Bochum. In Bochum stehen Busse und Bahnen still: Der Warnstreik legt seit dem Morgen den Nahverkehr lahm. Umweltaktivisten zeigen Solidarität.
„Streik? Heute? Davon hab’ ich ja gar nichts mitbekommen!“ Die Rentnerin, die am Dienstagmorgen einigermaßen verzweifelt am Bochumer Busbahnhof steht, wartet vergeblich auf einen Anschluss nach Stiepel. Per Handy hat sie eine Verwandte alarmiert, die sie mit dem Auto abholen soll. Das kann dauern. Denn während die Busse und Bahnen seit der Nacht in den Depots stehen, sind die Straßen voll.
Der Warnstreik, zu dem die Gewerkschaft Verdi und die Nahverkehrsgewerkschaft (NahVG) aufgerufen haben, legt den Nahverkehr lahm. Seit 3 Uhr wird die Bogestra für 24 Stunden bestreikt. 1900 Beschäftigte in Bochum, Gelsenkirchen und Witten seien im Ausstand, berichtet Verdi-Gewerkschaftssekretär Jürgen Schirmer. Fahrdienst, Werkstätten, Verwaltung: „So gut wie alle sind draußen.“ Wenn Verdi ruft, ist eine hohe Beteiligung gewiss: Der Organisationsgrad liegt bei 90 Prozent.
Warnstreik in Bochum: Keine Aufmärsche in Corona-Zeiten
Während Zehntausende Kunden seit den Morgen zusehen müssen, wie sie zur Schule oder Arbeit, zum Arzt oder in die City kommen, haben Bogestra-Mitarbeiter Posten vor der Hauptverwaltung an der Universitätsstraße bezogen. Gerade mal fünf Kollegen stehen vor dem Eingang. Die klassischen Streik-Bilder bleiben an diesem Tag aus: Wegen Corona wird auf die sonst üblichen Aufmärsche und Versammlungen verzichtet.
Druck wollen die Gewerkschaften gleichwohl machen. Es geht um den Rahmentarifvertrag für die Beschäftigten der Nahverkehrsunternehmen. Der ist derzeit noch Ländersache, soll nach dem Willen der Gewerkschaften künftig aber bundesweit gelten, mit einheitlichen Regelungen etwa für Zuschläge, Überstundenausgleich und Urlaubstage. „Ein Beispiel: Im Fahrdienst gibt es keine Schichtzulagen. Das darf so nicht bleiben!“, schimpft Steinbach, Vertrauensleutesprecher bei der Bogestra.
„Jeder zweite Kollege im Nahverkehr geht bis 2030 in den Ruhestand“, sagt Jürgen Schirmer. Es brauche attraktivere Arbeitsbedingungen, um neue Mitarbeiter zu gewinnen und die so häufig geforderte Verkehrswende zu stemmen. „Finde ich richtig. Wenn man was will, muss man dafür streiken“, sagt Elke Rogoll (47), die auf dem Fußweg in die City am Streikposten vorbeikommt. Auch eine Abordnung der „Students for Future“ zeigt Solidarität. „Wir fahren zusammen“, heißt es es grün auf weiß auf einem Transparent, das die Umweltaktivisten am Vormittag vor der Bogestra-Zentrale ausrollen.
Die meisten Kunden sind informiert
Wie der Straßenverkehr ohne Bus und Bahn aussähe, zeigte sich am Morgen in der Bochumer Innenstadt. Vor allem auf dem Ring herrschte im Berufsverkehr Stop & Go. Erst seit dem Vormittag entspannt sich die Lage. Die Taxifahrer, die auf gute Geschäfte gehofft hatten, sehen sich getäuscht. „Es gibt kaum zusätzliche Fahrten. Für uns ist es ein ganz normaler Morgen“, hieß es kurz nach 8 Uhr am Hauptbahnhof. Kein Taxi-Nottouren, nirgendwo.
In der Tat: Auf dem verwaisten Busbahnhof nebenan blicken nur wenige Menschen irritiert auf die elektronischen Anzeigetafeln. Dort ist zu lesen: „Warnstreik Verdi – Es finden heute keine Fahrten statt.“ Auch die untere Verteilerebene im Hauptbahnhof (wo der Regional- und Fernverkehr planmäßig läuft) ist menschenleer. Ein Aushang im Bogestra-Kundencenter verweist auf das Servicetelefon. Eine Bäckerei gegenüber hat frühzeitig kapituliert und erst gar nicht geöffnet: „Streik/Bogestra“, erklärt ein handgeschriebener Zettel an der Tür.
Neue Warnstreiks sind in Sicht
Schon bald könnte der Bäcker erneut kleine Brötchen backen. Im Zuge des aktuellen Tarifstreits im öffentlichen Dienst (der nichts mit dem Nahverkehr-Streik zu tun hat) könnten die Busse und Bahnen wieder stillstehen. Ende vergangener Woche war es bei den Bochumer Stadtwerken zu ersten Arbeitsniederlegungen gekommen. Für diese Woche hatte Verdi weitere Warnstreiks angekündigt. Wo und wann, ließ die Gewerkschaft am Dienstag auf WAZ-Anfrage noch offen. Aber: „Es kann etwas passieren.“