Dortmund. Die Zahl der Corona-Infizierten in Dortmund ist stark gestiegen. Wie die Bundeswehr dabei helfen soll, sie wieder zu senken.
40 Männer und Frauen der Bundeswehr arbeiten derzeit in Dortmund als so genannte Corona-Scouts und suchen nach Kontaktpersonen von Infizierten. Der Grund für die Unterstützung aus der Truppe ist laut Norbert Dahmen vom Krisenstab der Stadt Dortmund ganz einfach: „Wir brauchen Hilfe.“ Wie alle Gesundheitsämter im Revier.
Nein, räumt Frank Renken, Leiter des Dortmunder Gesundheitsamtes ein, mit der „enormen Geschwindigkeit“ der Sieben-Tage-Inzidenz habe man nicht gerechnet. Innerhalb einer Woche sei sie in Dortmund von 35 auf über 70 gestiegen. Stand Montag waren 648 Menschen infiziert. „Vor zehn Tagen haben wir feststellen müssen, dass wir die Kontaktpersonenverfolgung nicht mehr adäquat abarbeiten können.“ Innerhalb von fünf Tagen seien 250 neue Fälle dazu gekommen. „Und wenn sie wissen, dass jeder Meldefall mit sieben oder acht Personen verbunden ist, dann wissen sie, dass wir über 2000 Kontaktpersonen sprechen.“
Jeder Infizierte hat sieben oder acht Kontakte
Die habe man tatsächlich erst einmal nur ablegen können. Was nicht gut ist. „Jeder Tag, an dem nicht nachverfolgt wird, führt zu weiteren Übertragungen.“ Dahmen nickt: „Da haben wir dann die Karte gezogen, die die Bundeskanzlerin angeboten hat. Wir haben die Bundeswehr gerufen.“
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Die ist dann auch gekommen. Sehr schnell – und mit 40 Soldaten und Soldatinnen aus der Glückauf Kaserne in Unna. Wie so oft in den vergangenen Monaten. 122 Anträge auf Amtshilfe hat es seit Ausbruch der Pandemie allein in NRW gegeben. 89 davon wurden erfüllt. Ob Heinsberg, Tönnies oder die Verteilung der Aussteigerkarten in Köln: „Wir waren an allen Hotspots dabei“, sagt Oberstleutnant Stefan Heydt, Sprecher des Landeskommandos NRW.
15000 Männer und Frauen in Bereitschaft
Bundesweit stehen laut Heydt 15000 Männer und Frauen in unterschiedlichen Bereitschaftsgraden bereit. „Die ersten kommen innerhalb von 24 Stunden.“ In Dortmund hat es einen Tag länger gedauert, aber das ist nach Einschätzung aller Beteiligten immer noch „sehr schnell“. Aus allen Bereichen der Truppe sind sie gekommen. Der eine ist eigentlich Fahrer, der andere sitzt beim Bund im Büro. Aber alle sind fit am Computer und kompetent am Telefon. „Und sie sind mit Herz und Seele dabei“, sagt Heydt
Nach einer kurzen, aber intensiven Schulung durch das Amt, greifen sie – in zwei Schichten – derzeit immer wieder zum Hörer. Als „Gesundheitsamt Dortmund“ melden sie sich, nicht etwas mit Rang und Einheit. „Das Gesundheitsamt ist Chef im Ring“, stellt Stefan Heydt klar. „Wir leisten nur Unterstützung.“
„Wie lange hatten sie Kontakt? Wie geht es Ihnen?“
Die besteht vor allem darin, dass zusammen mit den Angerufenen ein Fragebogen ausgefüllt wird. „Wie lange hatten sie Kontakt?“ „Wie eng war dieser Kontakt?“ „Haben Sie Masken getragen?“ Und natürlich „Wie geht es Ihnen?“ Die letzte Entscheidung, wie es – je nach Antwort weitergeht – trifft dann die Gesundheitsbehörde.
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Innerhalb einer Woche sei der Berg von zu kontaktierenden Personen abgearbeitet worden, berichtet Renken. Plus die stetig steigende Zahl von neuen Fällen. Man arbeite „annähernd tagesgleich“. „Die Hilfe des Bundeswehr“, zieht er dann auch eine erste Bilanz, „ist weit mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein.“
Inzidenz von über 100 ist nicht mehr beherrschbar
Mit eigenen Leuten, durch Personal-Verschiebungen aus anderen Ämtern und den Helfern aus der Bundeswehr, habe man derzeit rund 150 Leute in der Kontaktnachverfolgung. Zeitnah lasse sich das auf 200 erhöhen, irgendwann werde aber auch einfach der Platz in der Behörde knapp. In Dortmund gibt es deshalb Überlegungen, einen Teil der Scouts in den Westfalenhallen unterzubringen.
Aber reicht das alles? Schwierige Frage. Renken kann nur schätzen. „Bis zu einer Inzidenz von 100 ist das Geschehen zu beherrschen“, glaubt er. Steige die Zahl noch höher, werde es Lücken geben und irgendwann habe man ein Übertragungsgeschehen, dass nicht kontrollierbar sei.
Deshalb appelliert Behördenleiter Renken auch an die Verantwortung jedes einzelnen. Man könne nicht immer nur die Gesundheitsämter in die Pflicht nehmen. „Wenn jemand weiß, dass er mit einem Infizierten Kontakt hatte, dann muss er nicht auf den Anruf vom Amt warten. Dann kann er auch von sich aus erst einmal zu Hause bleiben.“