Düsseldorf. In Düsseldorf hat der Caravan-Salon eröffnet: die erste Messe, die nach dem Lockdown wieder Besucher zulässt. Corona lässt die Branche boomen.
Vor den Eingang hat Corona mindestens ein G gestellt und vor jeden Stand gleich mehrere Desinfektions-Spender, aber es ist wieder Messe! Live und in Farbe, man wusste ja schon gar nicht mehr, wie das ist. Wie Menschen strömen schon am Morgen, große Taschen über der Schulter und Köfferchen am Arm, drückende Wärme in den Hallen und über allem diese Sehnsucht: Dies ist der Caravan-Salon, es geht ums Reisen, was für viele genauso ausgefallen ist in all der Zeit. Aber im Wohnwagen geht’s.
645 Aussteller, und fast jeder hat seine schönsten Vehikel hier geparkt, wo soll man da anfangen? Im vergangenen Jahr haben sich kaum die Hälfte hergetraut, weshalb sie in Düsseldorf jetzt feiern, auch sich selbst: „Ein einziges Aufatmen“, beobachtet der Messechef, von Aufbruch ist die Rede, sie sind die Ersten überhaupt in Deutschland, die sich wieder trauen, Besucher einzuladen. Das macht allerdings auch: dass sich Geschäftsfreunde, die einander anderthalb Jahre nicht sahen, zu fünft in Aufzügen drängen für zwei, dass sie sich umarmen und Hände schütteln. „Wenn ihr nur die 1,50 Meter einhaltet“, mahnt einer, „dann ist gut.“ Es wäre besser.
Sieben Meter für eine Großfamilie mit Gepäck
Dafür stehen die Caravans weit auseinander, sie gehören schließlich von allen Seiten bewundert. Der große da, im Tarnfleck, mit passendem Mini dazu (das Auto). Der kleine, der eigentlich nur ein Zelt ist auf dem Dachgepäckträger. Da steht das skandinavische Modell mit integrierter Skibox und ein Exemplar mit Alkoven, „ideal für Großfamilien“, also solche, die sich zu sechst mit Gepäck gern sieben Meter Wagenlänge teilen.
Es gibt in diesen Zeiten das E-Mobil, „Schlafzimmer, Wohnzimmer, Küche, Bad“, das 90 Kilometer weit fährt und dann weitere 500 braucht, um sich selbst wieder aufzuladen (mit Benzin). Da steht der Camper-Van, der wenigstens als Farbe „Electro Light“ trägt, der Mercedes bekam dieses Jahr eine Medaille in Gold, dabei ist er sehr grün. Auch passend zur Zeit hat er ein Homeoffice-Modul, man hat ja nie mehr richtig Urlaub. Der Kunde muss sich allerdings entscheiden: Küche oder Computer, eins geht nur.
Messe-Sonderpreis von 300.000 Euro
Er, eher sie, könnte den „Beachy“ wählen, der ist „sexy“, wie sein Erfinder sagt und mit knapp 13.000 Euro für einen Wohnwagen durchaus erschwinglich. Beachy transportiert Strandgefühl auf Rädern, alles sand-beige, auch die Deckel der Nudel-Gläser; statt Oberschränken hängen da Körbe, und hinten hat das Gefährt eine große Tür zum Rausgucken vom Bett aus. Messe-Models spielen dekorativ Federball oder Gitarre im Sand: Hier ist der einzige Ort auf der Messe, wo nicht ununterbrochen ein Staubsauger summt.
Im Gegenteil steht gar nicht weit weg das Riese gewordene „Nur gucken, nicht anfassen“: ein Modell „Palace“, Weingläser und weiße Blumen sind drinnen zu erahnen, der Preis steht dick dran wie bei einem Sonderangebot. 299.900 Euro, „Sie sparen 38.650!“ Zutritt gerade verboten, es naht ein ernstzunehmender Kunde mit schickem Schal.
Grills, Heringe und Trenn-Toiletten
Dann eben nach gegenüber, da zeigt Gerhard Volkner sein Neuestes gern her, jedenfalls mit gebührendem Abstand: Ein Unternehmer ließ sich diese rollende Villa bauen, im Bauch ein Bugatti (der kostet doppelt soviel wie der Caravan und alles zusammen 6,5 Millionen, Volkner nennt den Wagen das „Beiboot“). Holz ist verbaut „für abartiges Geld“, allein die Soundanlage hat 300.000 gekostet, auf dem Dach liegt eine Solaranlage, das ganze 35-Quadratmeter-Ungetüm läuft autark. Wo soll man damit hin? Volkner lacht, 18 Tonnen und 530 PS „muss man halt händeln können“. Er nennt das Ganze „ein Super-Auto“, stets abfahrbereit: „Hotel ist doch grausam, da muss man buchen und die Koffer tragen.“
Zurück zu den Niederungen. Halle 3 hat alles, was der Camper noch so braucht: bunte Heringe, die aussehen wie von Fischertechnik, Trenn-Toiletten, in die Verkäufer gerade bis zum Ellbogen hineinlangen, Rucksäcke und Reiseführer, Außenspiegel und Grills, „zum unschlagbaren Preis, Sie können darauf sogar ein Spiegelei braten“. Und Tourismusverbände, die mit ihren schönsten Plätzen werben.
Deutsche sind Europameister im Wohnmobilkauf
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Nur: Die kommen derzeit mit den Stellplätzen gar nicht mehr nach. In der Pandemie haben so viele das Campen entdeckt, dass zum Stichtag 1. Januar 1.397.213 sogenannte Freizeitfahrzeuge in Deutschland zugelassen waren, 8,5 Prozent mehr als im Jahr davor. Bei den Neuzulassungen, bei den Gebrauchtkäufen, bei der Produktion, beim Export, überall stiegen die Zahlen. Nirgends in Europa wurden im ersten Halbjahr auch nur annähernd so viele Freizeitfahrzeuge zugelassen wie hier (62.839). Nicht einmal in den Niederlanden, wobei das gar kein Klischee ist: Relativ ist der Zuwachs beim fahrenden Völkchens zweieinhalbmal so hoch, und die gelben Kennzeichen in Düsseldorf unterstreichen das Interesse.
Dass der Markt alles in allem nicht noch mehr wuchs, klagt der Verbandspräsident Hermann Pfaff, liege an Lieferproblemen. Und am Fachkräftemangel, weshalb es alsbald einen neuen Beruf geben soll: den des Karosseriebauers Caravan. Und am Platzmangel: „Die Stellplätze reichen nicht mehr aus!“ Irgendwo müssen all die schönen neuen Wohnwagen ja hin, man ahnt: auch die, die gerade noch in Düsseldorf stehen. Am Montag werden sie darüber reden – beim 1. Deutschen Stellplatztag.
>>INFO: 20.000 TICKETS AM TAG
Der 60. Caravan-Salon, weltweit die größte Messe der Branche, läuft noch bis Sonntag, 5. September, täglich von 10 bis 18 Uhr in der Messe Düsseldorf. 645 Aussteller zeigen ihre Produkte in 13 Hallen. Die maximal 20.000 Tickets pro Tag (Erwachsene 15 Euro, Schüler und Studenten 11 Euro, Kinder bis 12 Jahre 5 Euro) gibt es nur elektronisch unter www.caravan-salon.de .