Die Friseure im Revier sind erleichtert, am 1. März endlich wieder öffnen zu dürfen. Grund zum Jubel sieht die Branche allerdings nicht.
Es sind noch zweieinhalb Wochen, bis die Scheren wieder scheren und die Kämme wieder kämmen dürfen. „Aber seit 6.30 Uhr klingelt das Telefon in einem durch“, sagt Frank Kulig (64), Obermeister der Dortmunder Friseurinnung. „Die Kunden wollen Termine machen.“ Überall im Land wollen sie das. „Schon in den ersten Stunden haben wir 50 E-Mails bekommen“, erzählt auch Mirko Schoroth, Inhaber des Salons „Pure“ in Essen-Rüttenscheid. Die meisten Betriebe, bestätigt der Friseur- und Kosmetikverband NRW, könnten sich derzeit „vor Anfragen kaum retten“.
Lockdown-Ende: Aufatmen aber kein Jubel
Das sorgt für ein Aufatmen, für Jubel sorgt es nicht. Andreas Di Stefano, Geschäftsführer des Friseur- und Kosmetikverbandes, hat dann auch „gemischte Gefühle“ in der Branche registriert. Eine Perspektive sei nun da, die lange angekündigte Soforthilfe nicht.
Und selbst wenn sie fließt, werden – Stand jetzt – für den Januar und Februar nur die Fixkosten erstattet, der Verdienstausfall aber nicht. Mirko Schoroth weiß das. „Zum Glück hatte ich Reserven.“ Kulig hatte die auch und er musste sie einsetzen. Zweimal, sagt er, habe er einen vierstelligen Betrag aus seinen Rücklagen zuschießen müssen, um nicht ins Minus zu geraten. „Miete, Strom, Krankenkasse – ist ja alles weitergelaufen.“
„Wenn die Haare einmal kurz sind, sind sie kurz“
Viele Kollegen seien derzeit deshalb auch am Ende ihrer Kräfte und finanziellen Mittel, weiß der Obermeister aus zahlreichen Telefonaten. Ob die angekündigte Erstattung der Fixkosten reicht, um die Löcher in der Kasse wieder zu schließen, ist unklar. „Ausgefallene Haarschnitte können Sie ja nicht nachholen.“ Vor allem nicht im Herrensalon. „Wenn die Haare einmal kurz, sind sie kurz.“
Auch interessant
Klar, in den ersten Wochen nach Wiedereröffnung werde das Geschäft brummen. „Aber was mittelfristig passiert“, dämpft Kulig allzu große Erwartungen, „liegt im Nebel.“ Deshalb kann er auch nicht verstehen, warum er im Antrag auf Hilfe eine Umsatzprognose für den Rest des Jahres machen soll. „Da können Sie mich auch gleich nach den Lottozahlen vom nächsten Samstag fragen.“ Kommen die Kundinnen öfter, weil nach ausgefallenem Urlaub Geld übrig ist oder halten sie, von Kurzarbeit oder Entlassung bedroht, das Geld lieber zusammen? Gibt es vielleicht einen dritten Lockdown? „Das kann man doch alles noch nicht sagen.“
Viele Termine sind bereits vergeben
Nicht gut findet der Obermeister auch, dass nur Steuerberater und Anwälte die Anträge auf Hilfe stellen dürfen. Das verzögere die Antragsstellung, befürchtet er. „Und umsonst arbeiten diese Berufsgruppen bekanntlich auch nicht. Dabei haben die Friseure derzeit ohnehin wenig Geld.“
Auch interessant
Dennoch blickt die Branche nach vorne. Mirco Schoroth spricht von „Aufbruchsstimmung“. Zwei neue Mitarbeiterinnen hat er eingestellt, schneidet direkt am 1. März – auch wenn das ein Montag ist, somit der „Sonntag der Friseure“ und normalerweise geschlossen. Auch der Obermeister öffnet zum Stichtag. Trotzdem muss die Kundschaft Geduld haben. Bei Kulig war der erste freie Termin – Stand Donnerstagmittag – am 10. März, 10 Uhr.
Schwarzarbeit im Lockdown? „Das gehört sich einfach nicht!“
Ein schlechtes Gewissen, weil sie früher als andere öffnen dürfen, haben die Friseure nicht. „Die Entscheidung hat ja nicht bei uns gelegen“, sagt Schoroth. Und Kulig erinnert daran, dass ein regelmäßiger Haarschnitt vor allem für ältere Menschen auch „Teil der persönlichen Körperhygiene“ sei. „Sie fühlen sich mit langen Haaren einfach nicht wohl.“ Vom persönlichen Kontakt ganz zu schweigen. „Für viele sind wir Teil ihres Alltags.“
Dennoch haben beide die zahlreichen Anfragen nach einem Haarschnitt während des Lockdowns abgelehnt – selbst auf die Gefahr hin, Kundschaft zu verärgern „Das gehört sich nicht“, hat Schroth den Anrufern immer wieder erklärt und ist selbst mit gutem Beispiel vorangegangen. „Seit Beginn des Lockdowns sind meine Haare ungeschnitten.“ Das hat Folgen. „Ich sehe aus“, sagt der Essener nach einem Blick in den Spiegel, „wie ein gerupftes Huhn.“