aber sie sagt auch: „Pech für die Friseure, die sie nicht wollten. Denn die ist echt fleißig und kann das richtig gut!“