Essen. Psychisch krank ist der 38-Jährige. Jetzt steht er vor Gericht, weil er Betonsteine auf die Essener Synagoge geworfen haben soll.
Polizisten soll er angegriffen und Betonsteine auf die Fenster der Neuen Synagoge in Essen geworfen haben. Aber was auf den ersten Blick als politisch geprägte Tat einzustufen wäre, ist wohl eher die Folge einer psychischen Erkrankung. Vor der VII. Essener Strafkammer fordert die Staatsanwaltschaft deshalb keine Strafe für den aus dem Iran stammenden Abofazl M., sondern seine Einweisung in die geschlossene Psychiatrie.
Der 38-Jährige entschuldigt sich am Mittwoch zu Beginn seiner Verhandlung für "meinen Fehler". Er gesteht die vorgeworfenen Taten zwar, sieht sich zum Teil aber berechtigt zu seinen Handlungen.
Verärgert über Amtsrichterin
Etwa bei den ersten beiden Delikten aus der Antragsschrift. Da hat er am 14. Januar vergangenen Jahres an der Rüttenscheider -/Ecke Martinstraße einen Streifenwagen der Polizei samt Besatzung gesehen. Da war er noch voller Verärgerung, weil er gerade vom Amtsgericht kam, wo er unter Betreuung gestellt wurde. "Die Richterin hat sogar gesagt, sie könne mich ins Krankenhaus sperren", beklagt er sich am Mittwoch über die Richterin, die ihn "schlecht behandelt" habe.
Aus Wut habe er ein TetraPak voll Schokomilch auf die Scheibe des Polizeiautos geworfen. "Da war ich ein wenig durcheinander", erklärt er. Die Beamten steigen aus, überprüfen seine Personalien. Er zeigt sich kooperativ. Erst als sie ihn auffordern, die Überreste zu beseitigen, weigert er sich. Er ergreift einen Beamten am Arm, schlägt ihm auf die Hand. Widerstand nennt sich das, und schon sitzt er im Auto. Er selbst meint, es sei umgekehrt gewesen. Der Beamte habe ihn angefasst, erst da habe er Widerstand geleistet.
Im Streifenwagen getreten
Auf der Fahrt zur Wache soll er dann wild um sich getreten haben. Einen Beamten traf er am Brustkorb, einen am Schienenbein. Trotz seiner Entschuldigung hat Abofazl M. auch dafür eine Erklärung: "Die hatten mir die Nase zugehalten, ich bekam keine Luft und habe deshalb gestrampelt."
Genau zehn Monate später taucht er an der Neuen Synagoge an der Ruhrallee auf. Er nimmt einen lockeren Rasenkantenstein aus Beton auf und wirft ihn gegen eines der Fenster. Weil es aus Sicherheitsglas ist, wird es zwar beschädigt, zerbricht aber nicht. Dennoch: 25.000 Euro nennt die Antragsschrift als Reparaturkosten.
Rabbiner leidet unter Angststörungen
Wenige Tage später, am 20. November, ist er wieder da. Er nimmt einen weiteren Stein und wirft ihn auf ein anderes Fenster. Was er nicht gesehen hat: In einem Nebenraum hält sich der Rabbiner auf, der durch den Knall einen Schock erleidet. Er leidet laut Staatsanwaltschaft seitdem unter Angst- und Schlafstörungen.
Und wieder ist es Verärgerung, die Abofazl M. vor Gericht als Motiv für seine beiden Steinwürfe angibt. Er muss dafür ein wenig ausholen: Sein Großvater sei Jude gewesen, seine Mutter auch. Deshalb habe er von der jüdischen Gemeinde eine Bescheinigung gewünscht, dass sie beide jüdischen Glaubens seien.
Vorher bei der jüdischen Gemeinde angerufen
Aus welchem Grund er sie brauchte, das weiß er nicht mehr so genau. Er wird aber konkret, wenn er seine Bemühungen schildert: "Drei Monate lang habe ich immer dort angerufen. Keiner hat reagiert. Nur einmal hieß es, wir können Ihnen nicht helfen."
Bestraft werden kann der 38-Jährige dafür wohl nicht, weil er nicht schuldfähig ist. Durch eine krankhafte seelische Störung, heißt es in der Antragsschrift der Staatsanwaltschaft, sei er nicht in der Lage, das Unrecht seiner Tat einzusehen. Prüfen muss die Kammer an insgesamt vier Tagen, ob die Taten schwerwiegend genug sind, ihn in die geschlossene Psychiatrie einzuweisen.