Essen. Corona schießt die ersten Soloselbstständigen ins Aus. In Essen kann eine Kosmetikerin ihr Studio nach Monaten des Lockdowns nicht mehr halten.

Frau Simoneit gibt auf. Zieht die Reißleine oder die Notbremse, sie hat viele Wörter dafür, obwohl sie eigentlich keine Worte findet. „Eine Perspektive“ sieht sie nicht mehr, nur, dass sie „sehenden Auges in den Ruin“ geht. Das will die Kosmetikerin nicht, also macht sie ihr Studio in Essen dicht, der Mietvertrag ist schon gekündigt. Christina Simoneit ist 58 und „machtlos“.

Sie sagt alle diese traurigen Dinge und lacht dabei; sie lacht das Drama weg. Denn seien wir ehrlich, was sie da gerade erlebt, ist eine „Scheißzeit“. Für Christina Simoneit fing die schon vor dem ersten Lockdown an, als ihre Kundinnen vorsichtiger wurden. Kosmetik bedeutet Nähe, wer sein Gesicht behandeln lässt, kann schlecht Maske tragen. Nach dem ersten Lockdown hat Christina Simoneit alles versucht, arbeitete mit Mundschutz und Visier, baute eine Plexiglasscheibe zwischen sich und den Behandlungsstuhl, tauschte weiche Frottiertücher gegen Einmalhandtücher, verbrachte viel Zeit mit Desinfektion.

„Ich bin die Letzte, die wieder aufmachen darf“

Desinfektion hinter Plexiglas: Die Maßnahmen waren teuer, viele Kundinnen hatten trotzdem Sorge. Dann kam der zweite Lockdown.
Desinfektion hinter Plexiglas: Die Maßnahmen waren teuer, viele Kundinnen hatten trotzdem Sorge. Dann kam der zweite Lockdown. © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch

Es nutzte nicht viel. Nicht alle Kundinnen trauten sich zurück, die Schließungen des Ladens summieren sich inzwischen auf „sechs Monate Arbeitsverbot“, sagt Simoneit. Und wie es weitergeht für ihre „körpernahe Dienstleistung“, wie es in den Corona-Regeln heißt, weiß keiner: „Ich bin die Letzte, die wieder aufmachen darf, das ist klar.“ (Und die erste, die einer neuen Welle wohl weichen müsste.)

„Existenz unter den Füßen weggerissen“

Christina Simoneit aber macht nicht wieder auf. Es geht nicht, „reine Schadensbegrenzung“, was sie jetzt noch tun kann. Für Miete, Gas, Wasser, Telefon, Versicherungen – alle diese Kosten, die weiterlaufen – musste die 58-Jährige ihre Rücklagen angreifen. Von den ersten Überbrückungshilfen musste sie mehr als zwei Drittel wieder zurückzahlen, die Novemberhilfe kam im Februar, die Dezemberhilfe brachte ihr kaum 60 Prozent des Vorjahreseinkommens. „Zu wenig zum Leben, zum Sterben zuviel.“ So geriet ein „gesundes Unternehmen unverschuldet in Schieflage“.

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Es hat ihr „die Existenz unter den Füßen weggerissen“, aber Prozess des innerlichen Abschieds, einmal entscheiden, sei erstaunlich schnell gegangen, sagt Christina Simoneit. Es gibt einen Plan B, der ihr die „nackte Angst“ etwas nimmt, aber doch: „Es tut weh.“ Dieses Geschäft in Essen-Stadtwald, das eine alte Wurstküche war, hat sie vor 15 Jahren selbst renoviert: „Ich hatte jede Rigipsplatte selbst in der Hand.“ Da war sie gerade neu durchgestartet, hatte mit Anfang 40 überhaupt erst die Kosmetik-Fachschule besucht. Natürlich hängt ihr Herz daran, „aber ich muss vernünftig denken“. Und hoffen, dass der Lockdown ein Ende hat vor dem Ende: „Dass ich alle meine Kundinnen noch einmal sehen kann.“

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