Essen. Im Libanesenprozess um die Essener Schulhofprügelei will die Staatsanwaltschaft die Angeklagten im Gefängnis sehen. Bewährung beantragt sie kaum.
Die Strafaktion auf dem Schulhof der Altendorfer Hüttmannschule in Essen soll spürbare Konsequenzen für die acht Angeklagten haben. Staatsanwältin Franca Bandorski forderte am Donnerstag im Libanesenprozess vor dem Amtsgericht Essen bis zu dreieinhalb Jahre Haft.
Nur einen Angeklagten will sie nicht im Gefängnis sehen, beantragte für ihn ein Jahr und zwei Monate Gefängnis mit Bewährung. Allerdings soll er 100 Stunden gemeinnütziger Arbeit leisten und an einem Anti-Gewalt-Training teilnehmen.
Tumult vor dem Gerichtssaal
Dass es am fünften Verhandlungstag wieder zu einem schnell im Keim erstickten Tumult kam, hatte mit dem Plädoyer der Anklägerin nichts zu tun. In einer Sitzungspause war es zuvor vor dem Saal zu Schreierei und Schubserei gekommen. Polizei und Justizwachtmeister schritten schnell ein. Nach Rücksprache mit Richterin Claudia Schlarb mussten zwei der Zuhörer das Gericht verlassen, eine Frau schloss sich ihnen an und ging freiwillig.
Was der Grund für die Ausbrüche unter den Zuhörern ist, lässt sich nicht einmal mehr mutmaßen. Die Störenfriede vom Montag waren der Verhandlung am Donnerstag offenbar ferngeblieben.
Video liefert Beweise fürs Gericht
Am 4. Juni vergangenen Jahres hatten die acht Angeklagten gemeinschaftlich den 18 Jahre alten Mohamed R. durch ein Mädchen auf den Schulhof locken lassen und übel verprügelt. Die Tat hatte einer von ihnen auf Video aufgenommen und im Internet veröffentlicht. So lieferten die Angeklagten selbst die Beweislage gegen sich. "Alle waren gut darauf zu erkennen", sagte die Staatsanwältin.
Ein eindeutiges Motiv stellte sie in ihrem Plädoyer nicht fest, dazu hatte es unterschiedliche Angaben gegeben. Anfangs hieß es, der 18-Jährige habe eine unerwünschte Beziehung zu einem Mädchen aus der verfeindeten Familie S. gehabt. Später, er habe ein Mädchen mit Nacktfotos erpresst.
Opfer sitzt selbst in U-Haft
Franca Bandorski hielt sich nicht lange beim Opfer der Prügelei auf. Der 18-Jährige sitzt aktuell in anderer Sache in U-Haft wegen des Verdachts auf eine Vergewaltigung. Sie erinnerte nur an seinen Spitznamen "Gigolo" und kommentierte das knapp: "Über seinen Ruf will ich nicht sprechen. Aber Gigolo erscheint mir noch ganz nett."
Als brutal und grob bezeichnete sie die Tritte auf den am Boden liegenden jungen Mann. Das rechtsmedizinische Gutachten hatte zwar nur wenige Verletzungen aufgezählt, aber lebensbedrohlich seien die Tritte dennoch. Bandorski: "Man kann die Folgen nicht kontrollieren."
Strafmaß abhängig von den Vorstrafen
Das Strafmaß machte sie vor allem abhängig von der Intensität der einzelnen Gewalt, aber auch vom jeweiligen Vorstrafenregister. Und so gab es nur bei einem Angeklagten einen Bewährungsantrag. Bei einem anderen sah sie zwar keinen Raum für die Verurteilung zu einer Jugendstrafe, beantragte aber eine Verwarnung mit vier Wochen Dauerarrest.
Einem anderen hielt sie vor, dass er beim Abspielen des Videos im Gerichtssaal gegrinst habe. Auch deshalb soll er die beantragten zehn Monate Haft absitzen, forderte sie: "Er hat keine Einsicht gezeigt."
Erniedrigung des Opfers
Den Angeklagten sei es vor allem um die Erniedrigung des Opfers gegangen, führte sie weiter aus. Ein Mädchen aus der Gruppe hatte die Strafaktion mal als "unmenschlich" bezeichnet. Die Staatsanwältin hatte gegen diese Einordnung nichts einzuwenden: "Das trifft es."
Dabei prangerte die Anklägerin eine durchaus menschliche Eigenschaft der Angeklagten an, nämlich die Feigheit: "Was hat das mit Ehre zu tun", fragte sie rhetorisch, "wenn man mit acht Mann auf einen losgeht?" Am Donnerstag soll es nach Verteidigerplädoyers zum Urteil kommen.