Mülheim. Knapp 400 Mitarbeiter der Ruhrbahn in Mülheim streiken. Der ÖPNV steht still. Verdi-Mitglieder kämpfen für einen bundesweiten Rahmenvertrag.
Seit frühem Dienstagmorgen heißt es: „Alle Räder stehen still.“ Die Gewerkschaft Verdi hat ihre Mitglieder für den kompletten Tag zu einem Warnstreik bei der Ruhrbahn aufgerufen. Da viele Bus- und Straßenbahnfahrer gewerkschaftlich organisiert sind, wird es keine Fahrten aus den Stadtteilen in die Stadtmitte geben. Fast alle der rund 400 Mitarbeiter in Mülheim sind dem Streikaufruf gefolgt.
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Die Ruhrbahn-Geschäftsführung „bedauert diese Unannehmlichkeiten für die Fahrgäste und bittet sie um Verständnis“. Sie rät Kunden, auf Züge und den Schienenersatzverkehr von Deutscher Bahn und den privaten Bahnbetreibern auszuweichen. Aber zu den Anschlussbahnhöfen bringt sie kein Bus.
Streik in Mülheim: Drive-In zu den Streiklisten
„Erst waren die Kolleginnen und Kollegen unersetzbar, weil systemrelevant. Jetzt sollen sie mit einer Nullrunde hingehalten werden“, sagt Bernt Kamin-Seggewies, stellvertretender Verdi-Geschäftsführer Ruhr-West. „Auch in der Coronazeit lassen wir uns nicht unterkriegen und werden bis zur dritten Verhandlungsrunde am 22. Oktober kämpfen: Für bessere Arbeitsbedingungen, mehr Anerkennung unserer Dienstleistungen und eine bessere Bezahlung.“
Verdi setzt sich für einen bundesweiten Rahmenvertrag ein, eine Vereinheitlichung der Bedingungen in allen Bundesländern. „Für die Ruhrbahn würde ein Prozent Tarifsteigerung einen Mehraufwand von rund 1,35 Millionen Euro erzeugen“, erklärt Sylvia Neumann, Sprecherin der Ruhrbahn.
Im Ruhrbahn-Depot an der Duisburger Straße hat Verdi einen „Drive-In“ eingerichtet. Streikende können hier direkt vorfahren und sich in die Listen eintragen. „Wegen Corona läuft dieser Streik in einer völlig anderen Form als sonst“, sagt Kamin-Seggewies. „Aber die Stimmung ist gut.“
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Bereits in der vergangenen Woche signalisierten Bus- und Straßenbahnfahrer der Ruhrbahn ihre Streikbereitschaft. „Immer kürzere Pausenzeiten, zusätzliche Belastungen in der Coronazeit, da nutzen modernste Fahrzeuge und Technik kaum, um Stress im fast täglichen Stau abzubauen“, beschreibt Christian Boden, Vertrauensmann bei der Ruhrbahn.
Der Nahverkehrsbetrieb habe es außerdem schwer, neue Fahrer für den Beruf zu begeistern. „Kämpfen wir jetzt nicht für mehr Entlastung und Lohn, ist der Bus abgefahren und der Betrieb wird weiter an uns sparen“, schildert Boden die Stimmung im Betrieb. Und Bernt Kamin-Seggewies sagt: „Soll ich meinem 16-jährigen Sohn raten, Busfahrer zu werden? Dann ist die Altersarmut jetzt schon sicher.“
Züge fahren, aber kein Bus zum Bahnhof
Für Ruhrbahn-Nutzer bedeutet der Streik am Dienstag: Entweder Fahrgemeinschaften bilden, sich ein Taxi bestellen, das Fahrrad nehmen oder laufen. Keine Bahn und kein Bus werden aus den Depots ausrücken. Es gibt keinen Notfahrplan. Das gilt auch für die Nachbarstädte, mit denen das Nahverkehrsunternehmen Gemeinschaftslinien betreibt – wie die Linien 112, 129, 136, 752 und 901.
In der Nachbarstadt Duisburg werden am Mittwoch auch die städtischen Kitas bestreikt. In Mülheim aber vorerst nicht. „Wir wären trotzdem vorbereitet“, sagt Stadtsprecher Volker Wiebels. Kinder in Notgruppen zusammenzufassen, sei zwar wegen Corona nicht möglich. „Aber es gelingt uns in der Regel, in einer Notbesetzung die Betreuung aufrecht zu erhalten.“