Ruhrgebiet. Gastronomen haben gelernt, in Zeiten von Corona mit Einschränkungen zu leben. Warum sie für die neuen Regeln aber kein Verständnis haben.

Das Telefon im Sternerestaurant „Haus Stemberg“ in Velbert klingelt. Walter Stemberg, der die Leitung des Restaurants zwar an Sohn Sascha abgegeben hat, aber immer noch im Betrieb ist, ahnt den Grund des Anrufs schon. „Wahrscheinlich will wieder jemand absagen.“ Und Recht hat er.

Ein Gänseessen war gebucht. Drei Ehepaare, sechs Personen – bisher kein Problem. Seit Mitte der Woche ist es das schon. Seit Velbert Corona-Risikogebiet geworden ist, gelten neue Einschränkungen. Maximal fünf Personen dürfen nun noch an einem Tisch bewirtet werden. Diese fünf dürfen allerdings aus fünf unterschiedlichen Haushalten kommen.

„Da hat irgendjemand nicht mitgedacht“

Hat keine Verständnis für die neue Fünf-Personen-Regel. Walter Stemberg
Hat keine Verständnis für die neue Fünf-Personen-Regel. Walter Stemberg © FUNKE Foto Services | Carsten Klein

Stemberg schüttelt den Kopf. Nicht, dass man ihn missverstehe, sagt er dann. Natürlich sei es klar, dass es auch in der Gastronomie Beschränkungen geben müsse. Der Lockdown im Frühjahr, reduzierte Gästezahl, aufwändige Hygienevorschriften. „Wir machen ja alles mit.“ Sogar freiwillig geschlossen haben sie, als ein Mitarbeiter während seiner freien Tage an dem neuen Virus erkrankte. „Mit allen Maßnahmen die helfen, die Pandemie einzudämmen, müssen wir leben“, sagt Stemberg. „Das ist nicht schön, aber das ist nun einmal so.“

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An der Wirksamkeit der Fünf-Personen-Regel aber hat Stemberg Zweifel. Bei drei Ehepaaren, rechnet er vor, seien es zwar sechs Personen, aber im schlimmsten Fall nur drei Haushalte betroffen. Das sei bei einer möglicherweise notwendig werdenden Nachverfolgung dann viel weniger Aufwand für die Behörden. „Da hat doch irgendjemand nicht mitgedacht.“

Frage nach Sinnhaftigkeit und Verhältnismäßigkeit

Kurt Wehner, Geschäftsführer Fachgruppen beim Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) NRW, sieht das ähnlich. Und er ahnt auch schon, was solche Regelungen für Folgen haben. „Das verunsichert die Kunden noch mehr.“ Zudem seien Gäste in Fünfergruppen tatsächlich selten. „Irgendwie wirkt die Zahl fünf ohnehin etwas willkürlich.“

Nichts los in der City: Seit kurzem gilt in Duisburg eine Sperrstunde
Nichts los in der City: Seit kurzem gilt in Duisburg eine Sperrstunde © FUNKE Foto Services | Zoltan Leskovar

Auch der Dehoga weiß, dass es keine Freifahrtscheine für die Branche geben kann. Bei einigen der neu angekündigten Regelungen aber stelle der Verband sich die Frage von „Sinnhaftigkeit“ und „Verhältnismäßigkeit“. Das gelte für die Fünf-Personen-Regel, aber auch für die drohenden oder schon angeordneten Sperrstunden. „Für klassische Restaurants wie uns ist das nicht ganz so schlimm“, differenziert Stemberg. Das Lokal öffne ja schon um 18 Uhr. „Um 23 Uhr ist das Geschäft durch. Aber es gibt Kollegen, die haben da gerade erst aufgemacht. Die trifft das voll.“

Erste Kneipiers überlegen, früher zu öffnen

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Simon Grimm zum Beispiel, der das „Subrosa“ in Dortmund betreibt. Um 19 Uhr schließt er seine Kneipe bisher auf. „Aber richtig was los ist erst ab 21 Uhr. Und ich weiß nicht, ob die Leute noch kommen, wenn ich sie schon zwei Stunden später wieder nach draußen schicken muss.“ Wenn sie das nicht tun, sagt Grimm, müsse er seinen sieben 450 Euro-Kräften wohl irgendwann kündigen. Alternativ überlegt er, künftig schon ab 17 Uhr zu öffnen. „Keine Ahnung, ob das funktioniert.“

„Mehr als überflüssig“, findet Wehner das Hochklappen der Zapfhähne. „Das hat nicht den Effekt, den man sich davon erhofft.“ Wer um 23 Uhr eine Kneipe verlassen müsse, gehe ja nicht ins Bett oder setze sich vor den Fernseher. Partys unter freiem Himmel dürften in den Herbst- und Winternächten auch eher die Ausnahme sein. „Die Leute gehen zu einem nach Hause und feiern da weiter“, warnt Wehner. „Völlig ohne Kontrolle.“

Angst vor einem neuen Lockdown geht um

Die meisten Wirte achteten schon auf ihr Klientel, ist Stemberg überzeugt. Schon aus Angst vor einem neuen Lockdown. Im „Haus Stemberg“ liegen für diesen Fall schon Pläne für den Außer-Haus- Verkauf – „Ente-to-Go“ – in der Schublade. „Aber für viele Kneipen und Restaurants“, weiß der Velberter Gastronom aus zahlreichen Gesprächen mit Kollegen, „wäre eine zweite Schließung der endgültige Todesstoß.“ Manch einer, fürchtet Stemberg, „wird im nächsten Frühjahr ohnehin nicht mehr da sein.“