Ruhrgebiet. Mit ihrem Warnstreik hat die Gewerkschaft Verdi am Dienstag fast allen Nahverkehr auf den Straßen gelähmt. Mittwoch rollt er wieder – vorerst.
Um halb sechs morgens sieht man, dass man nichts sieht, und das ist anders. Denn an diesem Bogestra-Depot in Bochum, aus dem sonst um diese Zeit die Busse ausfahren auf Dienstfahrt zum Tour-Start, da tut sich gar nichts. Ein paar Verdi-Flaggen flattern weiß-rot in der Einfahrt, und daneben hängt ein Transparent: „Wertschätzung durch gute Tarife. Wir sind ÖPNV.“ Naja, an diesem Dienstag wohl weniger.
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Den Nahverkehr im Ruhrgebiet hat die Gewerkschaft nämlich praktisch stillgelegt, eigentlich in fast ganz Deutschland. Die paar Bahnbusse fahren, einige private Subunternehmen auch: Ansonsten tut sich nichts auf den Straßen. Die meisten Menschen haben das mitgekriegt, nur sehr vereinzelt stehen Leute wartend an Haltestellen und schauen suchend in ihre Handys.
„Mann, die Menschen müssen doch zur Arbeit“
„Oh“, sagt eine Wittener Schülerin, sie muss sich jetzt überlegen, wie sie voran kommt. Ein anderer geprellter Fahrgast reagiert erbost: „Mann, die Menschen müssen doch zur Arbeit.“ Er wird nun zu spät kommen. Nicht ganz unerwartet, sind die Meinungen geteilt: „Ich bin nicht in der Gewerkschaft, aber der Streik ist richtig“, sagt ein Mann; ganz anders diese Frau: „In diesen Zeiten hat man schon genug andere Sorgen.“
Die Busbahnhöfe also sind leer, die Bahnhöfe aber voll, Kunststück, die Deutsche Bahn, Abellio und die Nordwest-Bahn fahren ja, sie sind vom Streikaufruf nicht betroffen, nehmen damit dem Streik etwas die Schärfe. Teilweise kommt es sogar zu leichten Verspätungen bei den S-Bahnen, weil manche Pendler und Schüler auf sie ausweichen und die Haltezeiten verlängern. Andere haben sich ins Auto gesetzt, vor etlichen Schulen fahren mehr Elterntaxis vor als sonst. „Nur eine Ausnahme“, sagen alle Fahrer.
Verdi will einheitliche Regelungen, Arbeitgeber befürchten Rosinenpickerei
Wer dann aber im Dortmunder Hauptbahnhof etwa Richtung U-Bahn läuft, den erwartet bald ein Monitor: „Wegen eines Warnstreiks fahren in Dortmund ganztägig keine Busse und Bahnen.“ Und so kommt es, dass man jetzt nicht nach Hörde oder Brechten zu kommen weiß, aber die Fernbusse fahren. Hamburg, Kornwestheim, Kiew werden gerade angezeigt, Lütgendortmund nicht.
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Der Warnstreik ist zunächst mal eine Eintagsplage. Verdi will erreichen, dass Regelungen für Überstunden oder Zuschläge in ganz Deutschland einheitlich geregelt sind und nicht mehr auf Landesebene. Die Arbeitgeber aber fürchten, es komme dann zu Rosinenpickerei, die jeweils günstigsten Bedingungen würden durchgesetzt – und der Nahverkehr teurer.
Sorge um Sicherheit: Nicht alle U-Bahnhöfe lassen sich verriegeln
Anders sieht das dieser Vertrauensmann bei der Ruhrbahn in Mülheim: „Wenn wir jetzt nicht kämpfen, ist der Bus abgefahren und der Betrieb wird weiter an uns sparen.“ Die nächste Gesprächsrunde ist angesetzt für den 22. Oktober. Die Stimmung sei gut, heißt es. Immer mehr Beschäftigte tragen sich hier in die Listen ein, das Mülheimer Depot ist ein Streiklokal, wo man coronahalber direkt zur Unterschrift fahren kann. Mit dem Auto, versteht sich.
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Aber ein paar Beschäftigte des Nahverkehrs im Ruhrgebiet sind dann doch an der Arbeit. Nicht alle U-Bahn-Stationen lassen sich mit Rolltoren schließen, mancherorts sind die Zugänge auch offen, weil man sonst Ladenlokale mit abriegeln würde. Auf die Sicherheit an solchen Stellen muss natürlich jemand achten. Bogestra-Sprecherin Sandra Bruns sagt es so: „Nicht auszudenken, wenn jemand auf den Gleisen unterwegs wäre, wenn am Mittwoch wieder der Betrieb losgeht.“ Abgesehen von allem anderen – stünde er dann auch gleich wieder still.