Dortmund. Sie vertreiben die Erreger aus jedem Zimmer: Auch Reinigungskräfte im Krankenhaus kommen Corona nah. Als „Helden“ werden sie selten gefeiert.

Wer da liegt und was er hat und was das ist: Darüber denken sie nicht nach. „Je mehr man denkt, desto mehr Angst hat man ja“, sagt Cornelia Stember. Die 48-Jährige ist „Desinfektiöse“, nein, Scherz! Das sagen die Damen nur unter sich. Sie ist Reinigungskraft im Klinikum Dortmund Nord und macht auf einer Infektionsstation all’ jene Zimmer sauber, auf denen Patienten mit ansteckenden Krankheiten liegen. Corona ist dort neu, aber nicht einmal das Schlimmste.

Nicht zu ahnen, was da alles geputzt werden muss in einem Krankenzimmer, aber Halt: Man sagt nicht Putzen. „Putzen tut der Maurer“, sagt Jutta Reimann, die als Geschäftsführerin der „Service Do“ Frau Stembers oberste Chefin ist. „Wir reinigen.“ Aber wie sie die Sache auch nennt, es ist ein Kraftakt. Über den nicht nur in der Corona-Krise wenig gesprochen wird: Da geht es um die Pflege, um die Ärzte, um all’ jene, die „nah am Patienten sind“. (Oder hat man Reinigungskräfte je „Helden“ genannt?)

Nach der Entlassung reinigen sie sogar die Zimmerwände

Blaue Lappen für die Oberflächen, gelbe fürs Bad, rote für die Toilette: Cornelia Stember muss die Übersicht behalten.
Blaue Lappen für die Oberflächen, gelbe fürs Bad, rote für die Toilette: Cornelia Stember muss die Übersicht behalten. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Jedenfalls: „Handgriffe, Lampe, Nachtschränke, Bett...“ Kollegin Nassira Taj muss helfen: „Tür, Fenster, Boden“, wenn der Patient fort ist, sogar die Wände bis ganz oben. Dann setzen sie alles unter Wasser. Und unter Desinfektionsmittel.

Daher der Name, „Desinfektiöse“ ist gewissermaßen das Gegenteil von „Infektiöse“, die Frauen müssen alles wegmachen, was ansteckend ist. Und kommen dabei natürlich allem nahe. „Wir schützen uns“, das sagen sie immer wieder, als könnten sie so die Viren fernhalten. Praktisch tun sie es, indem sie bodenlange Kittel über ihre blaue Krankenhauskleidung ziehen, Überschuhe, Hauben über die Haare, Maske, Brille, Visier über das Gesicht.

„Einmal komplett vermummen“

Es dauert, bis sie das alles angezogen haben, „einmal komplett vermummen“, sagen sie. Danach gehen sie von der „Reinseite“ in eine Schleuse, den Reinigungswagen nehmen sie mit. „Pft, pft, pft“, dreimal Drücken auf den Infektionsspender hat Nassira Taj (50) längst automatisiert, die Handschuhe (M, soft white) muss sie auch noch regelmäßig wechseln. Wieder nach draußen kommt nichts als der Mensch. „Wir müssen alles komplett wegschmeißen.“

Den „normalen“ Abfall in die rote Tonne, was verbrannt werden muss, in die schwarze Tonne, anderes in Boxen und die Wäsche in gelbe, weiße, „vollgrüne“ Säcke, zu verschließen mit Kabelbindern. „Damit gar nichts rauskommt“, sagt Cornelia Stember. Die grün-grau-weiß gestreiften Bettbezüge gehen in eine Wäscherei, „das Corona-Virus“, sagt Jutta Reimann, „überlebt die Industriewäsche nicht. Gar nichts überlebt das.“ So soll es sein, sie desinfizieren ja sogar die Lkws, die die Säcke transportieren, „man weiß es ja nie“. Man will „keine Keimverschleppung“ rund um das Krankenhaus, weder von außen, noch von innen.

Aus Vorsicht halten sie sogar zuhause Abstand

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Die Reinigungskräfte wollen das auch nicht, es war für Cornelia Stember „schon ein mulmiges Gefühl“, als sie hier anfing. „Ich habe immer gesagt: Bloß nichts nach Hause bringen.“ Auch Nassira Taj machte sich anfangs „große Sorgen“, gerade wegen Corona, aber „toi toi toi, bis jetzt sind wir immer gesund geblieben“. Das kommt, weil sie inzwischen auch zuhause Abstand halten, Frau Stember knuddelt weniger mit ihrer Tochter, und die trägt dauerhaft Maske: „Sie sagt, wenn Mama das nicht mitbringt, dann will ich es auch nicht mitbringen.“

Nassira Taj hat sich zu Anfang „große Sorgen“ gemacht, aber in elf Jahren hat sie sich noch nie angesteckt.
Nassira Taj hat sich zu Anfang „große Sorgen“ gemacht, aber in elf Jahren hat sie sich noch nie angesteckt. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Aber es ist ja so: Corona „ist nicht der einzige Erreger“. Sie haben auch Norovirus oder Tuberkulose in ihrem Krankenhaus, schwere Krankheiten mit schweren Verläufen, aber „durch Corona ist manches schlimmer geworden“. Gerade zu Anfang war da immer die Sorge: „Hat er oder hat er nicht? – Corona?“ 14 bis 20 Zimmer sind täglich im Zwei-Schicht-Betrieb zu reinigen, dazu noch die langen Flure.

„Service Do“ besitzt Tausende Tücher

Mit dem blauen Lappen die Oberflächen, mit dem grünen das Bett, mit dem gelben Waschbecken und Dusche, mit dem roten die Toilette. Zigtausende solcher Tücher, sehr grob geschätzt, besitzt die Service Do, daneben stecken im Reinigungswagen Wischüberzüge, Schaufel und Handfeger, Wischmob und der Plastik-Aufsteller „Achtung Rutschgefahr“. Dazu schreibt die Krankenhaushygiene für jeden Erreger bestimmte Mittel vor, eigene Konzentrationen, besondere Einwirkungszeiten.

Und so wird es bleiben. „Wir werden mit Covid weiterleben müssen“, ahnt Cornelia Stember. „Wie mit allen Krankheiten, die irgendwann da waren.“ Ab und zu wird die 48-Jährige auch auf einer Intensivstation eingesetzt. Wo sie mit eigenen Augen gesehen hat, „dass Covid kein Schnüpfchen ist“, wie manche immer noch behaupten. „Da sieht man, wie Corona kaputtmacht.“

>>INFO: NICHT DER HÖCHSTBEZAHLTE JOB

Reinigungskräfte in Kliniken bekommen im Öffentlichen Dienst etwa zwölf Euro in der Stunde, je nach Eingruppierung im Tarif. Der Monatsbruttolohn liegt meist bei knapp unter 2000 Euro.

Die Reinigungskraft Susanne Holtkotte aus dem Bochumer Bergmannsheil lud vor zwei Jahren Arbeitsminister Hubertus Heil ein: Der SPD-Mann machte Betten, desinfizierte Gestelle und musste sich vorrechnen lassen, dass 10,45 Euro Stundenlohn fürs Leben nicht reichen und für die Rente erst recht nicht.