Mönchengladbach. Der NRW-weit erste Prozess um den Missbrauchs-Komplex Bergisch-Gladbach steht in Mönchengladbach vor dem Abschluss. Plädoyers wurden gehalten.

Im Prozess wegen schweren sexuellen Kindesmissbrauchs vor dem Landgericht Mönchengladbach sollen die beiden angeklagten Männer nach dem Willen der Staatsanwaltschaft jeweils weit über zehn Jahre ins Gefängnis kommen. In dem ersten landesweiten Prozess aus dem Missbrauchskomplex Bergisch Gladbach beantragte die Anklage am Montag Strafen von 13 Jahren und neun Monaten sowie von vierzehneinhalb Jahren für die beiden Angeklagten.

Die aus Viersen und Krefeld stammenden, jeweils 39 Jahre alten Männer sollen teilweise gemeinschaftlich schweren sexuellen Kindesmissbrauch in über 100 Fällen begangen haben. Zudem sind sie wegen Herstellung, Verbreitung und Besitzes kinderpornografischer Schriften angeklagt.

Einer der Angeklagten halt, weitere Täter zu ermitteln

Dem Mann aus Krefeld hielt die Staatsanwältin zugute, dass er kurz nach seiner Festnahme Anfang November 2019 ein umfassendes Geständnis abgelegt und so den Opfern die Aussage vor Gericht erspart hatte. Außerdem habe er geholfen, andere Täter zu ermitteln und Taten aufzuklären. Der 39-Jährige hatte zugegeben, seine heute elfjährige Tochter seit 2016 und ab dem Frühjahr 2017 auch gemeinsam mit dem Mitangeklagten dessen jetzt zwölfjährige Nichte regelmäßig schwer sexuell missbraucht zu haben.

Der zweite Angeklagte aus Viersen hatte im Prozess zwar zugegeben, sich seit 2015 zum Teil massiv an seiner Nichte vergangen zu haben. Er räumte ein Drittel der angeklagten Taten ein und schwieg zum Vorwurf des gemeinschaftlichen Missbrauchs.

Staatsanwältin: Täter haben „Kinder getauscht wie Sexspielzeug“

Die Staatsanwältin sagte die Angeklagten hätten „die Kinder getauscht wie Sexspielzeug“. Und weiter: „Sie haben bei den Kindern eine Atmosphäre der Angst und Einschüchterung geschaffen“. Dazu hätten sie ein System mit Geld- und Sachgeschenken etabliert, das gezielt auf Belohnung und Gewöhnung ausgerichtet war.

Der Verteidiger des Vaters aus Krefeld beantragte am Montag eine Strafe von höchstens neuneinhalb Jahren für seinen Mandanten. Für den zweiten Angeklagten beantragte dessen Verteidiger sieben Jahre. Nach 20 Prozesstagen sollen die Urteile am Freitagnachmittag verkündet werden.

Missbrauchs-Fälle: Mehr als 200 Beschuldigte identifiziert

Kennengelernt hatten sich die Männer über eine Internetplattform für Pädophile. Der Missbrauchsskandal war zuerst in Bergisch Gladbach aufgedeckt worden. Insgesamt gibt es in dem Komplex deutschlandweit inzwischen mehr als 200 identifizierte Beschuldigte. Es gab bereits erste Urteile.

Vor dem Kölner Landgericht begann Mitte August auch der Prozess gegen einen 43-Jährigen aus Bergisch Gladbach, bei dem der gesamte Fall seinen Ausgang genommen hatte. Im Haus des Familienvaters hatten Ermittler im vergangenen Oktober Unmengen kinderpornografischer Daten gefunden. (dpa)