Mülheim. .
Über 3000 Menschen in Mülheim haben einen gesetzlichen Betreuer, etwa 50 Prozent davon hauuptberufliche Betreuer – Tendenz steigend. Für das Gericht, die Betroffenen und die Gesellschaft ergibt sich daraus eine Vielzahl negativer Folgen.
„Sorgen sie vor – damit nicht wir für Sie sorgen müsse“, so lautet der Rat bzw. die Bitte von Dr. Einhard Franke, Direktor des Amtsgerichts in Mülheim. Hinter dieser Aufforderung steckt eine komplexe Problematik, mit einer oft einfachen Lösung.
Das Problem: Ist jemand nicht mehr in der Lage, ohne fremde Hilfe Entscheidungen zu treffen, so ist diese Person zwangsläufig auf die Hilfe von anderen angewiesen. Eine Problematik, die von vielen Bürgern unterschätzt werde, so Franke. Denn es sei eben nicht so, dass die Kinder, der Ehepartner oder die Eltern automatisch rechtlich dazu befugt seien, Entscheidungen oder Handlungen im Namen des Betroffenen auszuführen. Dabei spielt es keine Rolle, ob der 22-jährige Student durch einen Unfall oder der 95-jährige Rentner durch einen Schlaganfall betroffen ist.
„Wer segnet denn eine Operation ab, wenn diese Menschen selbst nicht in der Lage dazu sein sollten, fragt Franke. Die Antwort kommt für viele überraschend. Denn es sind eben nicht die Eltern des Studenten oder die Kinder des Rentners. „Wenn die Person niemanden bevollmächtigt hat, solche Entscheidungen zu treffen, landen solche Fälle automatisch beim Amtsgericht“, erklärt Frank Koeke von der Betreuungsstelle.
Gemeinsam mit dem Gericht werde dann ein Betreuer für die Person bestimmt. Dieses können Familienangehörige oder Partner sein, aber auch hauptberufliche Betreuer. „Die Frage nach einem geeigneten Betreuer wird selbstverständlich ganz individuell vorgenommen“, erläutert Koeke.
In Mülheim sind es momentan über 3000 Menschen, für die ein gerichtlicher Betreuer eingesetzt ist. Das sind fast zwei Prozent der Bevölkerung. Etwa 50 Prozent davon haben berufliche Betreuer. Die Tendenz sei steigend. Für das Gericht, die Betroffenen und die Gesellschaft ergeben sich daraus eine Vielzahl negativer Folgen.
Das Gericht steht in einer solchen Situation vor der „nicht immer leichten Auswahl des ,besten’ Betreuers, der Betroffene ist darauf angewiesen, dass die Gerichte die für ihn beste Entscheidung treffen, und die Gesellschaft kostet dieser bürokratische Rattenschwanz sehr viel Geld“, so die Experten.
Das Schlimmste, aber zugleich Erfreulichste an dieser Entwicklung sei, dass die Problematik in sehr vielen Fällen leicht vermeidbar ist. Denn fast alle Schwierigkeiten können durch das Ausfüllen eines einzigen Formulars aus der Welt geschafft werden. Nämlich durch die sogenannte Vorsorgevollmacht. Ein Formular, welches in nur wenigen Minuten ausgefüllt ist, und genau festlegt, wer welche Entscheidungen treffen darf, falls man selbst nicht mehr in der Lage dazu sein sollte. Ausgefüllt und unterschrieben, stellt die Vollmacht ein verbindliches Dokument dar. Die verantwortlichen Stellen raten allen, ob jung oder alt, krank oder gesund, eine solche Vollmacht auszufüllen. Nur so könne man im Falle eine Notfalls, sicher gehen, die tatsächlich erwünschte Person an der Seite zu haben.
Um das Bewusstsein für diese Problematik zu schärfen, haben Amtsgericht und Stadt nun eine Broschüre inklusive vorgefertigter Vorsorgevollmacht drucken lassen. „Wir hoffen, dass wir mit diesem Projekt mehr Menschen animieren können, sich mit der Problematik auseinanderzusetzen. Denn das Thema ist im Vergleich beispielsweise zur Patientenverfügung absolut unterbelichtet“, betont Franke. Obwohl die Patientenverfügung ebenso wichtig sei.