Herne. Friseure sind erleichtert, Händler enttäuscht. Das sind die Reaktionen in Herne auf den verlängerten Corona-Lockdown.
Der bundesweite Lockdown wird bis zum 7. März verlängert, Friseure dürfen allerdings schon am 1. März unter bestimmten Voraussetzungen öffnen. Die WAZ hat Reaktionen auf diese Entscheidungen gesammelt – sie fallen teilweise sehr unterschiedlich aus.
„Jede Woche später zu öffnen, wäre noch schlimmer gewesen“
Die Friseure sollen also als Mutmacher für die Menschen fungieren, weil deren Öffnung nach Ansicht der Politik mit einem überschaubaren Risiko verbunden ist. „Jede Woche später zu öffnen, wäre noch schlimmer gewesen“, sagt Andreas Janik, stellvertretender Obermeister der Friseurinnung, im Gespräch mit der Herner WAZ-Redaktion.
Die Lage sei dramatisch. Schon im April hätte ein Innungsmitglied aufgegeben, weitere stünden auf der Kippe. Die Mitarbeiter kämen mit Kurzarbeitergeld ganz schlecht über die Runden, ihnen fehle das steuerfreie Trinkgeld als Bestandteil des Lohns. Die Überbrückungshilfen brächten wenig Linderung.
Hinzu komme: Als Einzelunternehmer müssten Friseure vom Gewinn ihren Lebensunterhalt, Krankenversicherung und Altersvorsorge bestreiten. Viele müssten nun an das Geld, was für den Ruhestand gedacht gewesen sei. Kein Wunder, dass die Schwarzarbeit blühe, er selbst habe auch schon unmoralische Angebote „zum Kaffeetrinken“ bekommen.
Die Vorgaben für die Öffnung einzuhalten, werde kein Problem darstellen. Janik erwartet, dass nun die Telefone glühen und die Mailfächer volllaufen werden mit Terminwünschen der Kunden. Sie müssten sich auf höhere Preise einstellen. Und auf Wartezeiten: Die Schafschur ginge vor Strähnchen beschreibt Janik die Priorität mit dem Rest an Humor, den er noch hat.
Lockdown-Maßnahmen weit weg von jeder Kreativität
Jens Rohlfing, Sprecher der Werbegemeinschaft Wanne-Mitte, bezeichnet die Entscheidungen von Mittwoch als „enttäuschend“. Die Maßnahmen seien weit weg von jeder Kreativität und alles andere als alternativlos. Einzelhandel und Gastronomie hätten hervorragende Hygienekonzepte. Mit Blick auf die Wanner Innenstadt sagt Rohlfing, dass jeder weitere Tag im Lockdown den Standort weiter in seiner Entwicklung zurückwerfe – und vielleicht weiter als andere Standorte, wo Handel und Gastronomie florierten und das finanzielle Polster dicker sei. Rohlfing: „Wir sind in einer unplanbaren Situation. Erst war eine Inzidenz von 50 angepeilt, jetzt 35. Was kommt als nächstes?“
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Norbert Menzel, Vorsitzender der IG Herne City, hält die Verlängerung des Lockdowns für die richtige Entscheidung. Es solle so lange geschlossen bleiben, bis Läden und Restaurants wieder komplett öffnen könnten. Aber dann dürfe nie wieder geschlossen werden. Das Händler aufgeben werden, hält er für möglich, hat aber noch keine konkreten Hinweise. Für die Gastronomie hofft er, dass sie das Ostergeschäft mitnehmen kann.
Herner Einzelhändlerin: „Ich gönne es jedem, der jetzt wieder öffnen darf“
Für Einzelhändlerin Nehle Reiter-Gies ist der verlängerte Lockdown „keine Überraschung“. Zwar habe die Mitinhaberin von Reiter Fashion auf eine Wiedereröffnung Anfang März gehofft. Es sei aber verständlich, dass angesichts des Infektionsgeschehens Geschäfte weiter geschlossen bleiben. Mit ihrem „Click and Collect“-Angebot kann sich die Geschäftsfrau zumindest teilweise über Wasser halten. „Es wird aber langsam schwierig“, gibt sie zu. Denn auch die versprochenen Hilfen seien noch nicht angekommen. Die Überbrückungshilfe III könne erst seit Mittwoch beantragt werden.
Dass die Friseure wieder öffnen dürfen, obwohl sie einen viel näheren Kontakt zu ihren Kunden haben, hält die Händlerin durchaus für tragbar. So vergäben die Mitarbeiter der Friseursalons Termine. „Das bringt nicht so eine Belebung in die Städte wie eine Öffnung aller Läden“, sagt Reiter-Gies. Und: „Ich gönne es jedem, der jetzt wieder öffnen darf.“
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