Herne. Jetzt dürfen in den Impfzentren auch Zwölf- bis 15-Jährige gegen Corona geimpft werden. Und viele wollen es – aus ganz unterschiedlichen Gründen.

Sammy (12) ist „die ewige Testerei“ beim Training in seinem Schwimmverein leid, Jana (14) will endlich wieder ihre kranke Oma knuddeln dürfen und Merle (15) fühlt sich „mit“ einfach besser, wenn demnächst die Schule beginnt: Aus ganz unterschiedlichen Beweggründen kamen die drei an diesem Montagnachmittag mit ihren Eltern in den Revierpark Gysenberg, aber sie wollten alle dasselbe: eine Impfung gegen Corona. Und sie bekamen sie: im Herner Impfzentrum im Revierpark. Nicht nur Merles Papa, Andreas Koch, war darüber sehr froh. „Man sieht doch“, sagt er, „dass die Kinder unter den Einschränkungen in der Pandemie leiden“.

Jana Sperling kam mit ihrer Mutter Katja Sperling-Koch (und Vater Andreas) sogar aus Bochum nach Herne. Alle drei haben großes Vertrauen in die Impfung.
Jana Sperling kam mit ihrer Mutter Katja Sperling-Koch (und Vater Andreas) sogar aus Bochum nach Herne. Alle drei haben großes Vertrauen in die Impfung. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Am Donnerstag vergangener Woche überraschte das Landesgesundheitsministerium mit der Nachricht, ab sofort dürften in den Impfzentren NRWs auch Zwölf- bis 15-Jährige geimpft werden. Eine Woche zuvor hatte dasselbe Ministerium für eine Großstudie zur flächendeckenden Impfung von Schülern und Jugendlichen im Siegener Impfzentrum noch so hohe Auflagen gemacht, dass diese damit faktisch gestoppt wurde. Zugelassen für über Zwölfjährige ist das Vakzin von Biontech/Pfizer seit Mai; seit Freitag gilt das auch für den Moderna-Impfstoff. In den Impfzentren durften bis dato aber nur Über-16-Jährige geimpft werden. Denn die Ständige Impfkommission empfiehlt die Immunisierung der Jüngeren bisher nur für Vorerkrankte und andere mit hohem Risiko. Es lägen, begründet sie ihr Zögern, noch zu wenig verlässliche, wissenschaftlich belastbare Daten vor. Millionen Kinder, vor allem in den USA, sind allerdings bereits geimpft sind; viele Kinderärzte, wie die kommissarische Leiterin der Pädiatrischen Pneumologie der Bochumer Universitätsklinik, Dr. Folke Brinkmann, hatten früh für eine Impfung auch der Jüngeren plädiert. In den Praxen war sie – nach ausführlicher Beratung von Kind und Eltern – deswegen schon erlaubt.

Lange Wartelisten beim Kinderarzt

Merle und Jörg Richardt: Die Aufklärung vor der Impfung, berichten beide, sei „sehr intensiv“ gewesen.
Merle und Jörg Richardt: Die Aufklärung vor der Impfung, berichten beide, sei „sehr intensiv“ gewesen. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Doch beim niedergelassenen Kinderarzt müssen Eltern erst einmal einen Termin bekommen… „Ab 1.10. können Sie sich wieder auf die Warteliste setzen lassen, hat man mir gesagt“, erzählt etwa Sammys Mutter, Sandra Pericic in Herne. „Wir“, berichtet Merles Vater Jörg Richardt, „haben es sogar bei mehreren Kinderärzten probiert. Doch die einen wollten ein nicht vorerkranktes Kind nicht impfen und die anderen waren komplett ausgelastet.“ Als er in der WAZ vom Impftermin im Herner Impfzentrum las, meldete er seine Tochter sofort an. Janas Familie kam dafür sogar aus Bochum her.

Tatsächlich ist Jennifer Metzlaff, die organisatorische Leiterin des Herner Impfzentrums, ein wenig stolz darauf, dass man hier so schnell „in die Gänge kam“, „als erstes Impfzentrum im Bereich der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe überhaupt“. Im Ruhrgebiet war nur das Impfzentrum in Duisburg schneller – es lud bereits am Wochenende zur ersten Impfaktion für Zwölf- bis 15-Jährige (liegt aber im Gebiet der KV Nordrhein). Sie habe „überhaupt keine Probleme“ gehabt, Kinderärzte zu finden, die im Impfzentrum die verpflichtende ausführliche Beratung von Eltern und Kindern übernehmen, berichtet Metzlaff. Und an Kapazitäten wie Impfstoff mangelte es wohl auch nicht. 90.000 Impfungen wurden im Herner Impfzentrum inzwischen verabreicht, zuletzt, berichtet Metzlaff, sei es „aber doch sehr ruhig geworden“.

Auch Essen, Bochum, und Dortmund starten bald

15 Minuten kalkuliert sie pro „Kinder-Termin“, für die Impfung Älterer liegt die Vorgabe bei drei Minuten. 24 Termine durfte die KV daher den Zwölf- bis 15-Jährigen für den ersten Tag anbieten, von 14 bis 19.45 Uhr, weitere Aktionstage sind bereits anberaumt mit insgesamt 100 Terminen –„alle weg“, laut Metzlaff. Man sei ausgebucht. In Herne leben 5800 Kinder zwischen zwölf und 15...

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Ins Duisburger Impfzentrum durften Kinder am Samstag und Sonntag sogar ohne Termin kommen: 491 konnten geimpft werden, berichtet Falko Firlus, Pressesprecher der Stadt. An weiteren Wochenenden soll die Aktion fortgesetzt werden, man verstehe das Angebot als „Ergänzung der bestehenden Strukturen“, nicht als Ersatz. Es ließe sich „problemlos in den Ablauf des Impfzentrums integrieren“. „Kein großer Mehraufwand“, sagt auch Anke Widow, Sprecherin der Stadt Dortmund, wo die Impfung der Zwölf- bis 15-Jährigen im Impfzentrum am 4. August beginnen wird. Essens Impfkonferenz entschied am Montag, am Donnerstag und Freitag mit den Impfungen der Jüngeren zu starten. Impfwillige können auch hier ohne Termin kommen. Das zu organisieren, so Jasmin Trilling, stellvertretende Pressesprecherin der Stadt, „ging nicht eben so“; doch die Nachfrage, bestätigt sie, sei da. In Bochum (wo für die Jüngeren laut Stadtsprecherin Charlotte Meitler gar gesondere Impfstraßen reserviert werden) und im Kreis Recklinghausen geht es am Mittwoch los, in Gelsenkirchen am Donnerstag und in Ennepetal am Freitag….

Beide Elternteile müssen schriftlich einwilligen

Jennifer Metzlaff, organisatorische Leiterin des Herner Impfzentrums: 90.000 Impfungen wurden hier schon verabreicht. „Echt cool“, findet Metzlaff. Seit Montag gibt es Termine auch für die Jüngeren.
Jennifer Metzlaff, organisatorische Leiterin des Herner Impfzentrums: 90.000 Impfungen wurden hier schon verabreicht. „Echt cool“, findet Metzlaff. Seit Montag gibt es Termine auch für die Jüngeren. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Detaillierte Zahlen zur Impfung der Jüngeren können die beiden Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) noch nicht vorlegen. Landesweit sind nach RKI-Angaben derzeit 19,7 Prozent der Zwölf- bis 17-Jährigen mindestens einmal und 7,7 Prozent vollständig geimpft – die meisten davon vermutlich von ihrem Kinder- oder Jugendarzt. Vanessa Pudlo, Sprecherin der KV Westfalen-Lippe, freute sich aber, dass schon am vergangenen Wochenende „in zahlreichen IZs im Landesteil“ Impfungen durchgeführt worden seien. Voraussetzung für die Impfung im Impfzentrum sei ja auch der „lokale Bedarf vor Ort“ und den gelte es, erst einmal zu ermitteln.

Beide Elternteile, alle Sorgeberechtigten, müssen in die Impfung einwilligen; es reicht aber, wenn Vater oder Mutter das Kind begleiten. Dass er auch den Personalausweis seiner Frau vorlegen musste, wusste Jörg Richardt nicht. „Das Problem wurde aber ganz unbürokratisch mittels Einzelfallentscheidung gelöst“, erzählt er nach der Impfung seiner Tochter Merle. Die 15-Jährige war es übrigens, die ihre Eltern fragte, ob sie nicht auch geimpft werden könne. „Nicht wegen mir, sondern um andere zu schützen“, sagt die angehende Zehntklässlerin. Bei Sammy war es genau umgekehrt, da waren es die Eltern, die ihr Kind impfen lassen wollten: „Die ganze Familie ist geimpft, mit den verschiedensten Vakzinen“, erzählt Vater Arjan Pericic. „Und alle haben es gut vertragen.“ Als Sammy zustimmte, habe der große Bruder (18) gleich den Termin ausgemacht. Und nun hat der kleine schon das Pflaster auf dem linken Oberarm. „In zehn Minuten war alles erledigt. Die sind super gut aufgestellt hier“, meint Sandra Pericic. Jana Sperling, die 14-Jährige aus Bochum, überzeugte ihre Eltern, ziemlich rasch. Angst vor Nebenwirkungen hat sie nicht. Die Schülerin räumt ein, dass sie bald ihre neuen Freiheiten als Geimpfte durchaus genießen werde. Wichtiger ist ihr aber: „Ich will nicht mehr auf Abstand zu meiner Oma leben müssen.“