Herne. Hauchdünner Teig, Pistazien und Zucker – Baklava ist eine Spezialität der türkischen Küche. Ein Meister aus Herne zeigt, wie man es herstellt.

Fisch gebackene Tortenböden, Nüsse, geschmolzene Butter und Zuckerwatte: Es duftet herrlich in der Baklavaria in Herne. Wer sie betritt, wird überwältigt – von Törtchen mit Schokoboden und Erdbeersahnecreme, von Kuchen mit Zuckerguss in saftigem Rot und mit Marmelade gefüllten Plätzchen, bunt verziert in allen Farben des Regenbogens. Erst auf den zweiten Blick entdeckt man, worum es hier wirklich geht: In einer Theke im hinteren Teil der türkischen Bäckerei reiht sich Blech an Blech, gefüllt mit dem türkischen Nationalgebäck: Baklava.

Die bunten Plätzchen sind mit Marmelade gefüllt.
Die bunten Plätzchen sind mit Marmelade gefüllt. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Mal in Quadrate geschnitten, mal in Dreiecke, mal in Rauten – das in Zuckersirup schwimmende Süßgebäck ist die „Spezialität des Hauses“, schwärmt Kamuran Kalo, Geschäftsführer von Tok-Yat. Neben dem klassischen Baklava mit gehackten Walnuss- oder Pistazienkernen liegen dunkelgrüne Röllchen, die fast ausschließlich aus Pistazien und Zucker bestehen, und Kadayif, ein orientalisches Dessert aus dünnen Teigfäden und – wie könnte es anders sein – Pistazien. Eigenkreationen, etwa mit Kokosnuss, Vanille- oder Schokocreme machen das Angebot komplett.

„Es gibt nicht viele, die das Handwerk beherrschen“

Vor zwei Jahren ist die Bäckerei in einen größeren Laden umgezogen, seitdem wird in dem ehemaligen Geschäft – ein paar Meter weiter, auf der anderen Straßenseite – ausschließlich gerollt, geformt und Mehl verstreut. Fatih Ozturk ist hier in der Backstube seit sechs Jahren der Chef. Und „sehr pingelig“, wie Kamuran Kalo sagt. Aber das sei auch gut so. „Es gibt nicht viele, die das Handwerk beherrschen“, so der 39-Jährige. „Man braucht jahrelange Übung.“

Fatih Ozturk lebt seit mehr als 20 Jahren in Deutschland, mit 19 verließ er seine Heimat, die Türkei. Dort lernte er in einer Konditorei, wie man Baklava macht. Mehl, Eier, Salz und Wasser – mehr braucht es nicht, um den Teig für die hauchdünnen Schichten herzustellen, erzählt der 41-Jährige und hebt eines der zuvor sorgfältig zusammengefalteten Blätter in die Luft. Sie sind so dünn, dass man hindurch sehen kann. Drei Lagen, eine Schicht gehackte Walnüsse, dann wieder Teig – insgesamt zwölf Blättchen stecken in einem Stück der süßen Sünde.

Walnusskerne verstecken sich in den zarten Teigfäden, auch Kadayif genannt.
Walnusskerne verstecken sich in den zarten Teigfäden, auch Kadayif genannt. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Anschließend wird das große Rechteck eingerollt, in ein Blech mit geschmolzener Butter gelegt, in Form geschnitten und erneut mit flüssigem Fett übergossen. Nach 20 bis 25 Minuten im heißen Ofen kommt noch Zuckersirup auf die goldgelbe Kalorienbombe, mit gehackten Walnusskernen wird sie verziert. „Es ist Kunst“, lobt Kalo das Werk seines Baklavameisters. „Viel Lehrgeld“ habe er bezahlt, bis er ihn gefunden habe.

Pistazien aus der Türkei: „Die besten der Welt“

Obwohl die Baklavaria jeden Tag geöffnet ist, habe Corona sie „sehr zurückgeschmissen“, bedauert Kalo die niedrigeren Umsätze. Tische und Stühle verstecken sich gestapelt in einer Ecke des Cafés, Frühstück gibt es nur „to go“. Und auch Geburtstagstorten würden nur selten gekauft. „Es lohnt sich an manchen Tagen kaum, den Ofen anzuschalten.“ Zwar ginge während des Ramadan im April und Mai deutlich mehr Baklava über die Theke. Das abendliche Fastbrechen und das Zuckerfest feierten die Muslime aber nicht so ausgelassen wie sonst. „Normalerweise kommt die ganze Familie aus allen Ecken zusammen. Das fällt in diesem Jahr weg.“

Eingerollt werden die hauchdünnen Teigblätter zu Baklava.
Eingerollt werden die hauchdünnen Teigblätter zu Baklava. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Dennoch wird täglich frisch gebacken: Tonnenweise Zucker verbraucht die Bäckerei im Jahr, dabei sei Baklava in der Türkei noch deutlich süßer, erzählt Kamuran Kalo. Was die Süßspeise aus Herne so besonders macht? „Wir legen großen Wert auf Qualität“, so der 39-Jährige. Aus dem türkischen Antep, der „Pistazienhauptstadt“, stammten die kräftig grünen Kerne, die Baklava, Kuchen und Keksen schmücken – sie seien „die besten der Welt“.

Und so hat das Geschäft mit dem zuckersüßen Gebäck auch bei Kamuran Kalo seine Spuren hinterlassen. „Früher war ich dünn wie eine Bohnenstange“, erzählt der Geschäftsführer und steckt sich ein halbes Pistazienröllchen in den Mund – er faste nicht, kam schon als Kind nach Deutschland. Die Türkei sei für ihn vielmehr „ein Urlaubsort“. „Ich muss vorsichtig sein“, gibt er leise zu. „Letztes Jahr wurde bei mir Diabetes Typ 2 diagnostiziert.“

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Franchise-Unternehmen mit sechs Filialen in Herne und Recklinghausen

Noch im vergangenen Jahr hat Baklavameister Fatih Ozturk den Teig für die beliebte Süßspeise von Hand ausgerollt. Mittlerweile kommt dafür eine Maschine aus der Türkei zum Einsatz.

Savci Celik, Inhaber des Franchise-Unternehmens mit insgesamt sechs Filialen in Herne und Recklinghausen, kam im Kindesalter nach Deutschland. Er hat das Handwerk von seinem Vater gelernt.