Essen. In NRW tötet eine Plage der Borkenkäfer Fichten zu Millionen. Doch wohin mit dem Holz? Asien verspricht Rettung, ist aber kein gutes Geschäft.
Vermissen Sie ein paar Bäume in ihrem Lieblingswald, Fichten vielleicht? Das waren der Borkenkäfer und die Trockenheit. Die Chance ist eins zu drei, dass die Fichte nun in einem chinesischen Dachstuhl steckt, erklärt Andreas Voß, bei Wald und Holz NRW für die Holzvermarktung zuständig. Mittlerweile gehen 25 Prozent der in NRW geschlagenen Fichten – und es sind Millionen – nach Asien. Ein Geschäft ist das allerdings nicht, nur eine Notlösung. Denn Geld bleibt nicht über.
Kalamität, Krise, Katastrophe – folgende Zahlen verdeutlichen das Ausmaß des Schadens: Im Jahr 2018 fielen in allen Wäldern NRWs etwa 3,1 Millionen Festmeter Holz aufgrund der fachsprachlichen „Kalamitäten“ ungeplant an, vor allem hatte der Sturm Friederike gewütet. Der Borkenkäfer machte noch den kleineren Teil aus. Doch dann wurde es heiß und trocken, im nächsten Jahr verfünffachte sich die Menge des beschädigten und daher gefällten Holzes (auf 15,6 Millionen Festmeter), Stürme fielen kaum ins Gewicht.
Die Fichte wird zur Seltenheit
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Im aktuellen Jahr sind wir zwar erst bei 1,8 Millionen Festmetern, doch die ersten Monate im und nach dem Winter waren damit schon dreimal so heftig wie im Vorjahr. Die meisten Schäden entstehen ab dem Spätsommer, so dass Andreas Voß von mindestens 20 Millionen Festmetern Kalamitätsholz in 2019 ausgeht – und fast alles sind Fichten. Zum Teil müssen auch gesunde Bäume schnell gefällt werden, um eine Ausbreitung zu verhindern. Im Rhein-Sieg-Gebiet, im Sauerland und in Ostwestfalen vor allem, aber auch im Ruhrgebiet. Es ist absehbar: In den Lagen unter 400 Metern wird die Fichte eine Seltenheit werden. Im Sauerland sind auch schon höhere Bestände betroffen.
Dabei ist der Markt paradox. Einerseits „kann der Bedarf Chinas fast gar nicht gedeckt werden“, sagt Voß. Auch der Handelskrieg mit China hat zu einer steigenden Nachfrage nach Holz aus Europa geführt. Andererseits sind die Preise gerade im Keller, nicht nur wegen Corona. Halb Europa sitzt ja nun auf Bergen von Käferholz, das nicht mehr von den Sägewerken vor Ort verarbeitet werden kann. „Die sind natürlich unser erster Ansprechpartner“, erklärt Voß. Aber sie sind einfach dicht mit Aufträgen. „Wir können vom Zwei-Schichtbetrieb auf Drei-Schichtbetrieb hochfahren. Mehr Variation geht nicht“, sagt Christoph Paul, Einkaufsleiter des Briloner Sägewerks der Firma Egger. „So ein Sägewerk ist ein Dampfer, der immer mit der gleichen Geschwindigkeit fährt.“
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Hunderttausende Kubikmeter Fichtenholz liegen also in den Wäldern und drohen zu verrotten. Frisches Holz ist, anders als verarbeitetes, rasch verderblich. Bleibt Lagerung oder Export. Doch die klassische Nasslagerung, bei der das Holz bis zur Sättigung beregnet wird, ist teuer, etwa drei bis fünf Euro pro Festmeter und Jahr. „Das lohnt sich eigentlich nicht für Borkenkäferholz, sondern nur für beste Qualitäten“, zum Beispiel bei Windschäden. Bei Arnsberg experimentiert Wald und Holz NRW auch mit zehn „Folienlagern“: Der Sauerstoff ist unter Plastik rasch aufgebraucht, so dass Schädlinge absterben.
Die Alternativen zum Export sind keine
Diese Lager werden nun im Abstand von sechs Monaten geöffnet. Der erste Test hat gezeigt, dass die Stämme wie frisch gefällt waren – und vor allem, dass die Käfer tatsächlich verschwunden waren. Die Verantwortlichen erwarten, dass sich Holz so jahrelang aufbewahren lässt. Allerdings liegen die Kosten hier noch höher, bei etwa 15 Euro pro Festmeter. Das lohne sich nur bei sehr guten Holzqualitäten, heißt es. Diese Form der Lagerung ist also eine Wette auf die Zukunft, auf steigende Preise. Und kommt doch Luft herein, wird das ganze Holz im Lager schnell angefressen. Für die großen Mengen Fichtenholz, die derzeit anfallen, kann jedoch nur der Export die Lösung sein. Der Anteil der Fichte am Export ist von drei Prozent vor zwei Jahren auf aktuell über ein Drittel geschnellt.
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Die Stämme werden auf maximal 11,80 Meter Länge geschnitten und schon an den Polterplätzen im Wald in Container verladen, 30 Festmeter passen herein. Per Lkw gehen die Container dann in die Häfen von Duisburg, Rotterdam oder Antwerpen, um hier ihre Schiffsreise durch die Meerenge von Gibraltar und den Suezkanal nach Asien, meist China, anzutreten. Rund 33.000-mal passierte dies im vergangenen Jahr in NRW. Das entspricht etwa einer Million Festmetern. Der Umsatz liegt jedoch nur bei etwa 40 Millionen Euro, etwa genug, um die Kosten der Waldpflege zu decken. Als „letzte Rettung“ bezeichnet Holz und Wald NRW dies: „Sollte der Export zum Erliegen kommen, sind viele Forstbetriebe in Ihrer Existenz gefährdet.“ Voß geht davon aus, dass das Volumen noch steigen wird, bevor es „nach der Kalamität“ in zwei, drei Jahren womöglich stark sinkt. Weil einfach kaum noch Fichten da sein werden.