Essen. Woran erkennt man hochwertiges Fleisch? Der Landesinnungsmeister der Fleischerinnung sowie die Verbraucherzentrale NRW geben Auskunft.

Nachhaltigkeit, Tierwohl, Regionalität – viele Verbraucher hinterfragen ihre Essgewohnheiten und möchten sich nicht nur gesünder, sondern auch nachhaltiger ernähren. Ein wichtiger Faktor für die Menschen in der Region: Fleisch. Doch woran kann man im Supermarkt qualitativ hochwertiges Fleisch erkennen?

Adalbert Wolf ist Landesinnungsmeister der Fleischerinnung Bonn-Rhein-Sieg. Er setzt auf die persönliche Komponente und sagt: „Natürlich gibt es auch gutes Fleisch an der Supermarkt-Theke, aber da hat man 80 Mal Glück und 20 Mal Pech, damit muss man dann leben.“

Viele Siegel, wenig Einheitlichkeit bei der Ausweisung von Fleisch-Qualität

Er ist ein Verfechter der heimischen Metzgerbetriebe. „Regional ist hier das Stichwort. Im besten Fall kennt man den Metzger. Ist das ein guter Betrieb, kann er erklären, wo sein Fleisch herkommt, kennt Landwirt und sogar den Fahrer, der das Fleisch von A nach B bringt.“ Der Knackpunkt in dieser Rechnung: „Natürlich wollen die Leute lieber billiges Fleisch. Da muss ein Umdenken stattfinden. Zu diesen Dumping-Preisen kann man weder Qualitätsfleisch, noch Tierwohl oder gute Arbeitsbedingungen erwarten.“ Die jüngsten Skandale in regionalen Schlachthöfen wie Westfleisch haben die teils miserablen Arbeitsbedingungen von Mitarbeitern klar in den Fokus gehoben – hier stiegen die Corona-Infektionen extrem an. Auch das lässt die Deutschen ihren Fleischkonsum hinterfragen,

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Von dem Siegel-Wald, der auf den abgepackten Fleischwaren in den Selbstbedienungstheken der Supermärkte zu finden ist, hält der Meister nichts. „Es gibt so viele Siegel, die Qualität versprechen. Aber da blickt der Konsument doch gar nicht durch.“ Auch vom Bio-Siegel ist er nicht überzeugt: „Bio schützt nicht vor Massentierhaltung und regelt nicht die Lebensbedingungen der Tiere. Damit ist man auch nicht zwingend auf der sicheren Seite.“

Verbraucher haben „Bilderbuchvorstellung“ von Tierhaltung

Das sieht Christiane Kunzel von der Verbraucherzentrale NRW anders. „Ja, die Siegel sind undurchsichtig. Aber es gibt einige wenige, an denen man sich recht gut orientieren kann“, erklärt sie. Was anderes bliebe den meisten Städtern auch nicht übrig, sagt die Expertin. „Auf dem Land geht das mit dem ansässigen Dorfschlachter vielleicht noch, aber in den großen Städten ist das nicht zu gewährleisten.“

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Fleisch, so Kunzel, sei für die Kunden mittlerweile ein anonymes Produkt. Dazu käme noch die Bilderbuchvorstellung von guter Tierhaltung, die beispielsweise auf Supermarkt-Werbeheftchen abgebildet sei. „Die Vorstellung von freilaufenden Tieren auf einer grünen Wiese gibt es zu den angebotenen Preisen einfach nicht.“

Kein staatliches Siegel für Tierwohl

Das Problem sieht die Expertin in der Undurchsichtigkeit von Qualitätskriterien. Der Markt sei voll von Siegeln, die Tierwohl und gute Haltung versprechen, aber für den Kunden kaum verständlich seien. „Wir bräuchten ein einheitliches, staatliches Siegel, das sich mit dem Tierwohl beschäftigt“, so Kunzel. „Doch das wird auch in diesem Jahr nicht kommen.“

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Laut Verbraucherzentrale gibt es jedoch einige wenige Siegel, an denen Verbraucher sich orientieren können. Darunter ist auch das von Fleischermeister Wolf kritisierte Bio-Siegel. Eine grobe Orientierung bietet auch das bislang einzige staatliche Siegel, das die Haltungsform der Tiere kennzeichnet. Hier wird mit Zahlen von eins bis vier gekennzeichnet, wo die Tiere besonders gut oder nur dem staatlichen Mindestanspruch entsprechend gehalten worden sind.

Staatliches Siegel „Haltungsform“:

  • Die erste Stufe "Stallhaltung" entspricht lediglich den gesetzlichen Anforderungen.
  • Fleisch, das mit der zweiten Stufe gekennzeichnet ist, sichert den Tieren etwas mehr Platz und zusätzliches Beschäftigungsmaterial,
  • während die dritte Stufe "Außenklima" den Tieren noch mehr Platz und Frischluft-Kontakt garantiert.
  • Die vierte Stufe "Premium" bietet den Tieren außerdem Auslaufmöglichkeiten im Freien, auch Biofleisch wird in diese Stufe eingeordnet.

Über das Tierwohl sage dieses Label jedoch auch nichts aus. „Außerdem gibt es kaum Fleisch der höheren Kategorien zu kaufen“, merkt Christiane Kunzel an. „Auch das ist ein Problem.“

Seit 2019 ist das Haltungsform-Siegel das erste und bisher einzige staatliche Siegel, das die Haltungsform von Tieren angibt.
Seit 2019 ist das Haltungsform-Siegel das erste und bisher einzige staatliche Siegel, das die Haltungsform von Tieren angibt. © dpa | -

Siegel „Für mehr Tierschutz“:

Das Siegel „Für mehr Tierschutz“ des Deutschen Tierschutzbundes ist laut der Verbraucherzentrale ebenfalls eine brauchbare Orientierung. Das Label gibt es in zwei Varianten: Einstiegsstufe und Premiumstufe.

Der Tierschutz der Einstiegsstufe geht deutlich über den gesetzlichen Mindeststandard hinaus. Das Angebot der Premiumstufe ist hingegen durch ein noch höheres Tierschutzniveau gekennzeichnet.

Corona-Krise bringt Metzgern leichten Aufschwung

Das Problem: „Jedes dieser Siegel setzt eigene Kriterien für sich. Solange Verbraucher diese Systeme nicht durchschauen und verstehen können, werden sie auch nicht darauf achten, geschweige denn mehr Geld dafür bezahlen“, sagt Kunzel.

Beide Experten hoffen jedoch, dass die Corona-Krise zu einem nachhaltigen Umdenken bei den Verbrauchern führt. Seit einigen Wochen würden die Menschen verstärkt wieder zum Metzger gehen, beobachtet Fleischermeister Adalbert Wolf. „Wie wir aber bei BSE und anderen Skandalen gelernt haben, vergessen die Kunden schnell und kehren zum billigen Fleisch zurück“, stellt Wolf fest.

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