Ruhrgebiet. Leere Wände, verlassene Etagen: In zwei Wochen schließt Galeria Kaufhof in Essen und Witten. Und die Restposten werden immer billiger.

Ostern ist im Angebot, warum auch nicht, schließlich ist schon Ende September. Oster-Nester, -Servietten, -Eierbecher stehen im Regal bei Galeria Kaufhof, auch sympathische Hasenfiguren für den aufblühenden Frühlingsgarten des weit vorausschauenden Naturfreundes. Da kommt eine Verkäuferin vorbei mit einem Einkaufswagen voller Schilder. Sie nimmt von den Osterregalen die Pappen „-70%“ fort und ersetzt sie durch neue: „-80%.“ Galeria Wühltisch.

Witten. Essen. Dortmund. An drei Standorten im Ruhrgebiet geht es mit Galeria Kaufhof zu Ende, die Häuser liegen schon im Koma: sind teilweise telefonisch nicht mehr zu erreichen, man kann hier nichts mehr umtauschen, keine Bestellungen aufgeben, Coupons gelten nicht mehr, Angebote aus allgemeinen Kaufhof-Prospekten auch nicht. Der Tod ist nah. Als letzter Verkaufstag wird der 17. Oktober gehandelt, der Samstag in den Herbstferien.

Zum Sterben ziehen sich die Verkaufsflächen ins Erdgeschoss zurück

Auch die Filiale vor dem Hauptbahnhof in Essen schließt in wenigen Wochen.
Auch die Filiale vor dem Hauptbahnhof in Essen schließt in wenigen Wochen. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Leere Wände, nackte Schaufensterpuppen, verlassene Etagen; Laufwege zwischen Flatterbändern: „Zur abfahrenden Rolltreppe.“ Zum Sterben ziehen sich die Verkaufsflächen ins Erdgeschoss zurück. Über jedem Restposten hängt ein Schild. Bademoden? „-80 Prozent.“ Kurzwaren? „Alles reduziert.“ Handtaschen? „Zusätzlich -30%.“ Koffer? „Alles muss raus.“

Wie riesig sind diese Häuser, dass zwei Monate nach Beginn des Ausverkaufs noch immer so viel da ist. Doch während die Stadtverwaltungen in Dortmund und Essen zuversichtlich sind, dass mit den Gebäuden bald wieder etwas anzufangen ist, ist das im fünfmal kleineren Witten ungewiss.

Essen und Dortmund wollen ihre Ex-Kaufhäuser als Handels-Orte erhalten

Obwohl die Schließungsgerüchte sich seit Jahren immer enger um das Haus zusammenzogen, gibt es zunächst einmal Vorschläge: neue Geschäfte, Kinderbetreuung, Fitnessstudio, Markthalle, Stadtverwaltung? „Seit Jahren hat man das kommen sehen, vorbereitet ist nichts“, sagt ein Beobachter der Wittener Szene. Bis zuletzt hatte Bürgermeisterin Sonja Leidemann (SPD) vor ihrer Abwahl darum gekämpft, dass das Kaufhaus erhalten bleibt.

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Für Essen hat ein Investor vollmundig angekündigt, man plane nach dem Kaufhof „ein attraktives Haus mit einem tollen Entrée für Essen“ – das Gebäude liegt direkt eingangs der Fußgängerzone. „Das Untergeschoss und das Erdgeschoss werden wieder gut zu vermieten sein.“

Und in Dortmund setzt sich der scheidende Oberbürgermeister Ullrich Sierau (SPD) dafür ein, das Gebäude in der Fußgängerzone „als Handelsstandort zu erhalten“. Nach Einschätzung der IHK lasse die Magnetwirkung des Handels in Dortmund zwar nach, aber er sei weiterhin stark.

„Das wird ein weiteres Gebäude in Witten, das einfach nur so leersteht“

Und dann Witten. Lange Schlangen an den Kassen, Schnäppchenjäger. Kein Einwand, überhaupt keiner, aber es gibt auch Kunden, die feilschen um weitere Prozente mit Verkäuferinnen, die bald ihre Arbeit verlieren. Oder in die Transfergesellschaft gehen: alle knapp 30 Mitarbeiter in Witten, 40 von 80 in Dortmund, 65 von 96 in Essen. Die anderen werden überwiegend arbeitslos. „Wir haben immer noch gehofft, aber das ist nun vorbei“, sagt der Betriebsratsvorsitzende Rainer Demarck in Witten. Die Belegschaft sei wütend und enttäuscht.

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„Ich glaube, die meisten Schnäppchenjäger waren vorher noch nie da“, sagt eine Frau. Und draußen auf der Straße ahnen die Menschen, was sie erwartet: „Dann ist hier in der Innenstadt bald gar nichts mehr los“, sagen sie, oder „In unserer kleinen Stadt gibt es dann kaum noch etwas“ oder auch „Ich glaube, das wird ein weiteres Gebäude in Witten, das einfach nur so leersteht.“

In Herne dauerte es elf Jahre bis zur neuen Nutzung des alten Kaufhauses

In der oberen Fußgängerzone ist das Kaufhaus fast das letzte große Gechäft.
In der oberen Fußgängerzone ist das Kaufhaus fast das letzte große Gechäft. © FUNKE Foto Services | Bernd Thissen

Die kleine Stadt hat dann einen großen Klotz am Bein: 15.000 Quadratmeter groß. Wie schwer das zu lösen ist, das kann man ganz gut an Herne sehen. Dort schloss Hertie 2009, lange verrottete das Gebäude dahin. Erst jetzt, elf Jahre später, wird es wieder eine attraktive Immobilie. Bauarbeiter legen letzte Hand an die kommenden „Neuen Höfe Herne“, und das sieht so gut aus, dass ein Passant absurderweise fragt: „Kommt hier Karstadt hin?“ Nein, Karstadt kommt nirgendwo mehr hin.

Elf Jahre. Wie Mülheim oder Herten steckt auch Witten seit Jahren in dem Niedergang, dass die Innenstadt sich zurückentwickelt zum Vorstadtzentrum. Wenn Galeria Kaufhof schließt, gibt es nur noch Woolworth als größeres Geschäft an diesem Ende der Fußgängerzone. Und es ist ihr besseres Ende.