Ruhrgebiet. Der Fern-Wanderweg Hohe-Mark-Steig wird bald eröffnet. Er soll der Naherholung und dem Urlaub dienen. Manche Anlieger fürchten aber den Rummel.

Hanneliese spricht gerade einen großen Satz gelassen aus: „Wir haben uns wieder ein bisschen verirrt, aber das ist ja das Schöne an der Haard.“ Jetzt sitzen sie und ihre lebenslange Freundin Jutta im Wald an einem Wanderweg, den sie kennen, auf einer Bank, die sie erst seit kurzem kennen, und die professionelle Einschätzung der beiden Damen lautet: „Stabil!“ Dann kommen Geschichten von Feuerwachtürmen und Förstergräbern. Das ist ja das Schöne.

Derselbe Weg, an dem sie in Oer-Erkenschwick sitzen, wird 22 Kilometer östlich von hier am Freitag (16. 4. 2021) offiziell „angewandert“. Man sieht es also sofort: Dies ist ein neuer Fern-Wanderweg, jetzt auch offiziell, die Strecken an sich gibt es ja schon länger. Der „Hohe-Mark-Steig“ führt dann über 160 Kilometer von Wesel am Rhein bis Olfen, nördlich von Dortmund, und damit natürlicherweise durch das nördliche Ruhrgebiet: Dorsten, Marl, Haltern, Oer-Erkenschwick . . .

Schon vor der Eröffnung sind viele neue Schilder verschwunden

Jutta und Hanneliese (rechts) auf ihrer Bank bei Oer.
Jutta und Hanneliese (rechts) auf ihrer Bank bei Oer. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Der Weg war das Ziel: Eine Millionensumme haben das Land und der Regionalverband Ruhr (RVR) dafür ausgegeben, Hütten zu bauen, Bänke aufzustellen und Schilder anzubringen. Letztere auch gerne mehrmals, denn die magentafarbenen Hinweise mit den stilisierten Bäumen sind offenbar schon vor der offiziellen Eröffnung des Weges außerordentlich beliebt. Sagen wir es so: Die Neuen hängen jetzt deutlich höher.

Spaziergänger auf Naherholung sollen sich hier einfinden, Urlauber vor der eigenen Haustür, aber natürlich auch richtige Reisende. Warum in die Nähe schweifen? Der Weg soll auch „den Tourismus in der Region kräftig voranbringen“, so der RVR.

„Am Wochenende ist es jetzt schon sehr voll“

„Das Interesse ist schon jetzt riesengroß“, sagt auch Dagmar Bachmann, die Geschäftsführerin des Naturparks Hohe Mark: Sobald die touristischen Betriebe wieder durchstarten könnten, würden die vielen Anfragen an Hotels und Gaststätten weitergegeben.

Aber jetzt? Es ist Mittwoch. Es ist leer. Genau richtig, findet ein Paar mit Hund, welches gerade des Weges kommt. Sie wohnen dahinten in Oer, sie finden daher nicht so schön, dass das hier bald ein klassifizierter Wanderweg ist. „Dann sind hier ganz viele Menschen“, sagt sie. „Am Wochenende ist es jetzt schon sehr voll“, sagt er. Sie müssen weiter. Der Hund zieht.

„Ruhr Tourismus GmbH“: Interesse an Wander-Themen gestiegen

Fest steht: Der Weg liegt im Trend. Nach einer nicht repräsentativen Umfrage des Deutschen Wanderverbandes sei bei 92 Prozent der Befragten im Jahr 2020 das Interesse an Wanderungen „gestiegen“ oder „stark gestiegen“. Studienleiter Erik Neumeyer nennt als Ursache die Pandemie: „Es gibt schlicht keine andere Einflussgröße, mit der diese Entwicklung bundesweit zu begründen ist.“ Corona habe „eine verstärkende Wirkung auf einen bestehenden Trend“.

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Das hat das Ruhrgebiet im Corona-Jahr ebenfalls gemerkt. Auf den Internet-Seiten der „Ruhr Tourismus“ ist die Zahl der Zugriffe auf Wanderthemen zuletzt stark gestiegen. Und der Regionalverband, der ja auch der größte Waldbesitzer weit und breit ist, hat im Februar eine Liste alternativer Wanderstrecken vorgelegt, die gerade nicht ganz so überlaufen sind wie die gängigen Brennpunkte des Einherspazierens.

Moor- und Heidelandschaften, Flugsanddünen und Dämmerwälder

Die Feuerwachtürme am Wegesrand kann man bis fast ganz oben besteigen.
Die Feuerwachtürme am Wegesrand kann man bis fast ganz oben besteigen. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Ja, wo laufen sie denn? Für den Hohe-Mark-Steig empfiehlt der RVR jedenfalls sechs stolze Etappen, fast alle länger als 20 Kilometer, fast alle länger als sechs Wanderstunden, mit kräftigen Auf- und Abstiegen, und die Einstufung ist: „Schwer.“ Und dabei geht es vor allem durch Wald, Wald, Wald. Sowie Wald.

Nein, im Ernst: In der ausführlichen Beschreibung der sechs Etappen (www.hohe-mark-steig.de) findet man auch echte Abwechslung. Moor- und Heidelandschaften, Flugsanddünen; Dämmerwälder, die niemand mehr wirtschaftlich nutzt. Wildkatzen und Waldfledermäuse tummelten sich dort wieder, und der sympathische Totholzkäfer. Na, Gott sei Dank!

Am Feuerwachturm gibt’s Nordrhein-Westfalen aus der Drohnenperspektive

„Der Hohe-Mark-Steig ist überall“, sagt Hanneliese, die routinierte Wanderin: „Ob Sie in Datteln am Kanal sind, in Oer in der Haard oder in Ahsen am Wäldchen. Überall die Schilder. Verwirrend.“ Da erinnert er ein bisschen an den Jakobsweg, jene mittelalterliche Wanderstrecke, die, würde man den Vermarktern glauben, durch so ziemlich jede Straße in Europa lief.

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Doch um den Steig abzuschließen, seien noch zwei Besonderheiten erwähnt: Die Fähre Maifisch, wo man mit einer Kurbel, mit Metallkette und Muskelkraft die Lippe überqueren kann, wenn man noch kann. Eine Brücke gibt es freilich auch. Und zwei Feuerwachtürme liegen am Rand des Steigs: Man kann sie erklimmen bis in 36 Meter Höhe und sieht dann so ziemlich ganz Nordrhein-Westfalen aus der Drohnenperspektive. Man muss aber nicht. Das ist ja das Schöne.