Essen. Stalking und Mordversuch wirft die Anklage dem Essener Studenten vor. Das Opfer, seine Ex-Freundin, hatte Schluss gemacht mit ihm.

Sie will nichts hören von ihm. Ausdrücklich bittet die 25 Jahre alte Studentin am Dienstag über ihren Anwalt Michael Nierfeld darum, dass der Angeklagte sie während der Verhandlung vor dem Essener Schwurgericht nicht anspreche, sie etwa um Entschuldigung bitte. Versuchter Mord ist angeklagt. Ihr gleichaltriger Ex-Freund Thanushan N. soll sie am 22. Juli nach zweimonatigem Stalking mit mehreren Messerstichen auf offener Straße lebensgefährlich verletzt haben.

Fünf Jahre lang war das Paar, das sich in der elften Klasse einer Gesamtschule kennengelernt hatte, zusammen. Am 18. Mai vergangenen Jahres machte sie dann Schluss mit ihm. Sie hielt es nach eigenen Worten nicht mehr aus in der seit dem Abitur bestehenden Beziehung. Ganz vermeiden konnten sie weitere Kontakte nicht. Beide studierten damals Maschinenbau an der Essener Uni.

Die Ex-Freundin wochenlang gestalkt

Aber er suchte intensiveren Kontakt, entpuppte sich als Stalker. Diesen Teil der Anklage räumt er am Dienstag vorbehaltlos ein. Er meldete sich über WhatsApp, über Instagram, postete Fotos. Sie drohte mit der Polizei, blockierte ihn dann einen Monat nach der Trennung auf ihrem Profil. Eine letzte Nachricht gab es noch von ihm: "Jetzt trenne ich mich wirklich im Schlechten von Dir."

Fortan tauchte er persönlich auf. Nicht nur an der Uni, auch am Bahnhof Altenessen oder in der Nähe ihrer Arbeitsstelle sah sie ihn. Bei ihren Eltern warf er intime Fotos in den Briefkasten. Wieder drohte sie mit der Polizei, veränderte ihre gewohnten Wege, um ihm auszuweichen. Zeigte ihn auch an.

Laut Anklage heimtückisch von hinten angegriffen

Am Morgen des 22. Juli, so die Anklage, lauert er ihr um 9.15 Uhr im Nordviertel auf, als sie durch die Sigsfeldstraße zur Arbeit geht. Arglos sei sie gewesen, liest Staatsanwältin Sarah Erl vor, als Thanushan N. sie von hinten angegriffen habe. Er schlug auf sie ein, heißt es weiter, versetzte ihr dann von vorne mehrere Messerstiche, die sie fälschlicherweise als Schläge empfand. Neun bis zehn Stiche in Hals und Rumpf, zwei in den Kopf.

Sie sank zu Boden, er soll sie gewürgt haben. Erst als Passanten der jungen Frau zu Hilfe eilten, habe er von ihr abgelassen und sei geflüchtet. Stunden später, er hatte sich in einem kleinen Wald versteckt, rief er die Polizei an und stellte sich.

Stalking und Stiche eingeräumt

Es wird zu Beginn der Verhandlung nicht klar, wie der Angeklagte den 22. Juli schildert. Denn sein Verteidiger Kai Fetgenheuer gibt eine Erklärung für seinen Mandanten ab. Zunächst betont er, wie leid diesem die Tat tue. Später räumt er im Namen des Angeklagten das Stalking und die Messerstiche ein. Eine Tötungsabsicht gibt er nicht zu. Heimtücke verneint er ausdrücklich. Vielleicht liege auch eine "tiefgreifende Bewusstseinsstörung" vor, beendet Fetgenheuer das Sammelsurium juristischer Bewertungen.

Richter Jörg Schmitt fragt nach, was diese Erklärung zu bedeuten habe. So kommt nach einer Beratungspause eine zweite Erklärung. Der Mandant habe sich beim Zustechen "schlicht und einfach" keine Gedanken über die Auswirkungen gemacht. In einem lichten Moment habe er sich gefragt, was er da mache und aufgehört. Nachfragen sind nicht gestattet.

Probleme mit Alkohol und Marihuana

Zum Lebenslauf gibt der in Deutschland geborene Angeklagte mehr Auskunft. Seine Eltern sind Tamilen und aus Sri Lanka gekommen. Wann und warum, das weiß er nicht. Er hat mit leichten Umwegen über Gymnasium, Real- und Gesamtschule Abitur gemacht und das Studium aufgenommen. Probleme bereitet haben ihm der Alkohol und das Marihuana.

Das Verhältnis zu seinen Eltern bezeichnet er als schlecht. Diese seien gegen seine Freundin gewesen. Der Verteidiger erklärt: "Es gab wohl kulturelle Bedenken, weil sie türkische Vorfahren hat." Auf Nachfrage der psychiatrischen Gutachterin Maren Losch räumt Thanushan N. allerdings ein, dass das Verhältnis schon vorher nicht gut war. Vielleicht, weil er schon mit elf Jahren geraucht habe. Vielleicht, weil seine Eltern gläubige Hindus seien, er dagegen nicht: "Mein Glaube ist die Wissenschaft."

Das Opfer kommt zu Wort. Ausführlich schildert die 25-Jährige, wie er ihr anfangs nur als Angeber aufgefallen sei. Dann habe er mit dem Trinken aufgehört und sei wirklich nett gewesen. Zum Schluss habe er sie immer mehr eingeengt, sie belogen und ihre Gefühle verletzt. Deshalb habe sie Schluss gemacht. Das Gericht hat vier weitere Sitzungstage vorgesehen.