Ruhrgebiet. Endlich gibt es Corona-Schnelltests in ausreichender Zahl. Sie sollen in Minuten Ergebnisse bringen. Das könnte die Lage deutlich verändern.
Sie möchten verreisen oder nach der Reise nicht in Quarantäne. Opa wird 90 oder die beste Freundin heiratet morgen. Oder sie werden geplagt von Husten, Schnupfen, Fieber und wollen Klarheit. Es gibt viele Gründe, einen Corona-Test machen zu lassen, bisher aber nur die PCR-Testmethode. Sie ist zuverlässig, aber teuer und langwierig. Nun werfen Pharma-Firmen großen Mengen von Antigen-Corona-Schnelltests auf den Markt. Sie liefern – dem Namen entsprechend Ergebnisse binnen kürzester Zeit, werden immer genauer und sind günstig. Unumstritten sind sie nicht.
Nur von medizinischem Personal durchführbar
Der Schweizer Konzern Roche will in diesem Monat 40 Millionen Antigen-Schnelltests auf den deutschen Markt bringen. Die Kapazität werde sich bis Ende des Jahres mehr als verdoppeln. Und auch Richard Ammer, Geschäftsführer des alteingesessenen Iserlohner Pharmaunternehmens Medice, sagt, er könne kurzfristig „Millionen liefern“. An interessierten Abnehmern scheint es nicht zu mangeln. „Die Nachfrage wächst“, berichten Hausärzte aus der Region. Manche sprechen sogar schon von „einem Ansturm“ auf den Test, für den die Patienten derzeit – je nach Anbieter – im Schnitt zwischen 20 und 40 Euro selbst bezahlen müssen.
Deshalb sind auch viele Firmen mit ähnlichen Tests auf dem Markt unterwegs. Professor Ulf Dittmer, Direktor der Virologie an der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen, hat ein halbes Dutzend getestet und festgestellt: „Manche sind mittlerweile wirklich gut.“ Allen gemeinsam ist, dass sie bisher nur vom medizinischen Personal durchgeführt werden dürfen. Für Dittmer nur logisch. „Man muss schon einen vernünftigen Nasen-Rachen-Abstrich machen.“
Im Herbst willkommene Hilfe für Hausärzte
Die Ergebnisse gibt es bei allen Schnell-Tests dafür tatsächlich sehr zeitnah. Roche spricht von „in der Regel in 15 Minuten“, bei Medice dauert es fünf Minuten länger, was immer noch kein Vergleich ist zu den drei bis vier Tagen, die es dauert, bis man nach einem PCR-Test erfährt, ob man positiv oder negativ ist. Nachteil des neuen Tests: Er ist noch nicht so zuverlässig. Wobei „nicht so zuverlässig“ im Fall von Roche heißt: Die Sensitivität – also die Wahrscheinlichkeit, dass ein Infizierter auch als solcher erkannt wird – liegt bei 96,52 Prozent. Bei Medice sind es nach eigenen Angaben 96 Prozent. Nach Einschätzung von Experten „keine schlechten Werte“. Zum Vergleich: Die Hersteller von PCR-Tests geben eine Genauigkeit von über 99 Prozent an.
Am Klinikum in Essen sollen die Schnell-Tests dann künftig auch eingesetzt werden. Aber nur, wenn jemand vom Personal Symptome zeige, sagt Dittmer. Oder in der Notaufnahme, wenn etwa ein gerade eingelieferter Patient nicht ansprechbar sei. „Manchmal ist es extrem wichtig, dass man schnell ein Ergebnis bekommt.“ Auch in den Hausarztpraxen könne der Test im Herbst helfen, Corona- von Grippe Patienten zu unterscheiden. Für Patienten ohne Symptome will die Klinik ihn nicht anwenden. Vor allem, so Dittmer, weil es für diese Fälle bisher keine umfangreichen Studien gebe.
Flächendeckender Einsatz in Pflegeheimen geplant
Auch interessant
Doch, sagen Medice Chef Ammer und eine Roche-Sprecherin, man habe den Test auch bei asymptomatischen Patienten eingesetzt. Die Ergebnisse seien ähnlich, so Ammer. Viele Tests sind allerdings nur so genau, wenn ausreichend Virusmenge vorhanden ist. Mit anderen Worten: Infizierte mit geringerer Viruslast könnten durch Schnelltests möglicherweise nicht entdeckt werden. Ein positives Testergebnis ist also mit einer recht hohen Wahrscheinlichkeit korrekt; ein negatives nur bedingt aussagekräftig.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will Krankenhäuser, Pflegeheime und andere Risikoeinrichtungen von Mitte der Woche an dennoch flächendeckend mit Schnelltests versorgen. Er glaube, heißt es in einem Entwurf, dass sie mittlerweile relativ verlässliche Ergebnisse“ lieferten und „die Ansteckungsgefahr erheblich“ reduzierten. Auch SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach schrieb jüngst auf Twitter, es sei „falsch“, den Herbst alleine mit Standard-PCR-Tests durchtesten zu wollen. „Dazu reichen die Kapazitäten nicht.“
Immer noch schwarze Schafe auf dem Markt
Auch der Virologe Christian Drosten hat vor kurzem gesagt, an der Eingangstür eines Seniorenwohnheims könnten solche Tests „unglaublich viel Gutes“ tun. Wichtig sei allerdings, nicht irgendwelche Quatschtests zu nutzen. Letzteres sieht Dittmer ähnlich. „Es gibt immer noch schwarze Schafe auf dem Markt“, warnt er.
Auch interessant
Alexander S. Kekulé, Professor für Medizinische Mikrobiologie und Virologie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, kennt die Schwächen der neuen Tests. Aber, sagt er, wenn „sie in der Breite in der Masse verwendet“ würden, „dann ist das immer noch besser, als nicht zu testen“. Außerdem, glaubt Kekulé, dass sich selbst Corona-Zweifler oder -Leugner „vernünftig verhalten, wenn sie schwarz auf weiß sehen, dass sie positiv sind“.
Reiserückkehrern hilft der Schnelltest bisher nicht
Reiserückkehrern nutzen die neuen Schnelltests – Stand Dienstag – übrigens nur, um mögliche eigene Sorgen zu vertreiben. Für die Aufhebung der Quarantäne, heißt es auf Anfrage aus dem Gesundheitsministerium NRW, sei laut Corona-Schutzverordnung „eine molekulargenetische Testung auf SARS-CoV-2 (PCR-Test)“ nötig. „Ein Antigen-Schnelltest“, sagt ein Sprecher des Ministeriums auf Nachfrage, „würde in diesen Fällen nicht ausreichen
Mit unserem Newsletter erhalten Sie jeden Tag die neuesten Corona-Nachrichten direkt als E-Mail