Kamp-Lintfort. Wer ans Ruhrgebiet denkt, denkt nicht zuerst an Kirchen und Klöster. Doch es gibt viele mit wunderbaren Gärten, Museen – und Autobahnanschluss.

Die Menschen leben grad den Sommer. Sie spazieren durch den Terrassengarten, sitzen an den Springbrunnen oder holen sich Kaffee und Apfelkuchen aus dem „Café Orangerie“. Sie lassen an diesem zärtlich sonnigen Nachmittag im Großen und Ganzen den lieben Gott einen guten Mann sein. Hier liegt das ja auch sehr, sehr nah, an Kloster Kamp, im Terrassengarten aus dem 18. Jahrhundert.

Quatsch.

Hier war tatsächlich im frühen 18. Jahrhundert ein wunderbarer barocker Garten entstanden, der Garten gewordene Anspruch der hier lebenden Zisterzienser, zu zeigen, dass sie die Welt ordnen und in Ordnung halten können. Und erzählt wird bis heute, der junge Preußenkönig Friedrich habe sich auf dem Weg zu einem Treffen mit Voltaire hier inspirieren lassen für die Gärten seines Lustschlosses Sanssouci in Potsdam.

Mitte der 1980er-Jahre grasten hier die Kühe

In der Abteikirche gilt zur Zeit die Maskenpflicht.
In der Abteikirche gilt zur Zeit die Maskenpflicht. © funke foto services | Ralf Rottmann

Aber zur Wahrheit gehört auch: Der Garten war verfallen in Kamp-Lintfort, Mitte der 1960er-Jahre grasten hier die Kühe. Erst dann kam die Stadt darauf, was für ein Kleinod sie hier haben könnte, und ließ es nach alten Stichen wiederherstellen. Und so kommt es, dass am westlichen Rand des Ruhrgebietes ein überaus lohnendes und in der Region einzigartiges Ausflugsziel liegt: Kloster Kamp mit allem drum und dran. Und dem Gartenreich natürlich.

Abteikirche, Museum, Klosterladen: Alles ist nach den Corona-Schließungen wieder geöffnet, sogar das Spendencafé; aber sollten Sie in den nächsten Wochen überlegen, herzukommen, informieren Sie sich bitte tagesaktuell über Öffnungszeiten: Die Dinge sind noch sehr im Fluss. Eine gute, kurze Einführung zu Kloster Kamp finden Sie etwa bei Achim Nöllenheidt: „Ruhrtour Kirchen und Klöster“, Essen 2019, Klartext-Verlag, 120 Seiten, 13,95 Euro. Dort sind auch 69 sonstige Ausflugsziele des Glaubens angerissen.

„Alle sind willkommen, auch die Nicht-so-Frommen“

Sogar Führungen sind in Kloster Kamp wieder möglich, wenngleich zunächst in kleineren Gruppen. Dann fragen sie doch, wie es kommt, dass in der Abteikirche zwei Indianer abgebildet sind; oder warum auf einem Gemälde aus der Malschule von Rubens der jüngste der Heiligen drei Könige so auffällig in Marias Ausschnitt starrt.

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Peter Hahnen könnte das erklären, er weiß alles hier, er ist der Leiter des „Geistlichen und kulturellen Zentrums Kloster Kamp“, so der offizielle Name. Denn was es hier nicht mehr gibt, sind Mönche, die letzten gingen 2003; heute trägt ein durchaus kirchennaher, aber nicht sehr strenger Förderverein die ganze Anlage. Den Geist der Leute kann man einfach einem Schild entnehmen, das zur mittäglichen Kurz-Andacht unter freiem Himmel einlädt: „Alle sind willkommen, auch die Nicht-so-Frommen.“

Klosterkitsch zu produzieren, darauf haben sie verzichtet

Dr. Peter Hahnen ist der Leiter des „Geistlichen und kulturellen Zentrums Kloster Kamp“.
Dr. Peter Hahnen ist der Leiter des „Geistlichen und kulturellen Zentrums Kloster Kamp“. © Funke Foto services | Ralf Rottmann

„Wir versuchen, handgemacht und ehrlich für die Leute zu tun, was Menschen für Menschen tun können“; sagt Hahnen. Seminare, Konzerte und Übungen wie „Gregorianische Choräle für Anfänger“ sind derzeit nur eingeschränkt möglich, aber sie haben zum Beispiel auf die naheliegende Möglichkeit verzichtet, aus dem geschäftsträchtigen Anlass der Landesgartenschau Klosterkitsch zu produzieren und zu verkaufen: „Das passt nicht zu uns.“

Wenn wir also wieder nach draußen gehen, in den Terrassengarten, muss man dazu sagen: Er ist in diesem Sommer Bestandteil der zweigeteilten Landesgartenschau. Sie blüht nahe der Innenstadt auf dem früheren Zechengelände des „Bergwerks West (Friedrich Heinrich)“ – und hier, am Kloster. Die zwei Teile der Landesgartenschau sind verbunden durch einen Wanderweg, man kann aber auch den Pendelbus nehmen.

Ein Gesamtkunstwerk aus Bäumen und Beeten, aus Sträuchern und Wasserspielen

Sie bietet Schmuck- und Staudenbepflanzungen, Mustergärten und Obstwiesen, 800 Bäume und Blumen in sechsstelliger Zahl; die Tageskarte kostet einen Erwachsenen ohne Ermäßigung 18.50 Euro. Gut besucht (wie eigentlich auf jeder Gartenschau) sind auch wieder die Musteranlagen der Friedhofsgärtner, die Branche erklärt das mit diesem Spruch: „Jeder hat einen liegen.“

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Womit wir thematisch schon wieder nahe an Kloster Kamp wären. Sein Gartenreich ist ein Gesamtkunstwerk aus Bäumen und Beeten, aus Sträuchern und Wasserspielen; wer nicht vor der Abteikirche parken will, der nähert sich ihr durch diesen Garten. Allerdings sind dann 85 Stufen zu bewältigen. Historisch korrekt, daher nicht barrierefrei. Näher, mein Gott, zu dir.

In Xantens Dom gibt es noch eine Läuter-Kompanie

Am Xantener Dom St. Viktor gibt es noch eine Läuter-Kompanie.
Am Xantener Dom St. Viktor gibt es noch eine Läuter-Kompanie. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Ein Bischof sitzt hier nicht, doch ansonsten könnte man dem Xantener Dom glauben, dass er ein Dom sei. So eine große und prächtige Kirche! Von „17 bedeutenden Altären“ künden Reiseführer, zählen „Steinskulpturen, flandrische Wandteppiche, kunstvolle Schnitzereien und einzigartige Wandbilder“ auf. Und die Innenstadt von Xanten ist sehr nah.

Noch ein Tipp dazu: Der Dom ist die letzte Kirche in Deutschland, wo sich noch kräftige Männer an Seile hängen, um die Glocken zu läuten. Die sogenannte „Läuter-Kompanie“ hängt sich nicht zu Showzwecken rein, aber zu gegebenen kirchlichen Anlässen ist sie aktiv und lässt sich auch zuschauen.

Die kleine Kirche am Rande der Autobahn

St. Epiphanias in Bochum ist das Gegenteil von kirchlichem Prunk; es gibt Menschen, die sich im Vorbeifahren fragten, warum, um Himmels Willen, ein Kreuz auf diesem Förderturm steht. Aber Bauhaus-Epiphanias ist tatsächlich eine Kirche, gebaut vor 91 Jahren, da gab es noch keine Autobahn 40, an der sie nun steht.

Und zwar auf Kante gebaut. Die Kirche bei der Ausfahrt Bochum-Hamme ist die einzige Autobahnkirche mitten im Ruhrgebiet. Das Gästebuch gibt darüber ausführlich Auskunft, was Besucher bewegt.

Das Kloster, das früher eine Gewehrfabrik war

Welches Kloster kann schon von sich behaupten, dass es mal eine Tapetenfabrik, ja eine Gewehrfabrik war? Wahrscheinlich mehr, als wir jetzt ahnen, aber von Kloster Saarn in Mülheim wissen wir es: Nach der Verweltlichung kirchlicher Einrichtungen durch die revolutionären Franzosen wurden hier Gewehrläufe gedreht.

Das ist vorbei, Gott sei Dank. Kloster Saarn aus dem 13. Jahrhundert dient heute der Kirchengemeinde, der Kultur und der Begegnung von Menschen. Ein Museum zeigt alte liturgische Gefäße und Reliquien, beliebt sind auch Besuche bei den Klosterbienen und im Kräutergarten. Klöster haben Kräutergärten, weil Mönche und Nonnen auch Medizin betrieben.

Sankt Ludgerus, die „Basilica minor“ im Süden von Essen

Seit das Pegelhäuschen in Essen-Werden angemalt wurde und die Basilika Sankt Ludgerus von der anderen Seite der Ruhr zeigt, ist es nicht mehr beschädigt worden. Na also. St. Ludgerus ist nämlich nicht irgendeine große Kirche, sondern war über Jahrhunderte eines der kulturellen, religiösen und wirtschaftlichen Zentren Deutschlands. Papst Johannes Paul II. verlieh ihr 1993 den Ehrentitel einer „Basilica minor.“

Liudger (lateinisch: Ludgerus) war der Apostel der Friesen und Sachsen; er weihte den Vorgänger dieser Kirche im Jahr 808 ein und wurde ein Jahr später hier begraben. Immer im Herbst tragen Gläubige seine Gebeine auf einer Prozession durch Werdens Straßen, in diesem Jahr sind die Feiern coronabedingt beschränkt. Aber es gibt ja noch die Schatzkammer. Unter anderem.