Dortmund/Bochum. Viele Tattoo-Farben sind nun laut EU-Verordnung verboten. Tätowierer sind entsetzt, Kunden verunsichert. Das sagt ein bekannter Dermatologe.
Da hängen sie an der Wand, stehen in den Regalen. Bilder mit roten Drachen vor blauem Himmel, bunten Blumen, farbenfrohen Fantasy-Gestalten. „Ja“, sagt Pascal Schmitz, Betreiber des Dortmunder Tattoo-Studios „Out Of Order“, „habe ich alles schon gestochen.“ Doch nun geht das nicht mehr. Eine neue EU-Verordnung für Tattoo-Farben ist in Kraft getreten. „Die meisten unserer Tattoo-Farben sind dann verboten.“
Entschieden worden ist das vom Europäischen Parlament und dem Rat zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe – kurz REACH genannt. Zahlreiche Inhaltsstoffe, darunter Konservierungs- und Bindemittel sind ab 4. Januar 2022 verboten. Angesichts „des Mangels an hinreichenden Informationen über ihre Gefahreneigenschaften und über das Risiko für die menschliche Gesundheit bei der Mehrheit dieser Farbstoffe“ könnten Krebsrisiko und mögliche sonstige Gefahren nicht ausgeschlossen werden. Ein Jahr später sind dann auch die viel genutzten Pigmente, also die farbgebenden Substanzen, „Green 7“ und „Blue 15:3“ beim Tätowieren nicht mehr erlaubt.
„Fast alle Farben sind betroffen“
„Ich weiß nicht, was das soll“, sagt Schmitz. „Fast alle Farben sind betroffen“, hat der 47-Jährige festgestellt. Lediglich einige Schwarz-, Weiß- und Grau-Töne seien weiterhin erlaubt, erzählt ein Großhändler für Tattoo-Farben, der ungenannt bleiben möchte. „Das ist in etwa so, als würde man zu einem Maurer sagen, bau ein Haus ohne Mörtel und Stein“, findet Stein.
Schon den nächsten Wochen könnte manches Wunschmotiv ungestochen blieben, befürchtete der Tätowierer Ende Oktober. „Was an Farben zu Ende geht, bestelle ich natürlich nicht mehr nach“, so Schmitz. „Das muss ich ja sonst alles wegwerfen im Januar.“ Und Alternativen? Schmitz zuckt mit den Schultern. „Angeblich arbeiten viele Firmen an REACH-konformen Farben. Aber wann die auf den Markt kommen, weiß niemand.“
Tattoos könnten teurer werden
Und selbst wenn sie kommen, „kann ja im Vorfeld niemand sagen, wie sie von der Haut aufgenommen werden und wie lange sie halten“, gibt Dr. Klaus Hoffmann, Leiter des Zentrums für Lasermedizin (ZELM) des Landes NRW an der Universitätshautklinik Bochum zu bedenken. Davon ab: „Billiger als die jetzigen Farben werden die bestimmt nicht“, ahnt Schmitz und will nicht ausschließen, „dass Tattoos dadurch teurer werden“. Ohnehin geht es der Branche nicht gut. „Seit Corona steht vielen das Wasser bis zum Hals“, weiß Schmitz. „Die Reserven sind längst weg.“
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Für ein paar Monate, fürchtet der Dortmunder, könnten sich Teiler der Tätowierer-Szene „in den Untergrund zurückziehen“. Und der Großhändler präzisiert: Fenster abkleben und nur noch Termine mit Leuten machen, die man gut kennt.“ Schmitz jedenfalls kann das „ganze Theater“ nicht verstehen. „Wir nehmen die Farben, die jetzt verboten werden, seit Jahrzehnten. Und ich kenne keinen, der davon umgefallen wäre.“
Keine Panik aber Wachsamkeit
Dass Tattoo-Farben gefährlich sind, „lässt sich nicht durch tatsächlich Erkrankte belegen“, räumt selbst Klaus Hoffmann, ein. „Es gibt auch keine epidemiologischen Studien, die beweisen, dass bei Tätowierten bestimmte Krankheiten vermehrt auftreten. Insofern ist Panik fehl am Platz. Wachsam aber sollte jeder sein, schließlich ist ein Tattoo ein Eingriff in den Körper.“
Wenn es mit einer Farbe Probleme gebe, dann sei es rot, so Hoffmann weiter. „Sie löst häufig Allergien aus.“ Zu den Pigmenten „Blau 15“ und „Grün 7“ gebe es dagegen „keine ausreichende Forschung“, nur viel praktische Erfahrung und wenig bekannte medizinische Probleme. Aber, gibt der Experte zu bedenken, beide Pigmente seien ja bereits für die Verwendung in Haarfärbemitteln verboten. „Und warum sollte etwas, das auf der Haut verboten ist, in der Haut erlaubt sein?“ Aus ärztlicher Sicht jedenfalls sei es immer gut zu wissen, „was und wie viel Pigment in den Tattoofarben drin ist“, die in die Haut eingestochen werden. Nur dann könne man bei Nebenwirkungen oder dem Wunsch nach Entfernung gut helfen.
Neue Verordnung kommt nicht über Nacht
Im Übrigen aber sei das bevorstehende Ende einiger bestehender Tattoo-Farben ja nicht über Nacht gekommen. „Weitsichtige Tätowierer konnten sich bedingt darauf einstellen, sie wussten was kommt, die Diskussion liefen lang.
Schmitz schüttelt den Kopf. Es habe Petitionen gegeben, und immer wieder sei auf das drohende Problem hingewiesen worden. „Ich verstehe nicht, warum die Firmen, die die Farben herstellen, nicht früher reagiert haben.“ Dass es möglicherweise im Frühjahr oder Sommer Alternativen geben dürfte, beruhigt ihn kaum. „Das hilft nur den Tätowierern, die es dann noch gibt.“