Essen. In der Tür hatten sie sich geirrt und das falsche Opfer verprügelt. Jetzt stehen zwei Mülheimer und eine Oberhausenerin vor Gericht.

Sie hatten sich in der Tür geirrt, und deshalb müssen sich zwei Mülheimer Brüder und eine Oberhausenerin seit Dienstag vor dem Landgericht Essen verantworten. Gefährliche Körperverletzung ist angeklagt. Das Trio hatte in Altenessen irrtümlich die falsche Frau mit einem Baseballschläger verprügelt.

Kräftig gebaut sind alle drei, die auf der Anklagebank Platz nehmen, auch Nadine B., die Hauptangeklagte aus Oberhausen. Ausschließlich von der 22-Jährigen soll die massive Gewalt ausgegangen sein. Chris (38) und Fabian S. (28) sollen sich dagegen mehr oder weniger vornehm zurückgehalten haben.

Opfer völlig ahnungslos

Laut Anklage hatten sie vor, am 17. April vergangenen Jahres einem Mann aus dem Altenessener Mehrfamilienhaus eine Abreibung zu verpassen. Es ging wohl um einen Streit wegen Drogenverkäufe. Nadine B. habe in vorderster Reihe gestanden, den Baseballschläger in der einen Hand. Mit der anderen drückte sie vor der Wohnungstür auf die Klingel. Geöffnet habe die nach Anklage völlig ahnungslose Mieterin.

Sofort soll Nadine B. ihr mehrfach den schweren Schläger gegen Kopf und Körper geschlagen haben. Aber das habe ihr nicht gereicht. Unvermittelt habe sie ein Springmesser gezogen und es der Frau mindestens zweimal in die Brust und einmal in den Bauch gestochen.

Pistole auf Helfer gerichtet

Zwischendurch kam tatsächlich der Mann die Treppe herunter, für den die Strafaktion eigentlich gedacht gewesen sein sollte. Aufgeschreckt durch die Hilferufe hatte er der Frau helfen wollen. Doch Fabian S., der sich bis dahin eher passiv verhielt, soll aus dem Hosenbund eine Gaspistole genommen und den Mann bedroht haben. Die Drohung untermauerte er mit eindeutigen Worten: „Verp… dich!“ Der Mann ging.

Das Opfer war mittlerweile in die Wohnung getaumelt. Dort versuchte die Frau, über das Telefon die Polizei zu alarmieren. Doch dagegen schritt Chris S., der andere Bruder, vehement ein. Er entriss ihr den Apparat und schleuderte ihn gegen die Wand.

Schädelbruch und drei Stiche

Danach zogen sie ab. Hinterließen ihr Opfer mit schweren Verletzungen: doppelter Schädelbruch und drei Stichverletzungen, einer hatte die Milz getroffen.

Warum das alles geschah? Das fragen sich angeblich auch die Angeklagten. Fabian S. will eigentlich schuldlos sein. Er habe an jenem Abend Gäste gehabt und Drogen besorgen wollen. Deshalb habe er seinen Bruder um Hilfe gebeten. Der habe ihn in Mülheim abgeholt, Nadine saß schon im Auto. Gemeinsam seien sie nach Essen gefahren.

Mitangeklagter will überrascht gewesen sein

Fabian S. sagt, er sei fest davon ausgegangen, dass Nadine an einer Tür geklingelt habe, hinter der es Drogen für ihn gegeben hätte. Völlig perplex will er gewesen sein, als Nadine für ihn unvermittelt auf die Bewohnerin einschlug. Das mit dem Nachbarn stimme. Der sei von oben gekommen und habe gewirkt, als wolle er ihn angreifen. Nur deshalb habe er die Pistole gezückt. Die Waffe habe er zuvor eingesteckt, weil man bei Drogenkäufen ja mit gefährlichen Typen verhandele.

Chris S. ist ebenfalls unglücklich in die Auseinandersetzung geraten, sagt er. Er sei damals mit Nadine zusammen gewesen und habe gefürchtet, dass diese etwas mit einem Mann in Altenessen habe. Das wollte er klären. Den Baseballschläger hätten sie mitgenommen, weil der Altenessener ihn mal Nadine geschenkt hatte. Den sollte er zurückbekommen. Und seinen Bruder Fabian habe er zur Sicherheit um Begleitung gebeten, weil Essen ihm nicht ganz geheuer sei.

Auch der Bruder war geschockt

„Die Mädels“ hätten dann „die Keilerei“ angefangen. Weil er so etwas nicht kenne, sei er vollständig geschockt gewesen. Jeden zweiten oder dritten Satz begleitet er übrigens mit der Formulierung „da bin ich ganz ehrlich“.

Nadine B. liefert schließlich die dritte Version. Unter Drogen habe sie gestanden, sei total abhängig gewesen von Chris S., ihrem Freund, ihrer großen Liebe. Der habe mit seinem Bruder geplant, dem Mann in Altenessen „eins auf die Fresse zu geben“. Und sie habe dann bedauerlicherweise an der falschen Tür geklingelt. Die Frau, die sie dann verletzt habe, „hat wirklich nichts damit zu tun“.

Zwei weitere Sitzungstage hat die XVI. Essener Strafkammer geplant, um aufzuklären, welche der drei Versionen stimmt. Oder ob es noch eine vierte gibt.