Ruhrgebiet. Ende des Monats schließen die 53 Impfzentren im Land. Wer impft dann wo? Und ist für eine nötige dritte Spritze überhaupt genug Impfstoff da?
Noch sind nicht genug Menschen in NRW gegen Corona geimpft, und schon sind die ersten mit einer dritten Auffrischung dran – trotzdem schließen Ende dieses Monats die 53 Impfzentren im Land. Wer impft dann wen, wann und womit? Die Ärzte sind zuversichtlich, dass sie auch die neue Situation stemmen werden: „Das Impfen“, sagt der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNO), Dr. Frank Bergmann, „wird immer einfacher.“ Jedenfalls für die Patienten.
Wer impft, wenn die Impfzentren Ende des Monats schließen?
Die niedergelassenen Ärzte. Viele sind seit April dabei, die KVNO hat eine Liste mit 1700 Praxen erstellt, die bereit sind, auch Patienten zu impfen, die sonst nicht in ihrer Kartei stehen (https://coronaimpfung.nrw/impfzentren/impfregister). Erste Städte klagen allerdings, die Hemmschwelle sei zu hoch: Viele Menschen, die ohnehin für eine Impfung schwer zugänglich seien, würden den Weg zum einem Arzt scheuen.
Über die Telefonnummer 116117 können bald keine Termine mehr vereinbart werden. In den Pflegeeinrichtungen impfen jene Mediziner, mit denen die Häuser ohnehin zusammenarbeiten, oder die Hausärzte der Bewohner. Mobile Impfteams wird es nicht mehr geben, gesonderte Impfaktionen organisieren künftig nur noch die Kommunen.
Man sei, erklärt die KV, derzeit in einer Übergangsphase, weg von Sonderstrukturen wie den Impfzentren, hin zu einer Regel-Versorgung, in der eine Corona-Schutzimpfung ebenso normal sei wie eine gegen Grippe. Schon im August impften die niedergelassenen Ärzte mit 53 Prozent mehr als die Impfzentren (40 Prozent). „Das Impfen“, sagt Bergmann, „ist nicht zu Ende, wenn die Impfzentren geschlossen werden.“
Was, wenn meine Erstimpfung noch im Impfzentrum erfolgt ist oder ich dort bereits einen Termin habe?
Bis Ende September wird noch im Impfzentrum geimpft. Wer seine Spritze dort ab dem 9. erst bekommt, sollte sich zeitnah (drei bis sechs Wochen danach) für die Zweitimpfung einen Termin in einer Arztpraxis besorgen. Informationen gibt es dazu auch im Impfzentrum.
Wer ist jetzt schon mit der Auffrischungs-Impfung dran?
Nach dem Beschluss der Länder all jene, die zu den besonders gefährdeten Gruppen (Kranke, Immungeschwächte und Über-80-Jährige), zum Pflegepersonal oder zu jenen gehören, die bislang mit einem Vektor-Impfstoff (Astrazeneca/Johnson&Johnson) versorgt worden sind – und deren Zweitimpfung mindestens ein halbes Jahr zurückliegt.
Letzteres, glaubt die KVNO ist entscheidend, damit es in den Arztpraxen nicht erneut eng wird: „Der Impfschutz“, sagt Frank Bergmann, „lässt nicht schlagartig nach.“ Gesunde Menschen könnten nach derzeitigem Stand auch acht Monate, vielleicht ein Jahr auf ihre dritte Impfung warten, weil ihr Impfschutz „sehr langsam“ nachlasse. Es gebe „keinen Zeitdruck“ und auch noch keine Empfehlung der Ständigen Impfkommission zur „Booster“-Impfung. Die ersten Praxen haben mit den Auffrischungen aber schon begonnen.
Patienten, die Ende des Jahres meinen, „dran“ zu sein, bitten die Kassenärzte, ihren Impftermin bei sowieso geplanten Arztbesuchen mitzuerledigen. Langfristig hoffen sie auf eine Regelung, die eine gemeinsame Spritze gegen Corona und Grippe erlaubt; bislang wird eine Wartezeit von 14 Tagen zwischen beiden Impfungen empfohlen.
Reicht denn der Impfstoff noch für alle?
Es ist genug Impfstoff vorhanden, verspricht Ärztechef Bergmann, „einen Mangel gibt es nicht mehr“.
Können die Arztpraxen das überhaupt schaffen?
Die Zahl der Praxen, die sich an der Impf-Kampagne beteiligen, liegt im Bereich Nordrhein bei etwas mehr als 3600 und soll nach den Sommerferien wieder steigen. Genug, glaubt die KVNO, um die Corona-Schutzimpfung als „normalen“ Teil der Regelversorgung zu integrieren. Niemand müsse Sorge haben, keinen Termin zu bekommen, zumal: Zwei Drittel der Impfärzte in den Zentren seien auch niedergelassene Ärzte, die bald verstärkt in ihren Praxen impfen könnten. Allerdings klagt etwa Duisburg, es hätten sich gar nicht ausreichend Mediziner für die Impfung gemeldet.
Allerdings fordert der Ärztechef erneut weniger Bürokratie. Das Impfen selbst gehe schnell, aber: Alle Papiere aufeinandergelegt, die die Kollegen in Nordrhein seit April allein fürs Impfen ausfüllen mussten, das ergebe „einen Berg, höher als die Zugspitze“. Noch wichtiger: Der Impfstoff müsse in kleineren Chargen angeliefert werden. Die bisherige Praxis, aus einem Fläschchen, dem „Vial“ sechs oder mehr Dosen aufzuziehen, berge die Gefahr, dass wertvolles Vakzin entsorgt werden müsse. Es brauche hier politischen Druck auf den Hersteller: „Die Patienten kommen nicht im Sixpack zur Impfung.“
Warum halte die Ärzte das Impfen für so wichtig?
90 Prozent der Covid-Intensivpatienten, rechnet Frank Bergmann vor, seien derzeit nicht oder nur unvollständig geimpft. Zahlen des Robert-Koch-Instituts aus den vergangenen Wochen belegen: Ungeimpfte haben ein mehr als 20-fach, bei Älteren fast 30-fach erhöhtes Risiko, mit einer Infektion ins Krankenhaus zu kommen. Ein deutliches Zeichen für die niedergelassenen Ärzte, „die Nicht-Geimpften noch mehr in den Blick zu nehmen“.
Wie viele Menschen sind in NRW inzwischen geimpft – und wer?
Zu Wochenbeginn hatten 11.332.473 Menschen in NRW ihren vollen Impfschutz, das sind 63,2 Prozent der Bevölkerung. Die Quote der Erstimpfungen kratzt bereits an der 70-Prozent-Marke. Die relative Zahl liegt niedriger als erhofft, hat sich allerdings mit der jüngsten Impf-Empfehlung für 12- bis 17-Jährige auch verändert. Die letzte Augustwoche indes war die schwächste seit in den Arztpraxen gegen Covid-19 geimpft wird: 216.000 Spritzen wurden gesetzt; im Juni waren es noch wöchentlich deutlich über 600.000.
Bei den über 60-Jährigen sind knapp 86 Prozent doppelt geimpft, viel mehr sei nicht zu erwarten, heißt es bei der KVNO, sie spricht von einer „Sättigung“. In der großen Gruppe der 18- bis 59-Jährigen gelten 68,5 Prozent als vollständig geschützt, da ist „noch viel Luft nach oben“. Die Impfungen müssten „deutlich gesteigert werden“, sagt Bergmann, zuletzt nahm der Anteil der Erstimpfungen hier nur noch um 1,8 Prozent zu.
Bei den Jugendlichen wird die Erstimpfungsquote auf 38,1 Prozent beziffert, nach der Empfehlung durch die Stiko sind sie die dynamischste Gruppe. Wo hier aber „der Deckel“ ist, wie viele sich überhaupt impfen lassen, ist ungewiss. Und für die Kinder unter zwölf Jahren gibt es noch gar keinen zugelassenen Impfstoff. Bergmann hofft auf den Jahresbeginn 2022. „Wir sind noch nicht am Ziel!“