Duisburg. Der Klimawandel ist im vollen Gange, sagt das Landesumweltamt. Es müsste bis Jahresende ununterbrochen regnen, um das Grundwasser aufzufüllen.

Es regnet wie bestellt, als das Landesumweltamt Lanuv über die „extreme Dürre“ in NRW informiert. Aber das sind tatsächlich nur Tropfen auf lauwarmen Steinen. Es müsste schon „bis zum Jahresende durchregnen, 24 Stunden am Tag“, um die Grundwasservorräte wieder auf Normalstand anzuheben, schätzt Lanuv-Präsident Thomas Delschen: „Wir haben einfach zu wenig Wasser.“ Ein anderer Vergleich fällt an diesem Mittwochvormittag: 45 Tage lang, müsste man das ganze Wasser des Rheins bei Köln abzwacken, hat ein Fachmann ausgerechnet – soviel fehlt den Böden in NRW.


Die vergangenen zweieinhalb Jahre waren ungewöhnlich, diese Zeitung hat häufig darüber berichtet: 2018 fehlte ein Drittel des üblichen Niederschlags (verglichen mit dem langjährigen Mittel von 1961 bis 1990). 2019 war ebenfalls trockener als üblich und 2020 ist bislang besonders extrem: Der Februar war so regenreich wie nur zwei andere in 140 Jahren, doch direkt darauf folgte eine extrem niederschlagsarme Zeit: Der April war unter den ersten zehn, der Mai auf Platz zwei der jeweiligen trockensten Monate. Unterm Strich trocknet NRW weiter aus.

Ein mächtiges Informationswerkzeug

Dr. Thomas Delschen, Präsident des Lanuv.
Dr. Thomas Delschen, Präsident des Lanuv. © FUNKE Foto Services | Martin Möller


Die Situation ist für die Natur, für Bauern, Waldbesitzer und Gartenfreunde dramatisch – darum setzt das Lanuv einen neuen Schwerpunkt „Dürre“ und stellt ab sofort aktuelle Daten, interaktive Karten und monatliche Einordnungen auf seiner Internetseite bereit. Denn was bedeutet es, wenn es im Juni 75 Liter Wasser auf einen Quadratmeter niedergegangen sind?

Das entspricht recht genau dem langjährigen Mittel und genügt, die Flüsse wieder etwas zu füllen. Doch die Talsperren beeinflusst das kaum, verzögert ein weiteres Absinken „allenfalls um einige Tage“ (Füllstand: 77%, Vorjahr: 84%). Die Böden reagieren ähnlich, das Grundwasser liegt vielerorts noch etwas tiefer als im Vorjahr.

„Fachinformationssystem Klimaanpassung“ klingt natürlich recht bürokratisch, aber die Karten zeigen eindrücklich, mit welchem Problem Landwirtschaft und Natur zu kämpfen haben: Aktuell sind die Böden fast überall in NRW auf den obersten 25 Zentimetern sehr trocken, am schlimmsten sieht es im Ruhrgebiet und am Niederrhein aus, während sich die Lage im Münsterland etwas entspannt hat. Bis 180 Zentimeter, dem für den Wald entscheidenden Bodenbereich, ist das Gesamtbild noch alarmierender: Im Ruhrgebiet herrscht schwere Dürre, am Niederrhein extreme Dürre und im Bergischen sogar außergewöhnliche Dürre, was Richtung staubtrocken tendiert.

Die Situation wird sich kaum ändern


Wie geht es wohl weiter? Die Prognose des Deutschen Wetterdienstes für die nächsten vier Monate sagt einen durchschnittlichen Sommer voraus – doch über diesen Zeitraum sei sie sehr unsicher, erklärt der Lanuv-Fachmann Roland Funke. Während das Wetter von Zufällen geprägt ist, schauen die Klimatologen auf die langen Linien. Hier fällt das Urteil eindeutig aus: „Ein starkes Zeichen des bereits eingetretenen Klimawandels“ nennt Thomas Delschen die Dürre. Die Klima-Expertin des Lanuv, Barabara Köllner, erläutert: „Das Niederschlagsregime hat sich geändert. Wir glauben nicht, dass sich die Situation grundlegend wandelt.“

Darum nennt Umwelt-Staatssekretär Heinrich Bottermann die Dürre, den Wassermangel und die Klimaanpassung „die zentralen Themen der nächsten Jahrzehnte“. „Einschneidende Maßnahmen“ sieht er nahen: „Die Zeiten der Flächensprenger sind vorbei. Wir müssen zu modernen Bewässerungssystemen kommen.“ Und die Entsiegelung der Städte muss vorangetrieben werden, damit Regenwasser nicht mehr nutzlos in die Kanalisation fließt statt in den Boden, sagt auch Delschen. Kann jeder jederzeit unbegrenzt Wasservorräte nutzen? Müssen die Wasserrechte auch für die Landwirtschaft neu verhandelt werden? Die Trinkwasserversorgung, versichert Delschen, sei jedoch nicht bedroht.