Essen. Erst in der Hauptverhandlung gab der Essener zu, auf seine Schwiegermutter eingestochen zu haben. Jetzt muss er fast fünf Jahre in Haft.
Der 41 Jahre alte Essener, der seine Schwiegermutter im Hausflur überrumpelt und niedergestochen hatte, muss für vier Jahre und neun Monate ins Gefängnis. Das Essener Schwurgericht verurteilte ihn aber lediglich wegen gefährlicher Körperverletzung und rückte vom angeklagten Mordversuch ab.
Anfangs hatte der Angeklagte aus dem Essener Stadtteil Stoppenberg jede Beteiligung an der Tat weit von sich gewiesen. Er hatte sich sogar ein falsches Alibi besorgt. Erst in der Hauptverhandlung räumte er ein, am 15. August vergangenen Jahres morgens um 6.20 Uhr an der Wohnung seiner Schwiegermutter im Stadtteil Gerschede gewesen zu sein. Erinnerungen an die eigentliche Tat habe er aber nicht, gab er an. Erst auf der Rückfahrt mit dem Taxi sei ihm der blutverschmierte Schraubenzieher aufgefallen.
Aussage den Ermittlungen angepasst
Das Geständnis rechnete ihm die VI. Strafkammer zwar an, gab ihm dafür aber nicht viel Rabatt. Richter Martin Hahnemann: "Er hat seine Aussage immer dem aktuellen Ermittlungsstand angepasst."
Im Urteil zeichnete Hahnemann das Bild einer zerrütteten Ehe nach. Für das Scheitern der Beziehu ng habe der Angeklagte aber nicht sich selbst, sondern seine Schwiegermutter verantwortlich gemacht: "Sie war für ihn die Quelle allen Übels." Tatsächlich hatte seine Frau sich zusehends durch den Angeklagten eingeengt gefühlt, er aber glaubte an den "schlechten Einfluss" der 56 Jahre alten Schwiegermutter. Dieser habe zum Ende der Ehe geführt.
Morgens nach Gerschede geradelt
Am Morgen des 15. August war er nach Gerschede geradelt. Zunächst hatte er seiner Frau auflauern wollen, die in die Nähe ihrer Mutter gezogen war. Unter das Auto seiner Frau legte er einen Fugenkratzer vor den Reifen, damit dieser beim Anfahren aufgeschlitzt werde.
Dann ging er zur Schwiegermutter, die wie jeden Morgen um diese Zeit das Haus verließ. An der Eingangstür stoppte er sie. "Wir müssen reden", sagte er. Als sie das ablehnte, drängte er sie zurück, stopfte ihr einen Stoffknebel in den Mund und stach mit dem Schraubenzieher insgesamt sieben Mal auf die Frau ein. Jeder Stich traf den Oberkörper. "Im Nähmaschinenrhythmus", hatte das Opfer gesagt. Hahnemann machte klar, dass die Kammer in diesem Moment von einem Tötungsvorsatz des Angeklagten ausging: "Denn er war entschlossen, diesen Störfaktor seiner Ehe zu eliminieren."
Nachbarn eilten zur Hilfe
Erst als Nachbarn auf die Hilferufe der 56-Jährigen reagierten und aus den oberen Etagen nach unten eilten, ließ der Angeklagte von ihr ab. Weil er vor dem Eintreffen der Nachbarn mit dem Zustechen aufgehört hatte, war nicht auszuschließen, dass er von der versuchten Tötung Abstand genommen hatte. Juristisch ist das der strafbefreiende Rücktritt vom unvollendeten Versuch einer Tötung. So blieb nur die Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung.
Staatsanwältin Sarah Erl hatte dagegen weiterhin einen versuchten Mord gesehen, sechs Jahre und drei Monate Haft hatte sie gefordert. Das Gericht sah dafür keinen Anlass, allerdings auch nicht für den Antrag von Verteidiger Oliver Allesch, der wegen gefährlicher Körperverletzung eine Bewährungsstrafe als ausreichend ansah. Hahnemann erinnerte beim Strafmaß auch an die Folgen der Attacke, an denen die Frau immer noch leide. Wie durch ein Wunder seien keine lebenswichtigen Blutgefäße verletzt worden.