Ruhrgebiet. Seit Wochen sind die Revierzoos geschlossen. Manche Tiere sind unruhig, manche mopsen sich, viele kriegen nichts mit. Und dann sind da Paviane.
Wenn im Gelsenkirchener Zoom am frühen Abend die automatische Durchsage erklingt, dass er bald schließt, dann fangen die Wölfe an zu heulen. Immer. Vermutlich wäre es äußerst voreilig, daraus zu schließen, die Wölfe bedauerten, dass die Menschen jetzt gehen. Aber die rätselhafte Verknüpfung von Durchsage und Rudelgeheule beweist zumindest eines: Die Wölfe sind Gewohnheitstiere. Wie alle Tiere im Zoo. Und was ist mit der Gewohnheit, dass da ständig Menschen sind? Seit Wochen ist doch niemand mehr da.
Die Wölfe, sonst die großen Meister der Unsichtbarkeit, kommen wahrhaftig angeschlappt, als sie Menschen vor ihrem Gehege sehen. Die Tüpfelhyänen verfolgen, was die Tierpflegerin nebenan treibt. Und die Löwin Lissy haut mit ihren Vordertatzen plötzlich immer abwechselnd auf das dicke Sicherheitsglas, das sie von Besuchern trennt, so dass die Frau auf der anderen Seite vor Schreck aus der Hocke auf den Po fällt. „Lissy will spielen“, sagt der Zoom-Betriebsleiter Hendrik Berendson, „das sind ja große Katzen, das darf man nicht vergessen.“ Die Vermutung für Zootiere insgesamt ist gerade: Je intelligenter, desto langweilig.
„Die Flamingos und die Erdmännchen sind neugieriger und aufmerksamer als sonst“
Irgendwas ist anders. Im Bochumer Tierpark hat die Sprecherin Miriam Kreimeyer bemerkt: „Die Flamingos und die Erdmännchen im Eingangsbereich sind neugieriger und aufmerksamer als sonst.“ Ähnliches beschreibt ihr Kollege Christian Schreiner für Duisburg: Beim Giraffenbullen Kiringo eingangs des Zoos müssen eigentlich alle Menschen vorbei, jetzt kommt gar niemand mehr. „Momentan ist er zumindest irritiert.“
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Freilich hilft vielen Tieren in den geschlossenen Zoos momentan die Erfahrung aus halbwegs menschenleeren Wintermonaten. Und auch einfach eine gewisse Stumpfheit. Die Wombats „buddeln weiter fleißig ihre Löcher“, sagt Schreiner; und die Koalas dösen in bewährter Manier den ganzen Tag und fressen Eukalyptus, Eukalyptus und Eukalyptus. Dass keine Besucher da sind, „das interessiert sie überhaupt nicht“.
Routinen laufen weiter: Fütterungen, Tier- und Gehegepflege
Die große Masse der Tiere dürfte also kaum bemerken, dass etwas anders ist. Andere nehmen Blickkontakt auf, Affen etwa, Menschenaffen zumal. Berendson in Gelsenkirchen findet diesen Vergleich dazu passend: „Wenn Sie in einem Straßencafé sitzen und alle 30 Minuten kommt ein Auto, dann gucken Sie. Wenn pausenlos Autos vorbeifahren, gucken Sie nicht.“
Doch denen, die sich mutmaßlich tierisch mopsen, denen versuchen die Pfleger zu helfen. Alle Routinen werden in dem Revierzoos aufrechterhalten, mit Ausnahme der Schau-Fütterungen: Aber das wäre auch zu seltsam, den Robben Fische zuzuwerfen und laut zu erklären, was man da tut – wenn niemand da ist. Aber die Fütterungen gehen natürlich weiter, auch die Tier- und Gehegepflege. Und manchmal auch mehr.
Elefanten und Erdmännchen müssen sich nach ihrem Fressen strecken
In Gelsenkirchen bekommen etwa die Rentiere den einen oder anderen Halfter-Spaziergang zusätzlich. In Bochum haben die Kune-Kune-Schweine neulich den Streichelzoo besuchen dürfen, und die Lachshühner konnten frei durch die komplette Anlage laufen. Alles im Dienste der artgerechten Abwechslung. Doch was im vergleichsweise kleinen Tierpark geht, geht im riesigen Zoom natürlich nicht: „Wo sollten wir sie wiederfinden?“
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Glücklicherweise ist es Jahrzehnte her, dass Zootiere einfach eingesperrt wurden und sich selbst überlassen blieben. Schon seit Jahren arbeiten die Tiergärten beispielsweise daran, ihnen das Fressen nicht einfach vorzusetzen, sondern sie damit zu beschäftigen. In Duisburg müssen die Elefanten ihres mit dem Rüssel aus Betonschächten fischen, in Bochum fummeln die Totenkopfäffchen ihres mit Stöcken aus einer Kiste, und die Erdmännchen in Gelsenkirchen müssen in Mauerlöchern nach ihrer Mahlzeit puhlen. Da sind nämlich diese schmackhaften Mehlwürmer drin!
Auf der Affeninsel kommt es plötzlich zu Geschrei und Zank
In der Afrika-Welt haben sich die Nashörner momentan unsichtbar gemacht, aber die beiden Strauße kommen gelaufen und schauen nach den Menschen, die unverhofft aufgetaucht sind. Dann laufen sie aufgeregt weiter, denn da sind noch mehr Besucher: Kanada-Gänse, wilde, die öfter einfliegen und sich hier durchfuttern. Für sie heißt das hier nicht Zoo, sondern Schlaraffenland.
Und in „Pavian City“, einer großen Affeninsel mit bestimmt 40 etwas ratlos umher schauenden Tieren, kommt plötzlich Geschrei und Zank auf. Heutzutage betrachtet man das als Besucher natürlich mit dem allergrößten Verständnis: Denn Zootiere haben ja immer Ausgangsbeschränkungen und Heimarbeit.