Essen. Der Stalker, der am 22. Juni auf eine Gelsenkirchenerin einstach, ist psychisch krank. Er ist schuldunfähig, sagt die Gutachterin vor Gericht.

Der Mann gegen dessen mutmaßliche Taten unter anderem der Frauenverband "Courage" vor Gericht demonstriert hatte, ist ein psychisch schwer kranker Mann. Die erfahrene psychiatrische Sachverständige Marianne Miller bescheinigte ihm am Montag vor dem Landgericht Essen Schuldunfähigkeit. Folgt das Schwurgericht ihrem Gutachten, muss es Faruk P. (43) vom Vorwurf des versuchten Totschlags freisprechen.

Die Kammer muss dann aber prüfen, ob von ihm weiterhin eine solche Gefahr ausgeht, dass er in der geschlossenen Psychiatrie untergebracht werden muss. Diese Maßnahme wäre zeitlich nicht absehbar. Die Gutachterin empfahl sie, weil er unbehandelt ein Gewaltrisiko darstelle. Sie machte aber klar, dass seine "schizoaffektive Psychose" mit Medikamenten gut zu behandeln sei, er mit einer strengen Kontrolle und Nachsorge nach ein bis zwei Jahren entlassen werden könnte.

Beispiel männlicher Gewalt

Faruk P. hatte den bislang reichlich im Saal vertretenen Zuhörern, die schon vor dem Gelsenkirchener Amtsgericht gegen ihn demonstriert hatten, als Beispiel männlicher Gewalt gegen Frauen gegolten. Tatsächlich hatte er auch riesiges Leid über die 32 Jahre alte Frau und ihre Familie gebracht.

Sie war die Zumba-Trainerin seiner Frau, dabei hatte er sich wohl in sie verliebt. Sie wollte von ihm aber nichts wissen. Darauf verfolgte er sie und ihre Familie zunächst als Stalker. Zigmal zeigte sie ihn an, erwirkte auch ein gerichtliches Näherungsverbot gegen ihn. Sie wechselte ihre Wohnung, doch er fand sie.

Polizeiwarnung bremste ihn nicht

Er ließ sich nicht bremsen. Zuletzt hatte er am 22. Juni 2019 in der Nähe ihrer neuen Wohnung in einem Café gesessen. Die 32-Jährige hatte die Polizei gerufen, diese warnte ihn in einer "Gefährderansprache". Auf die Beamten machte er einen ruhigen Eindruck, verständig. Kurz danach überfiel er sie in ihrem Hausflur, stach 21 mal auf sie ein. Sie überlebte knapp.

Von einem Liebeswahn und fehlender Steuerungsfähigkeit sprach die Gutachterin. Später habe er sich und seine Familie von ihr existentiell bedroht gefühlt. Das ist für Außenstehende nicht nachvollziehbar, unterliegt nur der inneren Logik des psychisch kranken Menschen.

Schon 2002 hatte das türkische Militär ihn in die Psychiatrie geschickt. Fortan blieb er zwar in der Behandlung, dosierte seine Medikamente aber irgendwann herunter. Auch in den letzten Jahren wurde er psychiatrisch behandelt. Mittlerweile gibt es Depotmedikamente, die der Patient nicht selbst reduzieren kann. Der Prozess wird am 3. Februar fortgesetzt.